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Politik

Kritik an starkem Bund im Anti-Terror-Kampf

3. Januar 2017

"Gefährder" agieren längst über alle Grenzen hinweg, meint Bundesinnenminister de Maizière. Seine Forderung: mehr Vollmachten des Bundes im Kampf gegen Terror. Die Pläne für neue Gesetze stoßen allerdings auf Kritik.

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

In der aktuellen Sicherheitsdebatte lehnt der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele neue Gesetze ab. Bisher seien bestehende Gesetze kaum angewandt worden, sagte er gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Nach Ansicht des Grünen Bundestagsabgeordneten könnten neue Gesetze in Deutschland nicht mehr Sicherheit bringen, auch nicht nach dem Anschlag von Berlin. Ströbele meint, die Kommunikationsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden würden in Europa untereinander zu wenig genutzt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière nutze den Anschlag eines mutmaßlichen Islamisten auf einen Berliner Weihnachtsmarkt, "um seinen Law-and-Order-Phantasien freien Lauf zu lassen", kritisierte die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke und bezeichnete die Vorschläge zur Neuordnung der Sicherheitsstruktur als "Frontalangriff auf das föderale Prinzip der Bundesrepublik". "Dieses Prinzip sollte als Lehre aus dem verbrecherischen Naziregime eine zentralstaatliche Machtkonzentration verhindern", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion. "Der Bundesinnenminister will nun das Rad der Geschichte zurückdrehen und ist damit zu einer Gefahr für die demokratische Grundordnung geworden."  Die Vorschläge des Ministers stellten nichts weniger dar "als den Einstieg in einen autoritären Polizeistaat mit deutschen FBI und zentralisiertem Inlandsgeheimdienst außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle".

Das Haupttor zu den Gebäuden des Bundesamts für den Verfassungsschutz (Foto: picture-alliance/dpa/O. Berg)
Soll mehr Kompetenzen erhalten: Das Bundesamt für Verfassungsschutz Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Auflösung des Föderalismus zugunsten der Terrorabwehr

Angesichts der Terrorgefahr hat de Maizière deutlich mehr Kompetenzen für den Bund gefordert. "Um unser Land, aber auch Europa krisenfest zu machen, halte ich Neuordnungen für erforderlich", schrieb de Maizière in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zwei Wochen nach dem Berliner Attentat. So schlug er eine Stärkung des Bundeskriminalamts (BKA) sowie der Bundespolizei vor und würde zudem die Landesämter für Verfassungsschutz zugunsten einer Bundesverwaltung abschaffen wollen.

Der Vorstoß für mehr Zentralisierung beim Thema innere Sicherheit stößt im CDU-regierten Hessen auf deutlichen Gegenwind. Innenminister Peter Beuth bezeichnete es als "Unsinn", die bisherigen Strukturen zu zerschlagen. "Schnellschüsse dieser Art untergraben nicht nur das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat, sie stellen die gesamte föderale Sicherheitsarchitektur in Frage", erklärte der Politiker in Wiesbaden.

Eine Zentralisierung der Sicherheitsbehörden bringt auch aus Sicht des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger keine Vorteile im Kampf gegen Terror. "Die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen, um sie durch eine riesige Bundesbehörde zu ersetzen, macht uns im Kampf gegen den Terrorismus nicht besser, sondern bürokratischer und behäbiger", sagte der SPD-Politiker in Düsseldorf. 

"Wer sein Gastrecht missbraucht, muss schnell wieder gehen"

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnt nach einem Medienbericht davor, sich ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen zu konzentrieren. "Wir müssen jetzt sagen, was wir tun wollen, und nicht erst große Behördenumstrukturierungen machen", sagte Gabriel in Goslar. Man könne über die Vorschläge des Innenministers diskutieren, aber sie liefen auf eine langwierige Föderalismusreform hinaus. "Außerdem habe ich die große Sorge, wenn wir damit anfangen würden, dann würden sich die Sicherheitsbehörden erst einmal ein paar Jahre mit sich selber beschäftigen, statt Verbrecher und Terroristen zu jagen."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der "Passauer Neuen Presse", für die meisten notwendigen Maßnahmen reiche der rechtliche Rahmen aus. Wo das nicht der Fall sei, werde schnell gehandelt. Für die SPD gelte dabei der Grundsatz, dass politisch Verfolgte auch in Zukunft Schutz erhalten und schnell integriert werden sollten. Wer aber keinen Schutz benötige oder sein Gastrecht missbraucht, müsse schnell wieder gehen.

GdP fordert Zuständigkeit der Bundespolizei zur Strafverfolgung

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in der Bundespolizei, Sven Hüber begrüßt grundsätzlich die Vorschläge zur Neuordnung der Sicherheitsarchitektur, solange Kompetenzen der Sicherheitsorgane klar definiert seien. "Notwendig sind weniger neue gesetzliche Befugnisse, sondern vielmehr endlich klare Verantwortlichkeiten im Vollzug geltenden Rechts und bestehender Eingriffsmöglichkeiten", erklärte er. Die Forderung von Bundesinnenminister de Maizière, die Bundespolizei zukünftig auch für die Verfolgung der Straftat des unerlaubten Aufenthalts in Deutschland zuständig zu machen, sei überfällig. Sie kann nach Auffassung der GdP aber nur funktionieren, wenn der Bund dafür das Personal zusätzlich aufstocken würde.

Nach Ansicht der GdP müssen sich auch die Ausländerbehörden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), aber auch die kommunalen Behörden, zukünftig als Teil der Sicherheitsarchitektur begreifen. "Die Sicherheitsbehörden können weder kriminelle Schleuserbanden bekämpfen noch 'Gefährder' oder 'Schläfer' rechtzeitig aus dem Verkehr ziehen, wenn Verwaltungsbehörden strafrechtlich relevante Sachverhalte für sich behalten", warnte Hüber.

pab/sti (afp, dpa)