1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kroatien: Mehr Solarenergie mit Genossenschaften

Jennifer Collins
30. Oktober 2023

Im sonnigen Kroatien gibt es bisher wenig Solaranlagen. Doch Energiegenossenschaften wollen das jetzt ändern. Sie treiben den Solarausbau, trotz lahmer Bürokratie und Vorurteilen aus der sozialistischen Vergangenheit.

https://p.dw.com/p/4Xacw
Ein Mann mit Sonnenkappe steht hinter einem großen Solarmodul in der Stadt Ivanec in Kroatien.
In Kroatien treiben Energiegenossenschaften den bisher langsamen Ausbau der Photovoltaik voranBild: Vjeran Zganec Rogulja/PIXSELL/picture alliance

Die kroatische Insel Cres ist ein Paradies zum Entspannen. Das Blau der Adria, die sanften Hügel und die malerischen Dörfer laden Touristen ein, das Motto der Einheimischen "Kein Stress auf Cres" zu beherzigen. Allerdings fehlt auf der sonnenverwöhnten Inselgruppe weitgehend, was man in anderen  Mittelmeerländern wie Spanien inzwischen häufig sieht: Solaranlagen. 

Eine Gruppe von Inselbewohnern will das jetzt ändern. Die 3000 Sonnenstunden jährlich sollen künftig genutzt werden, um die Gemeinde  der Inselgruppe Cres–Lošinj bis 2040 klimaneutral zu machen. Eine komplett durch von den Bürgern finanzierte Solaranlage soll das möglich machen. 

"Wir haben ein eigenes YouTube-Video gemacht, zwei oder drei Minuten lang", erklärt Franjo Toic, Manager der Energiegenossenschaft Apsyrtides. Sie wurde 2021 gegründet, um eine Solaranlage mit einer Leistung von 500 Kilowatt zu errichten. "Wir haben darin gezeigt, wie es sein wird, was unser Ziel ist, und wer wir sind."

Die Resonanz sei riesig gewesen, erzählt Toic, der auf Cres geboren wurde und für die örtliche Gemeinde arbeitet. Innerhalb von nur drei Wochen nach Beginn der Kampagne hatte die Energiegenossenschaft 100.000 Euro gesammelt, deutlich mehr als die erhofften 60.000 Euro.

"Wir waren ziemlich überrascht, dass so viele in der Gemeinde etwas bewegen wollten und so aktiv dabei waren", sagt Toic, der wie viele andere auf der Insel auch Schafe züchtet.

Ein Mann kniet vor einem Gatter und schert ein Schaft, das am Boden vor ihm liegt.  Kroatien Insel Cres
Franjo Toic leitet die Energiekooperative Apsyrtide auf der Insel, und züchtet auch Schafe. Hier nimmt er an einem Scherwettbewerb teilBild: Bojan Puric

Mit ihrem Solarprojekt sind die Insulaner von Cres anderen Teilen Kroatiens weit voraus. Nur etwa ein Prozent der Energie im Landes wurde 2022 durch Solarmodule erzeugt, obwohl das Land zu den sonnigsten Orten in Europa gehört.

Kroatien hinkt bei der Solarenergie hinterher, doch der Trend ändert sich

Auf den ersten Blick erscheint das kleine Balkanland wie ein Paradies für erneuerbare Energien . Rund 63 Prozent der kroatischen Stroms stammt aus grünen Quellen, hauptsächlich aus alten Wasserkraftwerken (38%) aus der Zeit des früheren Jugoslawiens, Windenergie (16%) und Biomasse (8%).

Doch 36 Prozent des Strombedarfs wird noch immer mit fossilen Brennstoffen erzeugt. 

Weil klimabedingten Dürren zunehmen, kann die Wasserkraft den steigenden Bedarf nicht abdecken. "In Kroatien Wir alle unsere Wasserkraftressourcen erschöpft", erklärt Andro Bacan, Experte für erneuerbare Energien am staatlichen Energieinstitut Hrvoje Pozar in der Hauptstadt Zagreb.

Der Ausbau der Solarenergie scheint eine naheliegende Lösung, damit das Land seine CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent senken kann. Doch mangelhafte Regulierung, Probleme mit der Netzanbindung und langsame Bürokratie behindern die Technologie, sagt Bacan.

Schriftzug auf einer Tafel von der Energiegenossenschaft ZEZ in Zagreb. Der Text sagt" Wir sind mit dem Solarvirus infiziert", darunter ist eine Sonne gemalt.
Schriftzug im Büro der Energiegenossenschaft ZEZ in Zagreb zeigt die "Leidenschaft für Solarenergie"Bild: Jennifer Collins/DW

Immerhin gäbe es einige Fortschritte. In den letzten fünf Jahren wurden Solarmodule zugebaut, auch wenn es bislang landesweit insgesamt nur moderate 220 Megawatt sind. Doch der Trend zu mehr Solarkraft setze fort, meint Bacan.

Ein neues Interesse an der Solarenergie sieht auch Mislav Kirac, Programmkoordinator bei der Dachorganisation der Energiegenossenschaften von Kroation ZEZ.Verschieden Faktoren seien dafür verantwortlich: Sinkende Preise für Solaranlagen, Steuererleichterungen für die Installation auf Dächern und der Wunsch nach Energiesicherheit wegen des russischen Krieges in der Ukraine.

"Wir sehen eine Dynamik", sagt Kirac. "Die lokalen Behörden beginnen zu verstehen, dass ihre Energiequellen, Energieresilienz und Krisenresilienz wichtig sind. Und das rückt stärker in den Mainstream als noch vor fünf Jahren."

Bürokratie und Misstrauen behindern Energiegenossenschaften

Laut dem Energieanalysten Bacan spielen Genossenschaften wie ZEZ eine "entscheidende Rolle" beim Ausbau der Solarenergie, zum einen durch eigene Projekte, zum anderen durch Sensibilisierung für das Thema.

ZEZ wurde 2013 als Teil eines Projekts der Vereinten Nationen zur Entwicklung von Energiegenossenschaften im Land gegründet und sei "Pionier in dieser speziellen Nische", sagt Kirac.

Das Ziel der Genossenschaftsvereinigung ZEZ ist die Demokratisierung der Energieversorgung mit bürgereigenen, dezentralen und erschwinglichen erneuerbaren Energien. Sie haben die Vision, dass sich Stadtteile zu eigenen Energiegemeinschaften zusammenschließen, die nicht nur Strom, sondern auch die Wärmeversorgung und die Mobilität transformieren.

kleine Motorboote liegen im Hafebecken vor einigen Häusern auf der Insel Cres in Kroatien
Die Insel Cres in Kroatie: Ideale Bedingungen für die Stromerzeugung mit SolarenergieBild: Jennifer Collins/DW

Kirac und andere Befürworter grüner Energie sagen jedoch auch, dass die Vorschriften für Energiegemeinschaften frustrierend, kompliziert und übermäßig bürokratisch seien.

Zudem haben neue Bürger-Genossenschaften einen schweren Stand in dem ehemaligen sozialistischen Land, denn einige verbinden sie mit Korruption und Missbrauch der früher staatlich verwalteten Genossenschaften im früheren Jugoslawien. Aber ZEZ hatte mit dem Modell Erfolg in Orten wie Cres und der Nachbarinsel Krk sowie in der Stadt Krizevci, nordöstlich von Zagreb, die sich zu einem grünen Vorreiter in Kroatien entwickelt hat.

Kein Stress auf Cres

Unterstützung für die Idee einer Genossenschaft zu finden sei auf Cres trotz negativer Assoziationen aus der Vergangenheit nicht schwierig gewesen, sagt Apsyrtides-Genossenschaftsmanager Franjo Toic in seinem Büro im Hauptort der Insel. Die Wände sind mit Fotos alter Steinhütten geschmückt, die einst den Bauern als Unterschlupf dienten, wenn sie in den Weinbergen ernteten oder Schafe hüteten.

"Wenn wir auf dem Festland in einer Großstadt mit 100.000 Einwohnern wären, wäre es definitiv schwieriger, Menschen zu erreichen und ihr Vertrauen zu gewinnen, in dieses Projekt zu investieren", sagt er.

Die Bürokratie bleibe bisher das größte Hindernis für die Solarenergie in Kroatien. Die Genossenschaft Apsyrtides wartet seit über anderthalb Jahren auf grünes Licht für den Beginn der Installation ihrer Solaranlage. Toic hofft, dass die Anlage innerhalb eines Jahres einsatzbereit sein wird, damit die Geldgeber eine Rendite für ihre Investition bekommen.

Wohin mit den Solaranlagen?

Auf der Insel kennen sich die Menschen untereinander gut. Das sei bei der Gründung der Energiegenossenschaft von Vorteil gewesen, zugleich aber auch ein Nachteil. "Es ist eine komische Sache, denn wenn man in einer kleinen Gemeinde lebt, steht der eigene Ruf auf dem Spiel", betont Toic. Sollte das Projekt scheitern, scherzt er, müsse er möglicherweise von der Insel fliehen.

"Ich versuche, nichts kaputt zu machen, denn meine Kollegen und ich, wir lieben diese Insel. Wir glauben dass wir etwas Großartiges schaffen. Ich möchte nicht weg aus Kroatien", sagt der Toic.

Und trotz aller Sorgen rät ja das Inselmotto, gelassen zu bleiben. "Ich habe graue Haare, aber am Ende des Tages gibt es auf Cres keinen Stress."

Der Beitrag wurde von Gero Rueter aus dem Englischen adaptiert. Redaktion: Tamsin Walker