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Traumjob Gamedesigner

Silke Wünsch25. Oktober 2012

Spiele-Entwickler gelten als schräge Computer-Nerds, die ihr Hobby zum Beruf machen wollen. Dabei ist das Schnee von gestern. Gamedesign ist akademisch geworden. Nach dem Studium sind die Chancen bestens.

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Screenshot von einem Videospiel (Foto:Square Enix/AP)
Galerie Artwork in Computerspielen Final FantasyBild: Square Enix/AP

Sie sind schon lange vorbei, die Zeiten, als ein paar einsame Computerfreaks in verrauchten Kellern saßen und Videospiele erfanden. Mit kantigen Figuren, hölzernen Dialogen, billiger Synthesizer-Musik und vielen Pixeln. Mittlerweile haben manche Spiele einen höheren Produktionsaufwand als ein Hollywood-Blockbuster.

Hunderte Menschen arbeiten inzwischen an einem einzigen Spiel: Programmierer, Designer, Zeichner, Musiker, Autoren, Sprecher. Die ganz großen Games sind nicht nur in der Produktion teurer als ein Kinofilm, sie spielen oft auch viel mehr Geld ein. Die Branche wächst immer weiter, gespielt wird überall. Nicht nur zu Hause am Rechner oder an der Konsole, sondern auch auf Tablets, Handys und im Internet. Ständig wird Nachwuchs gesucht. Die Mediadesign Hochschule in Düsseldorf bildet jedes Jahr 26 Studenten zu Gamedesignern aus.

Gamescom in Köln (Foto: DW/G. Ferreto)
Auf der Gamescom werden die neuesten Blockbuster präsentiertBild: DW/G.Ferreto

Vor kurzem noch ein Stirnrunzeln

Linda Breitlauch ist Deutschlands erste und bisher einzige Frau, die eine Professur in diesem Fachgebiet hat. Dorthin gekommen ist die 46-Jährige über Umwege. Das Spielen gehört natürlich dazu, mit 12, 13 Jahren hat sie damit angefangen. Später die Filmhochschule, Begegnung mit Computeranimation, dann Lehraufträge an der Fachhochschule für Informatik. Promoviert habe sie schließlich über die Dramaturgie von Computerspielen, erzählt sie, "womit man vor ein paar Jahren an der Kunsthochschule durchaus noch ein Stirnrunzeln hervorrufen konnte". Inzwischen habe man aber erkannt, dass Computerspiele sehr wohl etwas mit Kunst zu tun haben.

Nun also der Lehrstuhl an der Düsseldorfer Mediadesign Hochschule. Es ist Nachmittag, die Kurse und Seminare sind beendet. Dennoch herrscht reger Betrieb in den Räumen. Studenten sitzen an ihren Rechnern, vor sich zwei oder drei Monitore. Sie entwickeln im Team ein 3D-Abenteuerspiel. Sie tauschen sich aus, lachen. Linda Breitlauch ist stolz auf ihre Studenten, wenn sie sieht, wie sehr sie sich in ihre Aufgaben hineinhängen. "Die haben natürlich auch Vorlesungen, Theorie- und Praxiszeiten neben ihren Projekten, in denen sie sich aussuchen können, was sie machen."

Szene aus dem Kriegsspiel Medal of Honor (Foto: Electronic Arts)
Spiel und Kunst: "Medal of Honor"Bild: Electronic Arts

Keine Männersache

Viele Studenten sind über Grafikdesign und Kunst hierher gekommen. Überall in den Gängen hängen Screenshots von Phantasiewelten und Spielfiguren, Monstern und anderen Wesen. Bevor sie auf dem Bildschirm zum Leben erweckt werden, müssen die Studenten sie als echte Figuren modellieren. In Vitrinen sind die Prototypen ausgestellt – die Kreativität der Studenten ist schier grenzenlos.Früher war der Anteil der männlichen Studenten hier höher. Doch mehr und mehr wagen sich auch Frauen an das Thema – schließlich gehe es hier nicht nur um das "nerdige Hacken und um Technologie", so die Professorin. "Sondern Gamedesign umfasst ja eine ganze Spanne." Davon abgesehen stimme das Klischee, dass Frauen nicht gerne programmieren, gar nicht mehr. "Da sind ganz viele Mädels, die am Anfang sagen, dass sie was mit Grafik machen wollen und die dann ganz plötzlich merken, dass sie Programmieren eigentlich viel toller finden."

Modelfiguren (Foto: DW/Silke Wünsch)
Bevor die Studenten die Figuren in digitaler Form herstellen, müssen sie sie erst modellierenBild: DW

Bea zum Beispiel. Sie übt gerade die 3D-Darstellung einer Waffe. Eigentlich hatte sie BWL studiert, obwohl ihr das Kreative viel mehr lag. Nach dem Studium war ihr klar, dass sie BWL hasst, erzählt sie. Und dann bewarb sie sich an der Düsseldorfer Hochschule. Obwohl sie für Technik und Mathematik gar nicht so viel übrig hat. Aber hier sei es ganz anders als in der Schule, wo man allein für seine Note arbeite, schließlich sehe man hier die Ergebnisse. "Wenn man sich wirklich für etwas interessiert, und man weiß, wofür man etwas macht, dann ist man motivierter, auch mal etwas anzugehen, worauf man zuerst etwas scheu reagiert." Trotzdem sei Programmieren immer noch "das Härteste" für sie.

Lukas, der gerade an einem Level herumschraubt, wollte ursprünglich Architektur studieren. Gleichzeitig erzählt er aber auch gerne Geschichten. Und da stieß er auf den Studiengang Gamedesign: "Man hat ein sehr breites Spektrum, in dem man seine Kreativität ausleben kann. Man denkt sich Geschichten aus, man muss natürlich für Sound sorgen, man muss für Videos sorgen, man muss Charaktere entwickeln, Welten erfinden und Level bauen."Ballern gehört zum Unterricht

Student sitzt vor Bildschirm (Foto: DW/Silke Wünsch)
Auch hier herrscht Architektur: Lukas baut eine WeltBild: DW

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass die Studenten hier ihr Hobby zum Beruf machen wollen. Denn fürs Hobby haben sie gar keine Zeit mehr. Als die Professorin in die Runde fragt, wer eigentlich noch in seiner Freizeit spielt, bekommt sie erstaunlich wenig Antworten. "Nachts!" sagt einer und erntet große Lacher.

"Ich muss sie zum Spielen zwingen, weil es zum Unterricht gehört," sagt Linda Breitlauch, "es ist wie in der Filmhochschule auch. Die müssen das knallhart auseinander nehmen: Was funktioniert und was funktioniert nicht, wie könnte man das besser machen, wie kann man daraus etwas lernen, was kann man mitnehmen oder was auch immer, das ist schon richtig Arbeit."

Die Berufschancen sind hervorragend. Ausgebildete Entwickler werden händeringend gesucht. Doch sie werden auch nach ihrer Hochschulausbildung immer weiter lernen müssen. Denn die Branche ändert sich rasend schnell.Momentan sind Spiele auf mobilen Plattformen auf dem Vormarsch, wovon vor zwei Jahren noch niemand gesprochen hat. "Die Entwicklung ist so erstaunlich schnell, dass wir kaum voraussehen können, was in zwei oder drei Jahren sein wird", meinte Martin Lorber vom Spielepublisher Electronic Arts während der Spielemesse Gamescom im August. Für die Industrie sind die Absolventen der Hochschule natürlich hochinteressant.

Computerspieler beschäftigt sich mit einer Anwendung für mobile Endgeräte (Foto: picture-alliance/dpa)
Gedaddelt wird auch auf Smartphones und TabletsBild: picture-alliance/dpa

So kommen immer wieder freie Dozenten aus den Entwicklerstudios an die Hochschule. "Das ist natürlich ganz wichtig", meint Linda Breitlauch, "damit wir das ständige Feedback aus der Industrie und der Entwicklerszene bekommen. Zum anderen schauen die auch, ob sie die Ausbildung unterstützen können, mit Stipendien zum Beispiel."

Wer fertig ist, darf trotzdem bleiben

Die Hochschule unterstützt ihre Absolventen auch über ihren Abschluss hinaus, wenn sie ein viel versprechendes Projekt zu Ende bringen wollen. Julian Reinartz und sein Team sitzen im Dämmerlicht, arbeiten intensiv an den Bildschirmen. Es sind allesamt fertig ausgebildete Gamedesigner (und eine GamedesigerIN), die nun weiter an ihrem 3D-Spiel "Minion" arbeiten, das sie während des Studiums angefangen hatten. Sie dürfen dafür die Räumlichkeiten und das Equipment der Hochschule nutzen – in einem Jahr wollen sie fertig sein. Die Charaktere stehen bereits, werden noch mehr verfeinert und zusätzlich werden Welten und Level gebaut. Die Titelmusik ist schon fertig und klingt so, wie es sich für ein richtiges Fantasy-Game gehört: dramatisch, orchestral, mit Elementen aus der mittelalterlichen Folk-Musik.

Auf den ersten Blick wirkt das Spiel wie eins von vielen – ist es aber nicht. Julian und das sechsköpfige Team – sie nennen sich "Frame 6" - setzen auf schrägen Humor und eine neue Spielerperspektive. Es geht um einen kleinen Dämon mit Minderwertigkeitskomplexen, der einen alternden Helden piesackt. Man spielt nur den Dämon, steuert aber auch, ohne es zu wollen, die Handlungen des Helden. Was passiert, ist also nicht vorhersehbar.Auf der Gamescom hatten sie schon guten Zuspruch vom Publikum. Auf der Internetseite von Frame 6 können interessierte Gamer den Produktionsprozess verfolgen. Gerne würde das Team ein eigenes unabhängiges Entwicklerstudio betreiben. Im Moment fehlen aber noch die Mittel dazu. Die Unterstützung der Hochschule ist daher sehr hilfreich.

Gamedesigner Julian vor zwei Bildschirmen (Foto: DW/Silke Wünsch)
Julian feilt an der Figur des kleinen DämonsBild: DW

Eine andere Absolventengruppe hat Glück gehabt. Linda Breitlauch deutet auf eine Trophäe in einer Vitrine im Gang: "Die Studenten, die 2010 den deutschen Computerspiel-Preis gewonnen haben, die haben gemeinsam ein Spiel entwickelt, sich damit komplett als Team beworben und sind dann auch fast als komplettes Team in einem Unternehmen aufgenommen worden."