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Kultur schützen – notwendig oder Luxus?

28. Januar 2010

Deutschland fördert den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan. Mit Schulen, Polizeiausbildung und besseren Straßen, aber auch mit Geld für den Erhalt von afghanischen Kulturdenkmälern. Ute Franke weiß, warum das sein muss.

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Die Zitadelle Qala' e Ekhtyaruddin in Herat, Afghanistan (Foto: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin)
Die Zitadelle Qala' e Ekhtyaruddin in HeratBild: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin

Seit 2002 ist das Deutsche Archäologische Institut in Afghanistan mit Projekten aktiv, die Kulturdenkmäler erhalten sollen. Ute Franke hat dafür die Anträge beim Auswärtigen Amt gestellt und war vor Ort. Die Archäologin hat zum Beispiel die Erforschung der Siedlungsgeschichte der Stadt Herat geleitet und die Ausgrabung der Gartenanlage Bagh-e Babur betreut, die heute ein grünes Paradies in Kabul ist.

DW-WORLD.DE: Ist es für die Afghanen in Herat nicht gerade wichtiger, dass sie frisches Wasser haben und einen Job, als zu wissen wie die Altstadt von Herat mal aussah?

Ute Franke bei der Arbeit in Obeh, Provinz Herat (Foto: Ute Franke)
Ute Franke bei der Arbeit in Obeh, Provinz HeratBild: Ute Franke

Ute Franke: Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Außerdem hatte dieses Projekt ganz konkrete, alltagsnahe Auswirkungen. Im Rahmen der Wiederherrichtung der Altstadt durch den Aga Khan Trust for Culture, die das Auswärtige Amt finanziert hat, wurden zum Beispiel in ausgewählten Vierteln alle Fußwege asphaltiert. Die Kanalisation wurde neu gemacht, die Kloaken und stehenden Gewässer sind verschwunden, es wurden neue Wasserreservoire ausgehoben. Dadurch steigert sich für die Bewohner dieser Viertel die Wohnqualität.

Aber ist der Erhalt von Kulturdenkmälern nicht ein Luxusproblem angesichts der Probleme, die viele Afghanen durch Krieg und Bürgerkrieg bis heute haben?

Wenn ich vor der Entscheidung stehe, ob man jetzt die Wasserversorgung verbessern soll oder eine Ausgrabung macht, dann würde es mir auch sehr schwer fallen zu sagen, wir machen jetzt die Ausgrabung. Man muss abwägen was man zuerst finanziert, aber es kann nicht sein, dass man den Erhalt von Kulturgütern komplett außen vor lässt. In der UN-Konvention zum Kulturgüterschutz steht, dass er ein Teil der humanitären Hilfe ist. Man kann das in Frage stellen, aber ich denke, es hat seine Berechtigung.

Das Tor der Zitadelle in Herat wird rekonstruiert (Foto: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin)
Das Tor der Zitadelle in Herat wird rekonstruiertBild: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin

Aber warum sind denn die Projekte zum Kulturerhalt wichtig?

Sie sind für die Länder und Regionen unter anderem wichtig, weil sie erstmal konkret vielen Leuten Arbeit verschaffen und ein Einkommen bringen. Außerdem bieten wir Ausbildungsmöglichkeiten. Unter anderem für Grabungsarbeiter, Restauratoren, Maurer, Tischler... Da werden bewusst alte Handwerkstechniken gefördert, die fast verloren gegangen sind, die aber für die Bevölkerung sinnvoll sind. In Herat wird zum Beispiel sehr viel gebaut. Die Leute, die im Rahmen des Projektes ausgebildet und beschäftigt wurden, bekommen danach leichter einen Job, weil sie sagen können, ich habe das gelernt, ich habe Arbeitserfahrung. Sie haben dadurch erhöhte Berufschancen.

Restauratoren im Nationalmuseum Herat (Foto: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin)
Restauratoren im Nationalmuseum HeratBild: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin

Solche Vorteile leuchten natürlich sofort ein. Aber warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, das kulturelle Erbe eines politisch instabilen Landes zu erhalten?

Das finde ich sogar persönlich und nicht nur aus Sicht der Wissenschaftlerin wichtig. Afghanistan zum Beispiel ist ein Land, das eine stark ausgeprägte wissenschaftliche Forschungsgeschichte hat - in Archäologie und Geschichte. Diese Forschung wird bis heute vom afghanischen Kulturministerium stark gefördert. Das hängt sicher damit zusammen, dass das Kulturerbe auch etwas mit nationalem Stolz zu tun hat, mit eigener Identität. Die Investition in den Kulturerhalt ist auch ein Beitrag zum Aufbau der Zivilgesellschaft, die die Grundlage eines modernen Staates ist. Vielleicht kann man das erstmal schlecht nachvollziehen, aber ich habe das selbst erlebt. Bei dem Park-Projekt zum Beispiel. Ich habe von Anfang an bei der Wiederherstellung der Bagh-e Babur Gärten in Kabul mitgemacht. Das waren anfangs Ruinen, jetzt steht da eine blühende Parklandschaft und die ist für die Leute in Kabul ein positives Zeichen. In dem Park ist es am Wochenende voll, freitags kommen bis zu zehntausend Leute dorthin, weil es ein schöner Ort ist an dem sie sich entspannen und den Alltagsstress vergessen können.

Die Parkanlage Bagh-e Buhr in Kabul 2002 (Foto: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin)
So sah die Parkanlage Bagh-e Buhr 2002 aus, als das Projekt begannBild: Ute Franke/Deutsches Archäologisches Institut, Berlin

Das Auswärtige Amt sagt, die Förderung des Erhaltes von Kulturdenkmälern habe den schönen Nebeneffekt, dass die Bevölkerung durch solche Projekte eine positive Bindung zu dem Land aufbaut, das die Projekte finanziert. Funktioniert das tatsächlich so einfach?

Auf jeden Fall. Wir haben zum Beispiel seit 2002 sehr enge persönliche und berufliche Beziehungen in Afghanistan aufgebaut. Wir werden als ein sehr positiver Faktor wahrgenommen, als ein verlässlicher Ansprechpartner. Wenn ich ISAF-Soldaten in Herat sehe, dann rufen sie aber auch bei mir sehr gemischte Gefühle hervor. Sie sind alle schwer bewaffnet, mit gepanzerten Fahrzeugen und Westen in Konvois unterwegs, das ist kein positiver Eindruck. Aber man kann es auch nicht vermeiden. Wenn man aber nicht mehr in die Kulturerhaltprojekte investiert, ist das eine verpasste Chance. Natürlich kostet das Geld, aber ich denke, dass man in Herat durch die verschiedenen Projekte ein sehr gutes Bild von den Deutschen hat. Während man in der Regel beobachten kann, dass das Bild der Nation, die militärisch vor Ort ist, eher negativ ist.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Sabine Oelze