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Kritiker verbünden sich gegen Guttenberg-Plan

24. August 2010

Gegen die Bundeswehr-Reformpläne des Verteidigungsministers regt sich immer mehr Widerstand. Sowohl die SPD als auch Mitglieder der Bundeswehr stellen die Umsetzbarkeit der Sparmaßnahmen und Ziele in Frage.

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Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: apn)
In der Kritik: Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu GuttenbergBild: AP

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will seine Reformpläne für die Bundeswehr auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen durchkämpfen. Er wolle sich nicht "drei Jahre in einem Amt verstecken", sondern notwendige Reformen durchsetzen, sagte er am Dienstag (24.08.2010) bei einem Truppenbesuch im bayerischen Grafenwöhr. Er freue sich auf die kommenden Debatten.

An die Kommunen gewandt, schloss der Minister schnelle Standortschließungen aus. "Das sind Prozesse, die teilweise auch Jahre in Anspruch nehmen." Nach den Strukturentscheidungen werde die Standortfrage "sehr, sehr klug abgewogen" und unter Beteiligung aller Betroffenen geklärt. "Da wird nicht mit dem Rasenmäher oder nach irgendwelchen Zahlen vorgegangen, sondern nach vielen Kriterien."

Kaum Unterstützung aus den eigenen Reihen

Zwei bayerische Figuren im Miniaturwunderland in Hamburg (Foto: dpa)
Trugbild: Heile Welt der CSU gerät beim Thema Bundeswehr ins WankenBild: picture alliance/dpa

In der CSU bekam zu Guttenberg Rückendeckung vom Berliner Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, der sich gegen Parteifreunde aus München stellte. Nach Meinung Friedrichs "kann die Wehrpflicht in ihrer jetzigen Form nicht mehr durchzuhalten sein". Er sei offen für Guttenbergs Anliegen, die Bundeswehr effizienter zu machen. Dazu gehöre die Möglichkeit eines Freiwilligendienstes von einem Jahr oder länger. Dieser könne die bisherige Wehrpflicht in ihrer jetzigen Form vorübergehend ersetzen.

Am Vortag hatte der Wehrexperte der CSU-Landtagsfraktion in München, Johannes Hintersberger, gesagt, er halte es für falsch, die Wehrpflicht auszusetzen. Ähnlich hatte sich CSU-Parteichef Horst Seehofer geäußert.

Heftige Kritik äußerte erneut die SPD. Der Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagte der "Passauer Neuen Presse": "7500 Freiwillige im Jahr sind bei weitem nicht genug, um ausreichend qualifizierten Nachwuchs für die Bundeswehr gewinnen zu können." Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter-Bartels warf der Bundesregierung zudem Willkürlichkeit vor. Die Aufgaben der Bundeswehr würden nach Kassenlage definiert, sagte Bartels dem NDR. "Guttenberg legt erst Haushaltszahlen vor und jetzt unterschiedliche Personalmodelle. Am Ende wird dann über die Aufgaben der Bundeswehr entschieden. Das ist keine Sicherheitspolitik."

Aus der FDP kam der Appell, bei der Bundeswehr nicht um jeden Preis zu sparen. Der Koalitionspartner forderte zudem eine Überprüfung der Rüstungsausgaben. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte: "Wir gehen davon aus, dass eine Bundeswehr, die reduziert wird und ein anderes Aufgabenprofil bekommt, auch eine andere Rüstung haben wird." Die großen Beschaffungsvorhaben etwa zur Raketenabwehr müssten überprüft werden. Sparpotenzial gebe es auch bei der Verwaltung des Zivildienstes.

Ex-Kollege Jung wenig begeistert von Reformplänen

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, links, und sein Vorgänger, Franz Josef Jung (Foto: AP)
Wenig Gemeinsamkeiten: Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, links, und sein Vorgänger, Franz Josef JungBild: AP

Zu Guttenbergs Kritikern gehört unter anderem auch Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Das Vorhaben sei ein "Schritt in die falsche Richtung“, sagte der CDU-Politiker. Guttenbergs Plan, die Wehrpflicht formal im Grundgesetz verankert zu lassen, sie aber auf unbestimmte Zeit auszusetzen, bezeichnete er als "nicht praktikabel“. Jung kritisierte auch das Vorhaben, die Bundeswehr auf rund 165.000 Soldaten zu verkleinern. "Das reicht hinten und vorne nicht“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Er ergänzte: "Eine reine Freiwilligenarmee würde das gesamte gesellschaftliche Spektrum nicht mehr abbilden.“

Bundeswehrverbands-Chef Oberst Ulrich Kirsch wies im Deutschlandradio Kultur die Vorstellung zurück, im Verteidigungsetat ließen sich 8,3 Milliarden Euro bis 2014 einsparen. Die Bundeswehr sei permanent unterfinanziert. "Das ist wie mit einem trockenen Schwamm, wenn Sie da draufdrücken, kommt halt nichts mehr raus."

Auch Generalinspekteur Volker Wieker sieht Guttenbergs Vorhaben nicht ohne Skepsis. Bei einem Freiwilligendienst bestehe ein "Gewinnungsrisiko“, schreibt er in internen Unterlagen, die der Nachrichtenagentur apn vorliegen. "Niemand wird verlässlich vorhersagen können, ob und wie viele junge Männer das Angebot annehmen werden.“ Weiter schreibt Wieker, dass mit den Freiwilligen Wehrdienstleistenden nur "begrenzt“ geplant werden könne. Nach zwei bis drei Jahren müsse die Akzeptanz einer freiwilligen Wehrpflicht überprüft werden.

Widerstand auch bei Diakonie und Caritas

Auch Diakonie und Caritas begegnen Plänen der Bundesregierung für einen freiwilligen Zivildienst mit Skepsis. Es wäre kontraproduktiv, wenn damit Parallelstrukturen zu den bestehenden Freiwilligendiensten entwickelt würden, erklärte die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe am Dienstag in Düsseldorf. Auch die Caritas im Erzbistum Köln plädierte dafür, bei einer Aussetzung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes die bereits bestehenden Freiwilligendienste auszubauen.

Nach Guttenbergs Plänen soll die Truppe in den nächsten Jahren von 245 000 auf bis zu 163.500 Soldaten schrumpfen - mit etwas Spielraum nach oben. Bis zu 180.000 Soldaten sind nach seiner Auffassung unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung möglich. Die Wehrpflicht soll im Grundgesetz verankert bleiben, aber zum 1. Juli 2011 ausgesetzt werden. Der freiwillige Wehrdienst soll 12 bis 23 Monate dauern und auch Frauen offenstehen.

Autor: Hajo Felten (rtr, dpa, ap, afp)
Redaktion: Reinhard Kleber

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