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Kunst aus dem Automaten

5. Januar 2011

Man findet sie in ganz Deutschland: liebevoll restaurierte Zigarettenautomaten, die beim Einwurf einiger Geldmünzen jedoch keine Schachtel Kippen ausspucken. Stattdessen landen originelle Kunstminiaturen in der Ablage.

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Der Kunstautomat vor dem Printenhaus (Café Portz) in Bad Münstereifel (Foto: DW)
Bild: DW

Es liegt Schnee in Bad Münstereifel. Inmitten des blendenden Weiß leuchtet der restaurierte Automat aus den 1960er Jahren mit neuer roter Beschriftung. "Kunst aus dem Kasten" steht drauf. Wer sechs Euromünzen einwirft, kann an einer der Schubladen ziehen: Heraus fällt ein kleines weißes Päckchen.

Bei vorsichtigem Öffnen der Pappschachtel kommt eine Miniatur-Grafik zum Vorschein. Sie zeigt das Printenhaus - so heißt das Fachwerkgebäude, an dessen Anbau der Automat angebracht ist. Drinnen im Café sitzt bereits Julia Brück mit ihrem Partner Hektor Gobbi. Julia ist die Schöpferin der Miniatur-Kunstwerke aus dem Automaten.

Souvenirs statt Zigaretten

Detailaufnahme des Kunstautomaten, zu sehen sind Beispiele der Kunstminiaturen von Julia Brück (Foto: DW)
Originelle Zeichnungen aus der EifelBild: DW

Vor einigen Jahren schon sind die beiden aus Düsseldorf in die Eifel gezogen. Seitdem leben sie mit ihren zwei Rauhaardackeln ein - wie sie sagen - gemütliches Landleben. Julia Brück: "Es ist einfach so traumhaft schön hier, auch nach vier Jahren ist es für uns immer noch wie im Urlaub". Nur an eines konnte sich die gelernte Grafikerin nie so recht gewöhnen: dass es keine schönen Souvenirs aus der Region gab. Deshalb hat sie sich damals sofort ans Werk gemacht. Heraus kamen originelle Miniaturen, immer mit regionalem Bezug. Problemlos passen sie in eine Box, gerade so groß wie eine Zigarettenschachtel. Denn so können sie überall in der Eifel in den restaurierten Kunstautomaten verstaut werden. An 16 Orten zwischen Rheinsteig, Eifelsteig und der Mosel warten mittlerweile die Kunstwerke auf ihre Käufer.

Ob Motive aus Flora und Fauna, Zeichnungen von Ortschaften oder humoristische Collagen, jede Anfertigung ist ein Einzelstück und immer an den Standort des jeweiligen Automaten angepasst. Bei Spaziergängen sammelt Julia Brück Beeren, Gräser und Gestein und baut diese dann wieder in ihre Miniaturen ein. Dank der Automaten ist sie zudem unabhängig von Ladenöffnungszeiten und kommt an Standorte, wo es sonst gar keine Geschäfte gibt.

Ein Paar mit Geschäftssinn und Liebe zum Detail

Julia Brück und Hektor Gobbi, Betreiber diverser Kunstautomaten in der Eifel (Foto: DW)
Julia Brück und Hektor GobbiBild: DW

Inzwischen hat auch Lebensgefährte Hektor Gobbi seinen festen Job als Vermessungstechniker gekündigt. So kann er seine Freundin besser unterstützen, wie er sagt. Er kümmert sich um die technischen Dinge. Im Internet ersteigert er ausrangierte Automaten, restauriert und lackiert sie. Am Erfolg der Automaten hat Hektor Gobbi nie gezweifelt: "Sonst hätte ich ihr gleich davon abgeraten. Aber die Qualität stimmt, und die Kunden sind zufrieden."

Nach zwei Jahren Arbeit kann das Paar mittlerweile von den Kunstwerken leben. Allerdings komme man auf dem Land ohnehin mit viel weniger aus, sagt Julia Brück. Schon einige Male wurde sie gefragt, warum sie den Preis von sechs Euro pro Miniatur nicht erhöhe. Für die Künstlerin ist das völlig undenkbar. Sie möchte, dass jeder Mensch mit Sinn für die kleinen Souvenirs sich diese auch leisten kann.

Heimliche Fans outen sich

Der Kunstautomat von Julia Brück vor dem Printenhaus (Café Portz) in Bad Münstereifel (Foto: DW)
Der Automat lockt auch Gäste ins Café PrintenhausBild: DW

Um in der kalten Jahreszeit - wenn weniger Kunstwerke an den Automaten gezogen werden - finanziell über die Runden zu kommen, bieten die beiden ihre Miniaturen den Sommer über zusätzlich auf Kunstmärkten an. Sie nennen das "Winterspeck anfuttern". Die Märkte sind zudem eine willkommene Gelegenheit, die anonymen Kunden endlich persönlich zu treffen.

Auch Günter Portz, der Betreiber des Printenhauses in Bad Münstereifel, ist ein großer Fan der kleinen Kunstwerke. Als er sie das erste Mal zu sehen bekam, war er sofort hellauf begeistert: "Ich finde diese Miniaturen so schön, dass ich mir gleich vorstellen konnte, sie über mein Café der Öffentlichkeit zugänglich zu machen." Im Moment sei der Andrang auf die Kunst aus dem Automaten zwar etwas geringer, aber spätestens im Frühjahr würden wieder viele Touristen herkommen.

Deshalb haben Julia Brück und Hektor Gobbi schon die nächste Geschäftsidee parat: einen Wanderführer entlang der Automaten. Auf diese Art können Touristen die Eifel mal ganz anders entdecken. Und so klein wie die Unikate sind, passen sie garantiert in jeden Wanderrucksack.

Autorin: Elisabeth Jahn

Redaktion: Aya Bach