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Kriegsängste und soziale Themen

Klaus Feldkeller11. November 2002

Das erste Europäische Sozialforum in Florenz geht zu Ende

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"Greift den Irak nicht an!" Die Proteste gegen einen möglichen Irak-Krieg haben viele Diskussionen in Florenz beherrscht.Bild: AP

Geschätzte 40.000 Teilnehmer haben vier Tage lang, vom 6. bis zum 9. November, in zahlreichen Workshops und Diskussionskreisen nach Alternativen zur neoliberalen Globalisierung gesucht. Die Veranstaltungen standen unter dem Motto "Ein anderes Europa ist möglich". Dabei wollten die Teilnehmer die europäischen Regierungen an ihre Verantwortung für eine gerechte Entwicklung in Sachen Menschenrechte, Ernährung, Gesundheit und Bildung erinnern.

Das Thema Irak-Krieg hat das erste Sozialforum auf europäischem Boden beherrscht. Überall auf dem Tagungsgelände wiesen Spruchbänder und Plakate auf den drohenden Feldzug gegen das Regime von Saddam Hussein hin, bei dem vor allem die Bevölkerung betroffen sein würde. Die Teilnehmer in Florenz betonten, dass es weiter politische Alternativen zu einer möglichen US-amerikanischen Intervention gibt. Jan Siefers führt aus, wie der Protest nach Florenz speziell in Deutschland weitergeführt werden soll:

"Die deutsche Friedensbewegung ist ein bisschen hinter den anderen Friedensbewegungen zurückgeblieben. Sie muss jetzt viel stärker auftreten. Deutschland hat jetzt eine besondere Rolle: zum einen weil die Aufmerksamkeit auf Deutschland durch die Äußerungen von [Bundeskanzler Gerhard] Schröder gelenkt ist. Das heißt: wir müssen im Dezember eine große Demonstration hinkriegen und dann zusammen mit den Friedensbewegungen aus den anderen europäischen Ländern Mitte Februar den europäischen Anti-Kriegstag aufbauen."

Neben Krieg und Frieden standen in Florenz auch soziale Fragen im Mittelpunkt. Massenarbeitslosigkeit und Ausgrenzung von Minderheiten aus der Gesellschaft - dies wurde von den Teilnehmern ebenfalls diskutiert. Alternativen zu den Schattenseiten der ökonomischen Globalisierung wurden von den Organisatoren in den Vordergrund gestellt. Europa soll hier bei den sozialen Bewegungen künftig stärker zusammenwachsen. Dazu Christine Bucholz vom Netzwerk Attac- Deutschland:

"Da wurden hier in Florenz vorentscheidende Schritte oder Vorbereitungen in Sachen Vernetzung getan. Die Friedensbewegungen sind noch nicht vernetzt. Es gibt unterschiedliche italienische Bewegungen, in Großbritannien. In Deutschland sieht das ganz anders aus. Und das war auch eine Funktion dieses Forums: zu diskutieren. Verschiedene Ansätze und Ansichten zu diskutieren. Aber auch einen Ansatz zu finden, wie man hier zusammenkommt. Das ist bei der Frage Krieg, aber auch bei der Gegenwehr gegen Privatisierung."

Damit ist vor allem der Widerstand gegen die geplante Liberalisierung von öffentlichen Gütern wie sauberes Wasser und Energie gemeint. Die Welthandels-Organisation WTO will bis zum Jahre 2005 diesen Bereich privatisieren. Die Globalisierungskritiker fordern die europäischen Regierungen auf, sich diesem Kurs zu verweigern. Öffentliches Eigentum soll nicht in kommerzielle Hände geraten.

Sicherheit wurde in Florenz großgeschrieben. Die Stadt stand bereits vor dem Europäischen Sozialforum in einem Belagerungszustand. Tausende Polizisten und Sicherheitskräfte bewachten Straßen und öffentliche Plätze - aus Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen. Trotz dieser Umstände zieht Hauptorganisator Hugo Braun von Attac eine positive Bilanz:

"Es hat sich hier gezeigt, dass trotz aller organisatorischer Schwierigkeiten, trotz aller Sprachbarrieren die Deutschen ganz tief eingetaucht sind in die verschiedenen Veranstaltungen. Und die Deutschen haben sich demonstrativ entschlossen, keinen Sonderblock  in der Abschluss-Demonstration zu bilden, sondern sich in die italienische, in die europäische Marschbewegung einzureihen."

Die deutschen Globalisierungskritiker wollen die Erfahrungen von Florenz künftig nutzen. So wird auch das nächste "Europäische Sozialforum" im November nächsten Jahres in Paris mit den französischen Organisatoren wieder gemeinsam vorbereitet.