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Erinnerung an den Schwarzen Frühling

18. März 2010

Sicherheitskräfte haben am Mittwoch (17.03.2010) in Havanna einen Protestmarsch der Oppositionsgruppe "Frauen in Weiß" gewaltsam aufgelöst.

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Demonstration der Frauen in Weiß in Havanna wird gewaltsam aufgelöst (Foto: AP)
Sicherheitskräfte gehen gewaltsam gegen die Frauen in Weiß vorBild: AP

Die Demonstrantinnen seien massiv geschlagen worden, sagte Laura Pollán, Sprecherin der Gruppe. Acht von ihnen mussten anschließend im Krankenhaus behandelt worden. Zu den misshandelten Frauen gehörte auch Reina Luisa Tamayo, Mutter des Dissidenten Orlando Zapata, der im Februar nach einem 85-tägigen Hungerstreik gestorben war. Tamayo forderte eine Exhumierung ihres Sohnes und eine unabhängige Autopsie. Sie habe bislang weder einen Totenschein noch den Autopsiebericht erhalten, kritisierte Tamayo.

Anlass der Demonstration war der siebte Jahrestag des sogenannten Schwarzen Frühlings. Der 18. März 2003 war der Beginn einer großangelegten Verhaftungswelle, in deren Verlauf 90 Dissidenten festgenommen worden. Unter ihnen befanden sich 27 Journalisten. 75 Gefangene wurden später auf der Grundlage des "Gesetzes zum Schutz der nationalen Unabhängigkeit und der Wirtschaft Kubas" zu Haftstrafen von 26 Monaten bis zu 28 Jahren verurteilt. 53 von ihnen sind heute noch in Haft.

Wenige Wochen nach den Verhaftungen schlossen sich die Ehefrauen, Mütter und Schwestern der Dissidenten zu den "Damas de Blanco" (Frauen in Weiß) zusammen. Seitdem marschieren sie jeden Sonntag, ganz in weiß gekleidet, in einem stummen Protestmarsch zur Santa-Rita-Kirche in Havanna-Miramar. 2005 wurden die "Damas de Blanco" von der EU mit dem Sacharow-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet.

Gegendemonstration von Regimeanhängern in Havanna (Foto: AP)
Anhänger der Regierung haben die Demonstranten eingeschüchtert und niedergebrülltBild: AP

Weltweite Kritik an kubanischer Führung

Der Tod von Orlando Zapatas am 23. Februar hatte heftige Kritik an der kubanischen Führung ausgelöst. Die USA und die EU verlangten die Freilassung aller politischen Häftlinge auf Kuba. "Das ist eine grundlegende Forderung der internationalen Gemeinschaft", so der amtierende EU-Ratspräsident, der spanische Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero, der die kubanische Führung dazu aufrief, die Menschenrechte zu respektieren.

Das Europaparlament in Straßburg hat Kuba im Zusammenhang mit dem Tod Zapatas verurteilt. Die Parlamentarier sprachen von einem "vermeidbaren und grausamen" Tod. In einer mit großer Mehrheit angenommenen Entschließung forderten sie die Regierung in Havanna ebenfalls auf, alle politischen Gefangenen im Land freizulassen. Die kubanische Regierung wies die Kritik des EU-Parlaments umgehend zurück. Kuba werde dem internationalen Druck nicht nachgeben. Man verbitte sich derartige Belehrungen und eine weitere Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes.

Die US-Regierung sei "alarmiert über die Situation der politischen Häftlinge in Kuba", sagte Außenministerin Hillary Clinton und verlange ebenfalls die Freilassung der rund 200 inhaftierten Oppositionellen in dem kommunistischen Karibikstaat.

Amnesty International forderte das sozialistische Regime in Kuba zum Jahrestag des Schwarzen Frühlings auf, alle politischen Häftlinge freizulassen. "Reporter ohne Grenzen" appellierte an den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, sich bei Kubas

Regierung für die Freilassung der politischen Gefangenen einzusetzen.

Weiterer Dissident im Hungerstreik

Orlando Zapata war der erste politische Gefangene seit fast vierzig Jahre, der in der Haft ums Leben kam. Er hatte zuvor mit einem zwölfwöchigen Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen protestiert. Elizardo Sánchez, der Vorsitzende der Kubanischen Kommission für Menschenrechte, warf der Regierung "Mord" vor. Die Behörden hätten Zapata zu lange ärztliche Hilfe vorenthalten.

Der kubanische Dissident Guillermo Fariñas (Foto: AP)
Guillermo Fariñas befindet sich seit Ende Februar im HungerstreikBild: AP

Sorge bereitet inzwischen auch der Gesundheitszustand des Menschenrechtsaktivisten und Journalisten Guillermo Fariñas, der sich seit dem 24. Februar aus Protest gegen den Tod Zapatas im Hungerstreik befindet. Fariñas musste bereits zwei Mal wegen Ohnmachtsanfällen im Krankenhaus seiner Heimatstadt Santa Clara behandelt werden. Gegenüber der DW sagte Fariñas, dies sei nicht sein erster Hungerstreik, "aber möglicherweise der letzte. Das Parteiorgan Granma hat kürzlich bereits einen Nachruf auf mich veröffentlicht."

Fariñas fordert die Freilassung von 26 politischen Häftlingen, deren Gesundheitszustand kritisch sein soll. "Ich wünsche mir eine Geste des guten Willens", so Fariñas im Gespräch mit der DW. "Raúl Castro hat gesagt, dass er den Tod von Orlando Zapata bedauere. Wenn es ernst meint, wenn er kein Zyniker ist und wenn er keine weiteren Todesfälle unter den 26 Häftlingen bedauern möchte, die sich in sehr schlechtem gesundheitlichem Zustand befinden, dann soll er sie bitte freilassen."

Kritik an Annäherungspolitik der EU

Fariñas kritisierte die EU, deren Haltung gegenüber der kubanischen Regierung er als zu nachgiebig bezeichnete. Nach dem Schwarzen Frühling 2003 hatte die EU die offizielle Zusammenarbeit und den politischen Dialog mit dem Castro-Regime eingestellt, und zugleich den Kontakt zu Dissidenten auf der Insel intensiviert. Seit Fidel Castro die Macht an seinen jüngeren Bruder Raúl übertragen hat, mehren sich in der EU aber die Stimmen, die eine Annäherung an Kuba fordern. Spanien hatte angekündigt, unter seiner Ratspräsidentschaft ein bilaterales Abkommen mit Kuba anzustreben, ähnlich dem, das die EU mit Ländern wie Russland oder China unterzeichnet hat.

Orlando Zapata starb am 23. Februar nach fast drei Monaten Hungerstreik im Gefängnis (Foto: AP)
Orlando Zapata starb am 23. Februar nach fast drei Monaten Hungerstreik im GefängnisBild: picture-alliance/dpa

Fariñas sieht nach dem Tod von Orlando Zapata für diese Politik keinerlei Grundlage. "Nach dem Tod eines Dissidenten in der Haft werden die Regierungen und Parlamente der Welt und die weltweite Öffentlichkeit nicht anders können als Kuba zu verurteilen und von der Regierung konkrete Fortschritte bei der Lage der Menschenrechte zu verlangen."

Die Frauen in Weiß wollen Fariñas an diesem Mittwoch (17.03.2010) mit einem weiteren Marsch in Havanna ehren. Viele Oppositionelle haben ihn angesichts seines schlechten Gesundheitszustands aufgerufen, den Hungerstreik zu beenden. Doch Fariñas will weitermachen. "Ich gebe mein Leben für die Freiheit meiner Kampf-Gefährten, die sehr krank sind. Ich will guten Gewissens sagen können, dass ich alles getan habe, auch mein Leben riskiert habe, damit sie wieder frei kommen", sagte er gegenüber der DW. "In unserer Hymne heißt es 'für das Vaterland zu sterben bedeutet zu leben'. Falls ich sterben sollte, werde ich in der Erinnerung meines Volkes weiter leben" sagte Fariñas in dem Telefongespräch aus Havanna.

Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Oliver Pieper