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Politik

Kandidieren erlaubt, gewinnen verboten

Daniel Derya Bellut
18. April 2019

Nach den Kommunalwahlen in der Türkei wird im Osten des Landes prokurdischen Lokalpolitikern per Dekret das Bürgermeisteramt verwehrt. Ist das Vorgehen der Hohen Wahlkommission rechtlich gedeckt?

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Türkei Kommunalwahl 2019 | Diyarbakir, Passanten
Menschen in Diyarbakir - Wird ihr Wählerwille umgesetzt?Bild: DW/F. Bozarslan

In fünf ostanatolischen Bezirken können die Wahlsieger von der prokurdischen HDP-Partei nicht in die Rathäuser einziehen. In Stadtteilen von Diyarbakir, Van und Kars haben die HDP-Kandidaten zwar mit deutlichem Stimmenvorsprung die Kommunalwahlen für sich entschieden - sie erhielten dennoch keine offizielle Genehmigung von der Hohen Wahlkommission, ihr Amt anzutreten. Die Behörde entschied stattdessen, dem zweitplatzierten Kandidaten der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan das Bürgermeisteramt zu übergeben.

Gegen die fünf HDP-Kandidaten wurde schon vor der Wahl ein sogenanntes Notstandsdekret von der Regierung erlassen, das heißt, sie wurden aus dem Staatsdienst verbannt. Verordnungen dieser Art wurden nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 eingeführt. Sie ermöglichen es, Staatsbedienstete zu entlassen oder zu suspendieren, sobald ein vager Terror-Verdacht vorliegt. Hätten die fünf Kandidaten überhaupt zur Wahl antreten dürfen?

"Im krassen Widerspruch zur türkischen Verfassung"

Laut des HDP-Abgeordneten Rüstu Tiryaki, der seine Partei in der Hohen Wahlkommission vertritt, hätte das Gremium die HDP über die Suspendierung und ihre Folgen informieren müssen. "Es wurden keinerlei Warnungen ausgesprochen". Zudem betonte er, dass es im Wahlgesetz keine Regelung gibt, die es Personen, die per Dekret suspendiert wurden, verbietet zu kandidieren.

Der Rechtsprofessor und Abgeordnete der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Ibrahim Kaboglu, erklärte der DW, dass die Wahlkommission geordnete Wahlen sicherstellen müsse, aber nicht das Recht habe, den Willen der Wählerschaft zu ignorieren. "Die Entscheidung der Wahlkommission steht im krassen Widerspruch zur türkischen Verfassung", urteilt er.

Türkei Istanbul Demonstration
Mithat Sancar möchte Einspruch erhebenBild: DW

"Wahlkommission Teil einer Verschwörung"

Der HDP-Abgeordnete Mithat Sancar ist empört. "Die Entscheidung entspricht weder der Vernunft, noch dem Gesetz noch der Moral. Es ist einfach schrecklich, dass jetzt der zweitplatzierte Kandidat Bürgermeister wird." Der HDP-Sprecher Saruhan Oluc wählte noch drastischere Worte: "Die Wahlkommission ist wohl jetzt auch ein Teil der Verschwörung, fest an der Seite von (rechtsextremen) MHP und der AKP". Kritiker bescheinigen der Hohen Wahlkommission eine große Nähe zur AKP-Regierung. Sie hätte sich bei den Wahlen in den letzten Jahren immer wieder auf die Seite der AKP gestellt, lautet ein häufiger Vorwurf.

Abberufung durch Zwangsverwalter oder Notstandsdekret?

Zudem hat HDP-Sprecher Oluc den Ausschluss der HDP-Kandidaten per Dekret mit einer "Zwangsverwaltung" verglichen. "Wenn die Gewählten keine Genehmigung erhalten und stattdessen die Verlierer ins Rathaus einziehen, dann ist das nichts anderes als eine Zwangsverwaltung", so Oluc.

Der jüngste Umgang mit Oppositionskandidaten bei der Kommunalwahl erinnert viele Kurden an das Vorgehen der Regierung in den vergangenen Jahren, als Zwangsverwalter in die kurdischen Gebiete geschickt wurden. Seit 2016 hat Erdogan in 97 kurdischen Gemeinden Bürgermeister und Gemeindevorstände durch AKP-nahe Vertreter ersetzt. Die türkische Regierung beschuldigte die HDP-Bürgermeister, mit der kurdischen Terrororganisation PKK zu kooperieren; 40 von ihnen sitzen bis heute in Untersuchungshaft. Ausschlaggebend war auch, dass PKK-Milizen im Sommer 2015 mehrere Städte besetzten und zu autonomen Zonen erklärten - dadurch sah sich die türkische Regierung zum Handeln gezwungen.

Zwar konnte die HDP jetzt bei den Kommunalwahlen knapp 50 Gemeinden von der AKP wieder zurückerobern. Doch trotz der guten Wahlergebnisse glauben wenig Kurden an Selbstbestimmung. Denn Präsident Erdogan deutete bereits während des Wahlkampfes an, dass die Zwangsverwalter ihre Arbeit fortsetzen werden.