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Politik

Kritik an DW aus Bulgarien

28. Januar 2019

Als Frontalangriff auf die Deutsche Welle und die Medienfreiheit in Bulgarien wird die Aussage eines hohen bulgarischen Arbeitgeberfunktionärs eingestuft. DW-Chefredakteurin Ines Pohl verwahrt sich gegen die Attacke.

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Symbolbild Abfall
Bild: Fotolia/Ernst

Die Forderung lässt aufhorchen: Der Arbeitgeberverband Bulgariens will kritische Berichterstattung durch Auslandsmedien nicht mehr hinnehmen. Konkret richtet sich die Medien-Attacke an die Deutsche Welle. Die DW solle sich aus umwelt- und energiepolitischen Themen Bulgariens heraushalten und dazu keine Stellung beziehen.

Mit dieser Aussage zitieren mehrere bulgarische Medien den Geschäftsführer der Konföderation der Arbeitgeber und Industrieunternehmer in Bulgarien (KRIB), Evgenyi Ivanov. Der hatte sich während einer Pressekonferenz am 22. Januar in Sofia gegen die DW-Berichterstattung gewandt. Ivanov erwähnt explizit das in Bulgarien sehr umstrittene Projekt für den Bau einer zweiten Seilbahn im Skigebiet Bansko, über das die DW kritisch berichtet hatte - sowohl hinsichtlich des Vergabeverfahrens als auch mit Blick auf die zu erwartenden Umweltzerstörungen.

In dem Mitschnitt der Pressekonferenz der vier Arbeitgeberverbände in Bulgarien (KRIB ist der größte) klingt die wörtliche Aussage von Ivanov so:

"Es darf nicht sein, dass ein Auslandsmedium, die DW - das sage ich jetzt ganz direkt - uns belehrt, wie wir den Ferienort Bansko weiterentwickeln. (…) Es tut mit leid, aber sie sollten Österreich und die Schweiz belehren - nicht uns! Schlimm ist aber, dass unsere Medien applaudieren und diese `Ratschläge' willig weiterverbreiten. (…) Das ist für uns ein Verbrechen."

Die Medienschelte an die Adresse der DW hat in den sozialen Medien Bulgariens Aufsehen erregt. Zum Beispiel auf Facebook. Dort hatte der einflussreiche politische Karikaturist Christo Komarnitski Stellung bezogen und die Meldung über die Kritik an der DW unter seinen Followern verbreitet. Die Kommentare kreisen darum, dass korrupte Geschäftsleute in Bulgarien mit allen Mitteln versuchen würden, eine kritische Berichterstattung im Keim zu ersticken. Dies sei auch der Fall bei dem aktuellen Angriff gegen die DW.

"Dieser Vorgang ist unerhört und nicht zu akzeptieren", sagt dazu DW-Chefredakteurin Ines Pohl. "Natürlich werden wir unsere unabhängige Berichterstattung fortsetzen."

Ines Pohl Kommentarbild App
DW-Chefredakteurin Ines PohlBild: DW/P. Böll

Auch die Vereinigung Europäischer Journalisten-Bulgarien (VEJ) verurteilte den Angriff auf die Medienfreiheit in Bulgarien. In einer Erklärung vom 25. Januar ist unter anderem zu lesen:

"Die VEJ lehnt die Aussage vom Geschäftsführer von KRIB, Evgenyi Ivanov, kategorisch ab, in der er direkt dazu aufruft, die Medien zu zensieren."

Die VEJ weist darauf hin, dass die Mitglieder von KRIB sehr mächtig sind, weil sie auf einem beachtlichen Portfolio von Werbegeldern für die Medien sitzen. "So kann das Statement vom Geschäftsführer der Organisation zu Selbstzensur führen, weil die Botschaft an die Medien so verstanden werden kann: sie dürfen das angesehene Medium DW nicht zitieren, denn dann werden Werbeaufträge zurückgezogen."

Mitglieder in KRIB seien aber auch einige Staatsfirmen, die von mehreren Ministerien geführt werden; und das werfe die Frage auf, ob die bulgarische Regierung mit der Aussage von Ivanov einverstanden sei, heißt es in der VEJ-Erklärung. Die Vorstandsvorsitzende der VEJ, Irina Nedeva, findet die Aussage von Ivanov beängstigend und gefährlich. In einem DW-Interview sagt Nedeva:

"Es ist absurd, dass die Arbeitgeber den Medien Anweisungen erteilen und ein angesehenes Medium angreifen. Wir müssten uns auch fragen, ob die ausländischen Firmen und die deutschen Investoren in Bulgarien diese Einstellung teilen und wie sie sich fühlen, wenn die DW von einer so hohen Instanz angegriffen wird."

DW-Bulgarisch wird im Zielgebiet von einem breiten Publikum verfolgt und täglich mehrfach in großen Medien zitiert. Die einflussreiche Wochenzeitung Kapital schrieb letzte Woche über einen weiteren Angriff gegen DW-Bulgarisch - diesmal von Kostadin Kostadinov, Vorsitzender der prorussischen Partei Vazrajdane:

"Kostdainov bedrohte dabei den Leiter der bulgarischen DW-Redaktion, Alexandar Andreev, direkt. In einem an ihn gerichteten Brief schrieb Kostadinov: "Sandjo [volkstümlich für Alexandar], du bist unter den ersten in der Liste, dass weißt du doch?" In seinem Angriff auf Andreev prophezeit der Vorsitzende einer Partei, die staatliche Parteienfinanzierung genießt, dass "bald der Augenblick kommen wird, in dem die Handlanger und die Vermittler des liberalen Faschismus in Bulgarien für ihr Tun bezahlen werden".

In Sachen Medienfreiheit ist Bulgarien Schlusslicht unter den EU-Staaten. In der Rangliste von Reporter ohne Grenzen für 2018 bezieht das Land Platz 111 - hauptsächlich wegen der undurchsichtigen Eigentumsverhältnisse und dem von Wirtschaft und Politik ausgeübten Druck auf die Medien.