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Kulturgut in Gefahr

Matthias von Hein10. Dezember 2014

Raubgräber zerstören wertvolles Kulturerbe. Im mittleren Osten verdienen an geplünderten Antiquitäten sogar Terrormilizen. Berlin plant jetzt die Verschärfung der Gesetze zum Antikenhandel - der Handel läuft Sturm.

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Plünderung antiker Schätze in Syrien und Irak. Der Direktor des Nationalsmuseums Bagdad sitzt inmitten zerstörter Kunstwerke nach der Plünderung des Museums 2003. (Foto: Mario Tama/Getty Images)
Bild: Getty Images/Spencer Platt

Verbrechen ist immer dann besonders lohnend, wenn es niemanden gibt, der es anzeigt. Und wenn es für die Behörden schon schwer ist, allein das Ausmaß der illegalen Aktivitäten zu beziffern. So wie beim illegalen Handel mit Drogen, mit Waffen – oder auch mit antiken Kunstschätzen. Anders als für Drogenkriminalität oder Waffenhandel hat sich für das Thema "illegaler Handel mit Kulturgütern" lange Zeit kaum jemand interessiert. Das spiegelt sich schon in der Personalpolitik der Behörden: Das Bundeskriminalamt beschäftigt gerade einmal drei Beamte im Bereich Kulturgüterschutz. In jüngster Zeit aber häufen sich Berichte über systematische Raubgrabungen und die Plünderung von Kulturgütern, speziell in den Ländern des Mittleren Ostens. Und: Es gibt Hinweise, dass Gewinne aus dem illegalen Handel mit geplünderten Antiken in die Taschen von Terrormilizen fließen. Auch der sogenannte "Islamische Staat" IS soll am Geschäft mit geraubten Kunstschätzen verdienen. Das belegt unter anderem ein Report eines UN-Analyseteams, erstellt Mitte November für den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen#. Der Bericht führt im Kapitel über die Finanzierung des IS die Plünderung von Antiquitäten an dritter Stelle auf. Der IS würde die Plünderung archäologischer Stätten und den Schmuggel von Antiquitäten aus Syrien und dem Irak fördern, kann man da lesen. Geplündert würde daher systematischer und organisierter als jemals zuvor; teilweise würde sogar schweres Gerät eingesetzt, etwa Bulldozer. Der Profit auf Seiten des IS? Er besteuert die Plünderer.

Raubgrabungslöcher im irakischen Isin. (Foto: Margarete van Ess/DAI/UNESCO)
Raubgräber hinterlassen Mondlandschaften - wie hier im irakischen IsinBild: Margarete van Ess/DAI/UNESCO

Ruinenstätten zu Mondlandschaften

Für den Ärchäologen Neil Brodie ist das eine Tragödie. "Auf Satellitenbildern sieht man die betroffenen Areale. Mit den Kratern überall sehen sie aus wie Mondlandschaften" sagt Brodie, der an der Universität Glasgow den globalen Handel mit geplünderten Kulturgütern untersucht. "Und aus Berichten von Leuten vor Ort wissen wir: Das sind nicht nur einfache Gruben. Das sind tiefe Löcher, teilweise mit Tunneln untereinander verbunden. Einige dieser Stätten sind schwer beschädigt", so Brodie im Gespräch mit DW.DE. Eine Aussage darüber, wie groß der illegale Handel mit Antiken auf dem weltweiten Kunstmarkt ist, möchte der Fachmann aus Schottland allerdings nicht treffen. Aus zwei Gründen: Zum einen würde ein großer Teil der Objekte am Markt ohne Herkunftsnachweis gehandelt. Und zweitens würde sehr viel Material erst gar nicht auf dem offenen Markt der Auktionshäuser und Galerien auftauchen: "In den vergangenen zwanzig Jahren wurden große Sammlungen aufgebaut, speziell mit Material aus dem Irak – und diese Objekte sind nie auf dem offenen Markt aufgetaucht", so der Archäologe Brodie.

Streit um Zahlen

Es gibt aber durchaus Schätzungen über den Umfang des illegalen Handels mit antiken Objekten: UNESCO, Interpol und das United Nations Office of Drugs and Crimes beziffern ihn auf sechs bis acht Milliarden US-Dollar. Eine Zahl, die Ursula Kampmann für deutlich überhöht hält. Sie arbeitet für einen Zusammenschluss von 32 internationalen Kunsthändlern (IADAA) und ist da für Kulturgüterschutz zuständig. Kampmann verweist auf eine Studie ihres Verbandes: Demnach habe der Umsatz aller europäischen und US-amerikanischen Auktionshäuser im Jahr 2013 lediglich zwischen 150 und 200 Milllionen Euro gelegen. Die Expertin fragt sich, wie der illegale Handel das 40-fache des legalen Handels ausmachen kann.

Journal Interview - Das DW-Gespräch



Kampmanns Verband hat ein Imageproblem. Denn der Kunsthandel steht im Verdacht, mitzuverdienen am Handel mit geplünderten Kulturgütern. Bislang werden nämlich keine genauen Herkunftsnachweise verlangt, wenn etwa eine antike Statue, ein Tongefäß oder eine Goldmünze auf Antikenmessen oder in Auktionskatalogen auftauchen. Nun allerdings könnten den Kunsthändlern womöglich Umsatzeinbußen drohen: Denn eben dieser laxe Umgang mit Kulturgütern soll in Deutschland beendet werden. Ein Gesetzentwurf von Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht vor, dass künftig nur noch Antiken mit einem klaren Herkunftsnachweis und einer Ausfuhrgenehmigung des jeweiligen Ursprungslandes gehandelt werden dürfen.

Vermummte Kämpfer der Terrormiliz IS recken ihre Sturmgewehre in die Luft. (Foto: © Medyan Dairieh/ZUMA Wire/ZUMAPRESS.com)
Auch die Terrormiliz IS profitiert von der Plünderung antiker StättenBild: picture alliance/ZUMA Press/M. Dairieh

Bewusstseinswandel gefragt

Das Problem bei der Plünderung von Kulturgütern und dem Handel mit ihnen: Es ist eben kein "Verbrechen ohne Opfer", bloß weil keine Privatperson bestohlen wurde. Bestohlen um ihr kulturelles Erbe werden vielmehr ganze Nationen - im Grunde sogar die ganze Menschheit. Denn erstens können die geplünderten Objekte nicht mehr wissenschaftlich untersucht werden, sondern verschwinden in den Vitrinen privater Sammler. Was aber zweitens noch schwerer wiegt, fasst Markus Hilgert zusammen, Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin: "Raubgrabungen zerstören den archäologischen Kontext. Die Plünderer sind an diesem Kontext überhaupt nicht interessiert. Denen geht es einzig und allein um den materiellen Wert der Objekte. Raubgrabungen sind insofern das Schlimmste, was man der kulturellen Identität eines Landes antun kann." Der Altorientalist plädiert im DW-Interview deshalb für eine Bewusstseinsänderung, wie es sie auch schon beim Artenschutz gegeben habe: "Der Handel mit illegalen Kulturgütern muss unattraktiv und geächtet sein - so wie niemand mehr einen Mantel aus dem Fell von Robbenbabys tragen will", fordert Hilgert. Vielleicht trägt eine Konferenz zu diesem Bewusstseinswandel bei, die am Donnerstag (11.12.) in Berlin beginnt. Unter dem Titel "Kulturgut in Gefahr" wollen hochkarätige Fachleute unter anderem auch aus Syrien, dem Irak und Ägypten darüber beraten, wie der illegale Antikenhandel eingedämmt werden kann. Illusionen sollte man sich allerdings nicht hingeben: Ohne funktionierende staatliche Strukturen in den Herkunftsländern werden sich Raubgräber nur schwer aufhalten lassen.