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Die Krise verhilft Spaniens Konservativen zur Macht

20. November 2011

Die Spanier wählen an diesem Sonntag ein neues Parlament - und das Ergebnis steht wohl schon fest. Alle Umfragen prognostizieren einen klaren Sieg der Konservativen und das Ende der sozialistischen Regierung.

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PP-Chef Mariano Rajoy (Foto: dapd)
Ministerpräsident im Wartestand: Mariano RajoyBild: AP

Der Wahltag verspricht kaum Überraschungen: Alles andere als ein deutlicher Sieg der konservativen Volkspartei PP bei den vorgezogenen Wahlen wäre für die Beobachter eine Sensation. Die Aufmerksamkeit wird am Wahlabend am Sonntag (20.11.2011) deshalb weniger auf den in Umfragen vorhergesagten Erdrutschsieg der PP gerichtet sein, die mindestens 45 Prozent der Stimmen und die absolute Mehrheit der Parlamentssitze holen möchte, als vielmehr auf das Ausmaß des bevorstehenden Wahldebakels von Spaniens Sozialistischer Arbeiterpartei (PSOE).

Kräftiger Denkzettel

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero (Foto: dapd)
Tritt nicht mehr an: Regierungschef José Luis Rodríguez ZapateroBild: dapd

Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit werden die Wähler den Sozialisten wohl nach sieben Jahren an der Macht einen kräftigen Denkzettel verpassen. Aller Voraussicht nach wird die PSOE das schlechteste Ergebnis seit 1977 einfahren, als die ersten freien Wahlen nach der Franco-Ära stattfanden. Letzte Umfragen vor der Wahl sagen für die Sozialisten höchstens 30 Prozent der Stimmen voraus. Ihr Problem: Spanien befindet sich in schlechter Verfassung. Die Wirtschaft stagnierte im dritten Quartal dieses Jahres. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei rund 22 Prozent, unter Jugendlichen sogar bei über 45 Prozent. Das ist der mit Abstand höchste Wert in der EU. Die Einnahmen der Privathaushalte sanken in diesem Jahr im Vergleich zu 2010 um 4,4 Prozent. Zudem droht der Rückfall in die Rezession.

Von einem Regierungswechsel erhofft sich die Mehrheit der Spanier den Beginn einer Ära wirtschaftlichen Wachstums - wie 1996, als die Konservativen schon einmal die Sozialisten in der Regierung ablösen konnten. Damals lag die Arbeitslosigkeit ebenfalls bei mehr als 20 Prozent. Nach 14 Jahren sozialistischer Regierung gelangte die PP an die Macht und zwischen 1996 und 2004 erlebte das Land ein wahres Wirtschaftswunder - befeuert durch den boomenden Bausektor und massive Kapitalzuflüsse aus dem Ausland. Dieses Modell verfolgte die sozialistische Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero bis zum Ausbruch der Krise 2008. Seitdem hat sich die Wirtschaftslage jedoch stetig verschlechtert.

Unklarer Kurs

Demonstration gegen den Sparkurs der Regierung Zapatero (Foto: dpa)
Zapateros Sparkurs hat das Volk auf die Straße getriebenBild: picture-alliance/dpa

Im Vertrauen auf den Wahlsieg hat der Spitzenkandidat der PP, Mariano Rajoy, während des Wahlkampfs bisher wenig über sein Wirtschaftsprogramm preisgegeben. Sein vorrangiges Ziel sei die Schaffung von Arbeitsplätzen, lautet seine zentrale Wahlkampfbotschaft. Wie er das erreichen möchte, hat Rajoy indes noch nicht näher erläutert. Und es gibt noch weitere Unbekannte. So hat Rajoy bislang ebenfalls dazu geschwiegen, wie er den Sparkurs verfolgen und Spaniens Finanzen in Ordnung bringen möchte, wenn er gleichzeitig verspricht, auf soziale Einschnitte verzichten zu wollen.

Unklar ist derzeit auch, wie die Märkte auf den politischen Wechsel in Spanien reagieren werden. In Griechenland und Italien scheinen die jüngsten Regierungswechsel nicht zur Entspannung auf den Märkten beigetragen zu haben. Auch die Zinssätze für die spanischen Staatsanleihen haben in dieser Woche ein neues historisches Hoch erreicht, während sich die Regierung immer weiter von dem Ziel entfernt, das Jahr mit einem Haushaltsdefizit von maximal sechs Prozent abzuschließen.

Alfredo Perez Rubalcaba (Foto: dapd)
Wohl chancenlos: Alfredo Perez Rubalcaba, der Spitzenkandidat der SozialistenBild: dapd

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die neue Regierung in Wirtschafts- und Steuerangelegenheiten Handlungsfreiheit genießen wird oder weiter strenge Vorgaben aus Brüssel erfüllen muss. Letzteres erscheint wahrscheinlicher. Bis jetzt hat die konservative PP aus den Reihen der Opposition heraus alle vom Ausland geforderten und von der sozialistischen Regierung bewilligten Reformen unterstützt – so auch eine umstrittene Verfassungsreform, die per Gesetz die Staatsverschuldung begrenzen soll, genannt Schuldenbremse.

Der scheidende Regierungschef Zapatero hatte im vergangenen Jahr Einsparungen in Höhe von insgesamt zehn Milliarden Euro durchgesetzt. Der politische Preis dafür war der Verlust seiner Popularität und das Ende seiner politischen Karriere. Sein voraussichtlicher Nachfolger Mariano Rajoy wird nach Schätzungen von Experten mehr als dreimal so viel einsparen müssen, wenn er Spaniens Verpflichtung einhalten will, das Defizit 2012 auf 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken.

Autor: Emili Vinagre
Redaktion: Mirjam Gehrke / Christian Walz