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Kulturleben in Großbritannien wieder gestartet

Sertan Sanderson
17. Mai 2021

Die britische Kulturszene erwacht nach dem Corona-Lockdown wieder zum Leben. Für viele Kunstschaffende ist die Lage trotz staatlicher Finanzspritzen prekär.

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Gebäude der Tate Modern Museum in London.
Die Tate Modern zählt zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten LondonsBild: Reuters/S. Wermuth

Zuerst kam der Brexit, dann Corona. Das Lebensgefühl war - wie überall auf der Welt - auch in der britischen Hauptstadt London monatelang sehr beklommen. Nicht zuletzt auch, weil sämtliche Museen, Konzerthallen und Bühnen über lange Zeit geschlossen bleiben mussten. Der Lockdown hat den Kulturschaffenden arg zugesetzt. Doch seit Mitte April gibt es erste Lockerungen: Biergärten und andere Treffpunkte unter freiem Himmel durften wieder den Betrieb aufnehmen. Und ab dem 17. Mai ist auch die Gastronomie in Innenräumen wieder erlaubt - sowie auch der Besuch von kulturellen Einrichtungen wie Museen und manchen Theatern.

Die Lockerungen sind möglich, weil weit über die Hälfte der britischen Bevölkerung die erste COVID-19-Impfung schon erhalten hat und über ein Viertel sogar komplett geimpft ist. Deswegen konnten auch die Brit Awards im Mai live vor rund 4000 Menschen stattfinden.

Eine Gruppe von Freunden trinkt auf einem Dachrestaurant in London
Nach den Biergärten machen nun auch Kulturorte in Großbritannien wieder aufBild: Dylan Martinez/REUTERS

Tate Modern: Zutritt nur mit digitalem Ticket

Das Ausstellungshaus Tate Modern freut sich schon darauf, wieder Besucherinnen und Besucher begrüßen zu dürfen. Eine Ausstellung mit Werken des französischen Bildhauers Auguste Rodin unter dem Titel "The Making of Rodin" soll Besucher in das Haus an der Londoner South Bank locken. "Die Sicherheit der Besucher hat für uns oberste Priorität", so Achim Borchadt-Hume, Ausstellungsleiter der Tate Modern, im DW-Gespräch. "Alle Ausstellungen sind unter Einhaltung der Hygiene- und Distanzvorschriften geplant worden und unterliegen den staatlichen Regularien."

Achim Borchardt-Hume lehnt sich gegen eine Betonwand.
Ausstellungsleiter Achim Borchardt-Hume freut sich auf Besucher Bild: Daniel Leal-Olivas/AFP/Getty Images

Hohe Zusatzausgaben wegen Corona 

Nachdem die Museen monatelang geschlossen waren - und damit auch keine Einnahmen generieren konnten - kommen durch die Corona-Maßnahmen neue Ausgaben in Zeiten knapper Kassen hinzu. "COVID war eine große Herausforderung für den gesamten Kultursektor, wie auch für den Rest der Gesellschaft", sagt Borchardt-Hume. Und fügt hinzu: "Die finanziellen Verluste waren enorm."

Blick in die Ausstellungsräume im Florence Nightingale Museum in London
Dem Florence Nightingale Museum droht die SchließungBild: Han Yan/Xinhua/picture alliance

Die Stiftung "Tate Foundation" und die von ihr geförderten Museen müssen trotzdem nicht ums Überleben bangen: Obwohl sie keine staatlichen Institutionen sind, erhalten sie fast ein Drittel ihrer Finanzierung direkt von der britischen Regierung.

Andere Institutionen haben weniger Glück: Der Art Fund, eine britische Wohltätigkeitsorganisation, die Museen bei der Suche nach Finanzmitteln unterstützt und den Kultursektor im Land fördert, stellte im Januar fest, dass 60 Prozent der britischen Museen ums Überleben bangen. Einige stünden sogar vor der endgültigen Schließung, darunter auch das privat geführte Florence Nightingale Museum in London, das die Geschichte der Krankenschwester Florence Nighingale erzählt. Ein im letzten Monat von der britischen Regierung angekündigter "Kulturrettungsfonds" in Höhe von 400 Millionen Pfund (465 Millionen Euro) soll jetzt mehr als 2700 Kunst-, Kultur- und Kulturerbe-Organisationen sowie unabhängigen Kinos finanziell unter die Arme greifen.

Vom Staat im Stich gelassen?

Viele Künstlerinnen und Künstler bekommen allerdings von diesem Geld nichts ab. Aletia Upstairs, eine Kabarettsängerin und Bühnenkünstlerin in London, sagt, dass es ein "Minimum an staatlicher Hilfe gab, die nur wenigen Künstlern zur Verfügung stand".

Aletia Upstairs singt auf einer Bühne vor einem roten Vorhang.
Aletia Upstairs fühlt sich von den staatlichen Unterstützungen ausgeschlossenBild: Aletia Upstairs

Die ungerechte Verteilung der Mittel habe "ihre Sicht auf den Staat verändert".

Der britische Kulturminister Oliver Dowden sieht das anders. Er verteidigt seine Politik und bezeichnet die Unterstützung als "rekordverdächtigen Kultursanierungsfonds". Renommierte britische Schauspieler wie Julie Walters oder Stephen Fry begrüßen Dowdens Initiative und sind davon überzeugt, das diese der britischen Kulturszene wieder auf die Beine helfen wird.

Aletia Upstairs glaubt, dass unbekanntere Künstlerinnen und Künstler wie sie und kleinere Veranstaltungsorte nicht von dem Fonds profitieren. "Diese Regierungspolitik hat zu einer großen sozialen Diskrepanz geführt, auch in der Kunstwelt", sagt sie im DW-Interview. Missverstanden fühlt sie sich auch wegen einer Kampagne von 2020, in der die britische Regierung vorschlug, dass sich zum Beispiel arbeitslose Balletttänzerinnen und Balletttänzer umschulen lassen sollen, um in der Cybersicherheit zu arbeiten. "Die Regierung denkt, dass Künstlerinnen und Künstler wie ich keine richtige Arbeit leisten", sagt Aletia Upstairs. "Sie will uns klar machen: Für euch gibt es keine Hoffnung."

Rodin-Ausstellung in der Tate Modern

Bei größeren Institutionen wie der Tate Modern gibt es dagegen eher Anlass, optimistisch zu sein. Das führende Museum für moderne Kunst in London habe im Laufe der Pandemie immer mehr Zuspruch erhalten, sagt Borchardt-Hume: "Die Schließungen haben die Leute dazu bewegt, das Museum noch mehr als sonst zu unterstützen."

Die Tate Modern eröffnet mit einer Rodin-Ausstellung seine Türen. "Rodin lebte in unruhigen Zeiten im späten 19. Jahrhundert in Frankreich und reflektierte in seinen Werken das Menschsein. Er analysiert, was unsere Körper verraten. Und eine Lektion der Corona-Pandemie ist schließlich zu begreifen, dass der Körper unser wichtigstes Gut ist."

Leere in der Londoner City