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Kulturpolitik und der Krieg in Syrien

Sabine Kinkartz, Berlin 1. Juli 2014

2,9 Millionen Syrer sind vor dem Krieg aus ihrem Land geflohen. Sie brauchen vor allem Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Brauchen sie auch Kultur? Eine Frage, die den Bundestag beschäftigt.

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Kunst gegen Not. Foto: Mohammad Kahlawi
Bild: Mohammad Kahlawi

Ein Großteil der parlamentarischen Arbeit des Deutschen Bundestags spielt sich in den zahlreichen Ausschüssen ab. Einer von ihnen ist der Ausschuss für auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Hier beschäftigen sich die Parlamentarier mit der Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur im Ausland, mit Austauschprogrammen für Studenten, mit deutschen Schulen im Ausland und dem Schutz von Kulturgütern. Hilfe für Flüchtlinge steht normalerweise nicht auf den Tagesordnungen des Ausschusses.

Was das Gremium normalerweise aufgreife, das erscheine einem "sehr klein" angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien und dem Elend in den Flüchtlingslagern der Anrainerstaaten, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulla Schmidt. Gemeinsam mit ihren Kollegen im Ausschuss ist sie aber der Meinung, dass auch die Kultur ihren Beitrag beisteuern müsse, um das Leiden der Flüchtlinge zu lindern. Der Ausschuss hat daher die Leitung des Goethe-Instituts, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, des Deutschen Olympischen Sportbundes sowie Experten für Archäologie und islamische Kunst gebeten, entsprechende Konzepte und Maßnahmen vorzuschlagen.

Überall fehlt Geld

Wie schlimm die Lage in Syrien ist, das schildert Hans ten Feld, der Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland den Ausschussmitgliedern: 2,9 Millionen Menschen seien bislang außer Landes geflohen. Die meisten seien Frauen und Kinder.

Um sie, aber auch um die Flüchtlinge, die in Syrien geblieben sind, zu versorgen, seien in diesem Jahr 6,5 Milliarden US-Dollar nötig, die von internationalen Geldgebern kommen sollen. "Wir haben bislang nur dreizehn Prozent dieser Summe erhalten, deswegen müssen wir leider Abstriche machen und Prioritäten setzen. Wir können nicht jeden Flüchtling erreichen", bilanziert Hans ten Feld.

Zaatari Flüchtlingslager in Jordanien
Bild: Guy Degen

Zu den syrischen Flüchtlingen kommen nun auch noch die Menschen, die aus dem Irak fliehen. Eine ganze Region zerfällt. Nachdem der Krieg in Syrien bereits im vierten Jahr wütet, geht der UNHCR davon aus, dass Millionen Flüchtlinge auf Jahre hinaus versorgt werden müssen, bevor sie vielleicht in ihre Heimat zurückkehren können. Doch was werden sie dort vorfinden und werden sie überhaupt noch in der Lage sein, ihr Land wieder aufzubauen? "Syrien läuft Gefahr, eine ganze Generation an Akademikern, an Fach- und Führungskräften zu verlieren", warnt Margret Wintermantel. Die Professorin ist Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

Studenten fördern

Drei Viertel der jungen Syrier, die vor dem Ausbruch des Krieges studierten, hätten ihr Studium aufgeben müssen. Sie würden unter Perspektivlosigkeit leiden und seien von Ohnmacht und Traumata betroffen. "Diese jungen Leute bräuchte das Land aber dringend für den Wiederaufbau nach der Beendigung des Bürgerkriegs." Wintermantel ist der Ansicht, dass möglichst vielen Studenten die Wiederaufnahme ihres Studiums ermöglicht werden sollte. Das könnte in Deutschland sein, aber beispielsweise auch an der deutsch-jordanischen Hochschule in Amman. Das Auswärtige Amt hat bereits mehr als eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Auch andere Hochschulen in Jordanien wären bereit, syrische Studenten aufzunehmen. Der DAAD verhandelt derzeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ob in diesen Fällen sogenannte Drittland-Stipendien finanziert werden könnten.

Wintermantel berichtet im auswärtigen Kulturausschuss zudem über ein Sonderprogramm, das derzeit mit dem Auswärtigen Amt beraten werde. Es heißt "Leadership for Syria" und soll sowohl Master- und Promotionsprojekte beinhalten, als auch ein obligatorisches gesellschaftspolitisches Studienprogramm, das sich mit Rechtsstaatlichkeit und dem Aufbau der Zivilgesellschaft beschäftigt.

Anschlag Syrien Aleppo Universität
Die Universität in Aleppo nach dem verheerenden Bombenanschlag im Januar 2013Bild: AFP/Getty Images

"Wir bitten um ihre Unterstützung für die beiden Programme", sagt Wintermantel an die Bundestagsabgeordneten gerichtet. Der Ausschuss-Vorsitzende und CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler nickt mit dem Kopf. "Wir sind dankbar für jede konkrete Maßnahme, die sie uns nennen können und die wir im Rahmen unserer Möglichkeiten im Parlament befördern können", erwidert er.

Rosi in der Geisterbahn

Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, schlägt Sprachkurse für Flüchtlinge vor, um sie für einen Aufenthalt in Deutschland vorzubereiten. "Geplant ist, über eine Laufzeit von 2014 bis 2017 bis zu viertausend Personen in den Lagern zu trainieren." Das Goethe-Institut wendet sich aber auch an Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht kaum eine Möglichkeit haben, ausgebildet zu werden. Drei Viertel aller Flüchtlingskinder können keine Schule besuchen. Es fehlen Lehrer, es fehlen Schulgebäude, es fehlen Bücher. Die stellt das Goethe-Institut in arabischer Übersetzung zur Verfügung.

Im jordanischen Flüchtlingscamp Zaatari hat das Goethe-Institut im Dezember 2013 ein Vorlese-Projekt für Kinder ins Leben gerufen. Die ins Arabische übersetzte Geschichte von "Rosi in der Geisterbahn", die von einem kunsttherapeutischen Projekt begleitet wird, soll die Kinder in die Lage versetzen, ihre Ängste zu verarbeiten. In der Geschichte vom "Regenbogenfisch" geht es um Toleranz und das Teilen.

ISIS raubt Kunst

Auch Kulturgüter, vor allem die antiken Schätze Syriens, beschäftigen den auswärtigen Kulturausschuss des Bundestags. Stefan Weber, Direktor beim Museum für Islamische Kunst in Berlin, und Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, warnen vor einem Verlust des kulturellen Erbes. Die islamische Terrororganisation ISIS raube gezielt antike Kunst und räume Museen aus, um die Sammlungen auf dem internationalen Kunstmarkt zu Geld zu machen.

"Wir wissen sehr genau, was ISIS alles erbeutet hat und wie sie damit riesige Vermögen anhäufen", so Fless. Der illegale Kunsthandel sei der drittgrößte Bereich nach Waffen und Drogen. Der Terror in Syrien und jetzt auch im Nordirak werde darüber unmittelbar finanziert. "Im Moment gibt es in Deutschland immer noch einen legalen Antikenhandel, der dazu führt, dass dieser illegale Teil gar nicht weiter auffällt", analysiert Fless und erklärt den Bundestagsabgeordneten, dass es in diesem Bereich dringend eine gesetzliche Neuregelung geben müsse.

Fless und Weber machen deutlich, dass es sehr wichtig für Syrien, aber auch für den Irak sei, die Kulturgüter im Land zu halten. Das sei nicht nur wichtig für die kulturelle Identität, sondern auch ein ökonomischer Baustein für den Tag X, für den Wiederaufbau und für einen wieder einsetzenden Kulturtourismus.