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Kurze Atempause

Alexander Kudascheff, Brüssel 23. Oktober 2002

Wieder einmal hat die EU eine Krise bewältigt - den Iren sei Dank. Doch der nächste Stolperstein für die Europäer wartet schon, berichtet DW-Korrespondent Alexander Kudascheff aus Brüssel.

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Europa atmet auf. Die Iren haben Ja zum Vertrag von Nizza gesagt, der die Geschäftsgrundlage für die erweiterte europäische Union der bald 25 und mehr Mitglieder sein soll. Im zweiten Anlauf zwar erst, aber immerhin. Damit ist klar: Der Gipfel von Brüssel am Donnerstag und Freitag wird kein Krisengipfel.

Es wird kein Gipfel, auf dem über die undankbaren Iren lamentiert werden muss. Es wird kein Gipfel, auf dem der Traum der europäischen Einheit am sturen Nein von drei Millionen wahlberechtigten Iren scheitert. Deswegen kann Europa aufatmen. Eine Krise zumindest ist umschifft . Doch die nächste steht - für die krisenerprobten Europäer allerdings kein Novum - vor der europäischen Ratstür. Es geht um das Wichtigste in Europa, es geht um die Landwirtschaft. Sollen die ungarischen, lettischen, tschechischen, slowenischen und vor allem polnischen Bauern genausoviel Geld bekommen wie die französischen, spanischen, italienischen, portugiesischen? Oder soll der Deckel auf dem Geldtopf gehalten werden - also die Bauern in der alten EU Geld abgeben, damit die Bauern in den Beitrittsländern genug bekommen?

Was überhaupt ist genug? Genau so viel wie Bauern im Burgund oder nur 25% davon, weil sonst ein polnischer Nebenerwerbsbauer mehr verdient als ein Universitätsprofessor? Und soll Deutschland auf jeden Fall wieder mehr bezahlen als alle anderen, schließlich geht es nur, - angeblich nur - um zwei Milliarden Euro, ein Klaks für den insolventen deutschen Finanzminister. Und die Deutschen verdienen ja am meisten an der Erweiterung - also sollen sie auch am meisten zahlen. Eine verdächtige Logik, gegen die sich Berlin wehrt. Und es steht nicht einmal allein.

Denn Holland will auch erst eine Reform der molochartigen europäischen Landwirtschaftspolitik, die jährlich mehr als 45 Milliarden Euro verschlingt - für Butter, Rindvieh, Weizen, Äpfel, Wein, Landschaftspflege, Schweine, Export-und Importsubventionen, Preistützungskäufe, Vernichtungen, Lagerungen und so weiter. Auch Holland findet: Uns sind die Landwirte viel wert, aber sie sind jetzt zu teuer.

Was also tun? Sich einigen, sonst fliegt die Erweiterung der EU um die Ohren. Und wann? Entweder jetzt in Brüssel oder demnächst auf einem Sondergipfel, oder erst im Dezember in Kopenhagen. Dann allerdings gerät der Zeitplan unter Druck - und die EU in eine ihrer beliebten Krisen. Aufregende Monate also für die EU. Die heiße, die kritische, die entscheidende Phase beginnt jetzt. Das Ja der Iren war die letzte Chance zum Luftholen. Auch das ist Europa.