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Kultur verkaufen kann man lernen

2. März 2011

Publikumsansturm aufs Museum, ausverkaufte Theater – kaum denkbar ohne professionelle Kulturmanager. Doch Ausbildungen dafür fehlen in vielen Ländern. Katya aus Kasachstan macht darum ein Training in Deutschland mit.

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Johannes Karl (l.) und Katya Serebryanaya (r.) in einem Atelier der PLATFORM3, Foto: Aya Bach
Bild: DW

Der Weg zur Kunst ist nicht immer schön. Manchmal führt er durch unwirtliches Gelände. Wenn Katya Serebryanaya, 23, morgens zur Arbeit kommt, muss sie vorbei an Autowerkstatt, Fitness-Studio und allerlei Firmen für Veranstaltungstechnik. Die Münchner PLATFORM3, eine junge Kulturinstitution, bei der sie zu Gast ist, hat sich in einem weitläufigen Gewerbegebiet einquartiert. Handwerker bauen gerade einen Raum für die nächste Ausstellung um, gleich daneben haben sich Künstler in 19 Ateliers eingemietet. Hier wird Kunst produziert, gezeigt – und von einem jungen Team unter die Leute gebracht – mit anderen Worten: gemanagt. Vier Wochen lang hat nun auch Katya Schreibtisch und Computer bei der PLATFORM3.

Marlene Rigler (l.) und Katya Serebryanaya (r.) vor der PLATFORM3 in einem Münchner Gewerbegebiet, Foto: Aya Bach
Kunst im Gewerbegebiet: Katya Serebryanaya (r.) mit PLATFORM3-Projektleiterin Marlene RiglerBild: DW

Hier mitzuarbeiten ist für sie eine Chance, ihre bisherigen Berufserfahrungen weiterzuentwickeln. Ermöglicht hat ihren Aufenthalt das Goethe-Institut, das ein Programm für junge Kulturmanager aus Zentralasien und Osteuropa aufgelegt hat: vier Wochen Theorie in Berlin, anschließend praktische Mitarbeit bei einer deutschen Kulturinstitution. Der Praxis-Teil, so das Ziel, soll in ein eigenes Projekt im Heimatland münden. Und nahezu von selbst entstehen dabei kulturelle Brücken nach Deutschland.

Unkomplizierter Kontakt

Kontakte knüpfen ist ohnehin das A und O im Kulturmanagement, und das geht bei der PLATFORM3 ganz leicht. Katya kommt einfach in die Ateliers und mit den Künstlern ins Gespräch. Weil sie nach USA-Aufenthalt und Studium in Großbritannien ein brillantes Englisch spricht, könnte man glatt vergessen, dass sie aus Almaty kommt, das 5000 Kilometer und einige Welten von München entfernt liegt. Bei der Kunstbiennale Venedig, die zu den weltweit berühmtesten Kulturveranstaltungen zählt, hat sie auch schon gearbeitet. Und hat sehr präzise Vorstellungen von dem, was sie hier will.

Katya Serebryanaya in einem Atelier der PLATFORM3, Foto: Aya Bach
Kulturmanagement: auch ein Bürojob ...Bild: DW

"Ich suche einen Künstler oder Kurator, der einen Workshop machen kann und auch schon Erfahrung mit so etwas hat", erklärt sie, als sie im Atelier von Johannes Karl reinschneit. "Natürlich muss er Interesse daran haben, nach Zentralasien zu kommen, wir wollen ja niemanden, der dann denkt, oh je, wo bin ich denn hier gelandet!" Katya will jungen Menschen in ihrer Heimatstadt Almaty einen Blick auf aktuelle internationale Kunst ermöglichen – und beim bloßen Blick soll es nicht bleiben: Sie will Gespräche mit Künstlern initiieren, um das Kunstverständnis des Publikums zu entwickeln oder zu vertiefen.

Von der Steinzeit bis zum Sozialismus

Ob sie tatsächlich mit Johannes zusammenarbeitet, wird sich noch entscheiden. Erst einmal zeigt er ihr das Video-Projekt, an dem er gerade arbeitet: Auf dem Bildschirm zappeln Figuren, die man aus historischen Kunstwerken kennt – eine Art digitales Marionetten-Theater. Junge Künstler in Almaty könnte so etwas schon interessieren, zumal Videokunst nicht auf dem Lehrplan der Kunsthochschule steht. "Da wird überhaupt keine zeitgenössische Kunst unterrichtet", moniert Katya. "Es gibt keine Entwicklung! Die meisten Professoren haben zur Zeit der Sowjetunion studiert. Die fangen mit der Steinzeit an im ersten Studienjahr und hören auf beim sozialistischem Realismus".

Katya Serebryanaya (l.) und Johannes Karl (r.) am Computer in der PLATFORM3, Foto: Aya Bach
Katya im Atelier des Video-Künstlers Johannes KarlBild: DW

Darum arbeitet Katya in Almaty bei einer ungewöhnlichen Galerie, die sich für junge zeitgenössische Kunst stark macht. Denn die gibt es dort auch – doch kaum jemand weiß das überhaupt. Genau dieser Kunst will sie ein Forum bieten. Eine bloße Ausstellung, meint sie allerdings, genüge nicht. Kunst muss vermittelt werden, und da hofft sie auf deutsche Partner: "Ich glaube, es ist wichtig für mein Projekt, eine Verbindung herzustellen, einen internationalen Dialog darüber, wie man in Deutschland arbeitet und wie das in Kasachstan ist."

Kunst für die Kunden

Mit Kunst auf einem aktuellen internationalen Stand sind in Almaty nur eine Handvoll Spezialisten vertraut, sagt Katya. Eine Herausforderung für sie als Kulturmanagerin – denn wie bringt man diese Kunst und ein konservatives Publikum zusammen? Anregungen fand sie beim Training des Goethe-Instituts, und die waren mitunter überraschend: "Bevor du ein Projekt anfängst, musst du schon kundenorientiert denken. Das klingt zwar völlig falsch, wenn es um Kultur geht", meint sie, "aber du musst dir klar machen: Warum ist es für die Leute wichtig, in die Ausstellung zu kommen? Und wenn du deine Ziele klar im Kopf hast, dann ist das für deine Ausstellung schon ein Teil des Erfolgs."

Offen für Information

Doch ein Konzept, das in Deutschland funktioniert, muss in Kasachstan noch lange nicht aufgehen – das ist Katya mit ihrer internationalen Erfahrung völlig klar. Darum will sie in Almaty unbedingt Galerie-Gespräche initiieren: "Wir brauchen da eine Art Bildungsprogramm. Denn den Leuten fehlt sehr viel Wissen über zeitgenössische Kunst! Ich glaube aber, sie sind offen dafür und freuen sich, wenn sie solche Informationen bekommen."

Nikolai Vogel (l.) und Katya Serebryanaya (r.) in einem Atelier der PLATFORM3, Foto: Aya Bach
Ateliergespräch mit Künstler Nikolai VogelBild: DW

Ein Künstler aus der PLATFORM3 könnte da helfen; das wird sich bald finden. Doch Katyas Aufenthalt hier ist nicht nur für die kasachische Seite ein Gewinn. Im Herbst soll in München eine Ausstellung zum Thema Klimawandel entstehen, zu der Katya als Kuratorin beitragen soll, indem sie die Beteiligung von Künstlern aus Zentralasien managt. Deren Arbeiten könnten sogar spannender sein als manches, was aus Westeuropa kommt, meint Marlene Rigler, Projektleiterin der PLATFORM3: "Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die wirklich interessanten Positionen von ganz außen kamen. Und da gehört Kasachstan sicher dazu. Ich glaube, dieser Blick nach ganz außen ist bereichernd!"

Nun gilt es für Katya, auch in ihrer Heimat Kontakte zu Künstlern herzustellen und ihre Arbeiten zu beurteilen. Aber auch Finanzen zu kalkulieren, Verhandlungen zu führen, Visa zu organisieren. Und daran zu denken, wie man den Münchnern Kunst aus Kasachstan schmackhaft machen kann. Denn Kunst und Publikum zusammenzubringen, ist nicht nur schön, sondern macht auch viel Arbeit.

Autorin: Aya Bach
Redaktion: Claudia Unseld