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Kultureller Ausverkauf: Italien will Denkmäler verscherbeln

Kirstin Hausen 8. August 2008

In Italien plant Silvio Berlusconi die Reform der Kulturlandschaft. Lange Zeit konnte die wirtschaftsschwache Nation hier punkten, doch der Staat ist pleite und so geht es den Kulturdenkmälern ans Eingemachte

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Der griechische Tempel der Juno
Private Verpachtung und Verkauf statt aufwändiger RestaurierungBild: AP

"Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, mir fehlen wirklich die Worte", kommentiert Simona Cagno. Die Mailänderin sorgt sich um Kirchen und historische Paläste, die in ganz Italien vor sich hin bröckeln. "Private Verpachtung und Verkauf" statt aufwändiger Restaurierung lautet nun die Vorgabe aus Rom.

Mit anderen Worten: verscherbeln statt erhalten. In Verona sollen drei Paläste und ein ehemaliger Konvent unter den Auktionshammer kommen, damit sich die Stadt ein neues Parkhaus für Messebesucher leisten kann.

Sind die italienischen Behörden noch bei Sinnen?

Piazza Vecchia in Bergamo Alta in der Lombardei
Berühmte Bauwerke sollen privat verpachtet werdenBild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Auf Sizilien plant die Region, die weltberühmten Tempel von Agrigento für die nächsten 30 Jahre privat zu verpachten. "Da schrei ich auf und sage: wie weit muss Italien noch sinken", empört sich Gottfried Wagner: Historiker und Musikwissenschaftler, Schriftsteller und Opernregisseur. Der Urenkel von Richard Wagner lebt seit fast 30 Jahren in Italien.

Italien habe die größten Maler, Komponisten, Architekten, nicht nur für Europa, sondern für die Weltgeschichte hervorgebracht, erklärt Wagner. "Wo kommen wir denn hin, wenn die Kultur nur noch zur politischen Prostitution missbraucht wird?", fragt er mahnend.

Ist das kulturelle Erbe verloren?

Kritische Stimmen werden im Italien von Silvio Berlusconi gerne zum Schweigen gebracht. Ob es sich dabei um Richter handelt, Denkmalschützer oder Künstler spielt keine Rolle. Von einem interessanten Kulturbetrieb kann schon seit langem keine Rede mehr sein. "Da findet nichts Wesentliches mehr statt, was ich vielleicht mal geschätzt habe", sagt Wagner. Früher, da habe es mal eine große Aufbruchstimmung gegeben, die nun aber nicht mehr existiert. "Und das ist der kulturelle und geistige Zustand im Moment von Italien und der ist beängstigend. Ich wiederhole es: Er ist beängstigend."

Trash statt Kultur – was in Berlusconis Fernsehprogrammen seinen Anfang nahm, durchzieht inzwischen das ganze Land. Italien, Wiege der Renaissance und des kommunalen Städtewesens, tritt sein kulturelles Erbe mit Füßen. Ein Erbe, das immerhin Millionen Touristen ins Land lockt.

Kein Geld für Kultur

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi zieht seine Hose hoch (Archivfoto vom 06.11.2003/dpa)
Italiens Kulturverantwortliche müssen den Gürtel enger schnallenBild: picture-alliance/ dpa

Sie bewundern beispielsweise das Abendmahl von Leonardo da Vinci und sind meist überwältigt von der Schönheit des Wandgemäldes aus dem 15. Jahrhundert. 20 Jahre lang ist das Fresko restauriert worden, um seinen langsamen Verfall zu stoppen. Die Kosten dafür trugen fast ausschließlich private Sponsoren. Das Ministerium für Kulturgüter in Rom, dem "Das Abendmahl" untersteht, hatte schon damals nicht genug Geld.

Nun ist die Situation noch düsterer. Nicht einmal drei Prozent des italienischen Haushalts werden für die Denkmalpflege ausgegeben. Und die Kürzungen, die die Regierung Berlusconi per Finanzdekret verabschiedet hat, lassen das Budget des Ministeriums für Kulturgüter weiter schrumpfen. "Die finanziellen Mittel für Kulturgüter und Museen haben so nachgelassen wie das politische Interesse an Kultur", beklagt Salvatore Settis, Italiens bekanntester Denkmalschützer. Der Kunsthistoriker von internationalem Rang und Direktor der staatlichen Eliteschule "Ecole Normale" in Pisa hat ausgerechnet, dass die auf drei Jahre verteilten Einsparungen insgesamt 700 Millionen Euro weniger für das Ministerium für Kulturgüter bedeuten.

Kein Gespür für Kultur

Ein Leuchtturm am italienischen Mittelmeer
Italien tritt sein kulturelles Erbe mit FüßenBild: picture-alliance/Bildagentur Huber

Auf die zaghafte Frage des zuständigen Ministers, wo er denn noch streichen solle, antwortet Antonio Leone vom regierenden Parteienbündnis "Volk der Freiheit": "Die Minister müssen eben Prioritäten setzen. Das Ministerium hat ein bestimmtes Budget zugeteilt bekommen und damit muss es auskommen", lautet das Fazit. Es sei Aufgabe des Ministers, dort zu streichen, wo man streichen könne und nicht dort, wo man es nicht könne.

Sarkasmus pur. Aber so ist es eben bestellt um die Kultur in Italien. Die Denkmalpflege riskiert den Kollaps und Silvio Berlusconi schickt die Abgeordneten zufrieden in die Sommerpause.