1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Immer diese Kollegen(schweine)!

10. Februar 2019

Die meiste Zeit des Tages verbringen wir mit unseren Kollegen. Und die können uns das Leben ganz schön schwer machen. Woran das liegt? Meist daran, dass sie einfach anders sind. Und das ist gut so!

https://p.dw.com/p/3C1A8
Mann und Frau schreien sich an
Bild: picture-alliance/imageBROKER/R. Demurez

Wenn ich morgens das Büro der Wissenschaft betrete, hebt sich meine Laune jedes Mal. Egal, in welchem Keller sie sich zuvor verkrochen hatte. Das liegt einerseits an der Arbeit selbst. Ich mag meinen Job wirklich gerne. Vor allem aber liegt es an meinen Kollegen. Die mag ich fast noch lieber.

Andere bekommen hingegen Bauchschmerzen bei dem bloßen Gedanken an ihre Mitinsassen im Büro. Laut einer Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK war im Jahr 2018 schlechtes Arbeitsklima für 29 Prozent der Befragten der größte Stressfaktor. Für das Arbeitsklima sind natürlich nicht nur die blöden Kollegen verantwortlich. Doch der nervigste Chef und die anstrengendsten Aufgaben lassen sich mit solidarischen Kollegen besser ertragen. 

Doch was, wenn von Solidarität weit und breit nichts zu sehen ist? Schließlich sind die Kollegen die Menschen, mit denen wir die meiste Zeit des Tages verbringen. Schön, wenn's gut läuft. Die Hölle, wenn nicht. 

Mehr dazu: Psychosomatik: Wenn die Seele Bauchweh hat

Hauptsache: Ich!

Die Praxis der Psychologin und Psychotherapeutin Karoline Amlacher-Ukobitz in Villach-Landskron in Österreich ist gut gefüllt mit Patienten, die unter dem Ärger mit ihren Arbeitskollegen leiden. 

"Viele Patienten, vor allem in großen Unternehmen, haben Probleme mit machiavellistischen Kollegen", sagt Amlacher-Ukobitz. Machiavellistisch bedeutet skrupellos, das eigene Machtstreben wird über alles andere gestellt. Ein solches Exemplar handelt frei nach dem Darwin'schen Motto des "Survival of the Fittest". 

Gegen einen Kollegen, der nach Anerkennung lechzend sprichwörtlich über Leichen geht, lässt sich meist nicht viel ausrichten. Könne der Vorgesetzte diese menschliche Abrissbirne nicht einhegen, bliebe oft nur der Jobwechsel, sagt die Psychologin. Doch zwischen Friede, Freude, Eierkuchen und machiavellistischer Eskalation am Arbeitsplatz gibt es natürlich noch einige Abstufungen.

Mehr zu Streit: Streit in der Partnerschaft: Wer kämpft, verliert

Du bist anders. Das nervt.

"Muss jemand, der eher konventionell denkt und wenig offen für Neues ist mit jemandem zusammenarbeiten, der besonders kreativ ist und neue Wege gehen möchte, kann das bereits zu großen Problemen führen", sagt Amlacher-Ukobitz. Der eine sieht sich einem träumenden Spinner gegenüber, während sich der andere permanent ausgebremst fühlt. 

Die Ursache des Übels liegt dabei in einem simplen Naturgesetz: Wir sind alle unterschiedlich. Was banal klingen mag, kann im Arbeitsalltag zur größten Herausforderung werden. Doch wie sind wir eigentlich?

Die US-Psychologen Gordon Allpor und Henry Sebastian Odbert versuchten bereits in den 1930ern eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ihr Ziel war es, Begriffe zu definieren, die die Hauptdimensionen der menschlichen Persönlichkeit beschreiben.

Allport und Odbert gaben den nachfolgenden Psychologen-Generationen die"Big Five" oder das Fünf-Faktoren-Modell an die Hand. Auf das sich mehr als 80 Jahre später auch Amlacher-Ukobitz bezieht.

Symbolbild Playmobil zu Bisexualität
Wenn es an jeder Ecke Ärger gibt, ist es Zeit zu fragen: Bin ich vielleicht Teil des Problems?Bild: DW/J. Vergin

Wer bin ich eigentlich?

Diese großen fünf Persönlichkeitsmerkmale sind Offenheit (für Erfahrungen), Gewissenhaftigkeit, Extraversion (also Geselligkeit), Verträglichkeit (dazu zählen Kooperationsbereitschaft und Empathie) und Neurotizismus (emotionale Stabilität und Verletzlichkeit). Mit Hilfe eines Persönlichkeitstests kann jeder herausfinden, in welchem Bereich die eigenen Stärken und Schwächen liegen.

"Dieser Test wurde ursprünglich entwickelt, um es Personalentscheidern leichter zu machen, die richtige Person für die offene Stelle zu finden", sagt die Psychologin.

Ich klicke mich sofort durch die vielen Fragen, um herauszufinden (besser spät als nie), ob ich in meiner Redaktion nicht vielleicht doch fehl am Platz bin. Die Ergebnisse beruhigen: Ich bin offen für Neues, interessiert an den Gedanken anderer, dabei einigermaßen gewissenhaft. Glück gehabt.

Ohne Wertschätzung geht es nicht

Was aber, wenn ich ein ängstlicher und von Selbstzweifeln geplagter Typ wäre? Das sei gar nicht schlimm, sagt die österreichische Psychotherapeutin. Ein unsicherer Mensch sei häufig besonders verlässlich und sehr genau, weil er keine Fehler machen möchte. So kann die vermeintliche Schwäche im Job auch eine Stärke sein.

"Ausgeglichenheit im Team ist wichtig", sagt Amlacher-Ukobitz. Eine konservative, wenig offene Person kann den kreativen Kopf zwar in den Wahnsinn treiben. Genauso gut können diese beiden Charaktere aber auch voneinander profitieren: Was dem Kreativen an Realitätssinn fehlt, bringt der Bürokrat mit.

Gegen ein heterogenes Team ist also per se nichts einzuwenden. Zumindest dann nicht, wenn sich die verschiedenen Persönlichkeiten gegenseitig ausgleichen. Damit das funktioniert müssen die Kollegen dann aber doch ein paar Gemeinsamkeiten haben: "Eine ausgeprägte Teamfähigkeit ist wichtig für eine gute Arbeitsatmosphäre. Ebenso wichtig ist es, die Mitarbeiter wertzuschätzen." Mögen wir sie zwischendurch noch so wunderlich finden.

Mehr dazu: Kein Leben ohne Liebe

Freundschaften sind gefährlich

Damit sind wir bei einem wesentlichen Punkt in der Arbeitskollegen-Beziehung: Wer regelmäßig aneckt und sich aufregt, sich ängstigt oder ungerecht behandelt fühlt, sollte einen Blick in den Spiegel wagen.

Vielleicht sind meine Art und meine Eigenschaften Teil des Problems? Mutig, wer nach einer ehrlichen Antwort sucht. Und schlau! Schließlich ist es wesentlich leichter, das eigene Verhalten zu verändern, als das Verhalten anderer.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Feierabendbier das ein oder andere Problem lösen kann. Die anderen besser kennen zu lernen, kann helfen, ihre Absonderlichkeiten besser zu verstehen. Und sie am Ende vielleicht sogar zu mögen. Meine Kollegen, das sind mittlerweile auch meine Freunde.

Amlacher-Ukobitz warnt allerdings: Freundschaften zwischen Kollegen können gefährlich sein. Ein kleiner Konflikt schlägt dann viel höhere Wellen. Eifersucht könnte plötzlich eine Rolle spielen. Am Ende leidet das gesamte Team. Ich hab die Warnung der Expertin an meine Redaktionsfreunde weitergeleitet. Wir haben allerdings beschlossen, dass wir das Risiko auch weiterhin in Kauf nehmen.