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Kyrtsos: Grexit möglich

Bernd Riegert22. Januar 2015

Der konservative Europa-Abgeordnete Georgios Kyrtsos sieht einen Wahlsieg der Linken in Griechenland gelassen. Am Ende werde auch die Linke die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen, sagt er im DW-Interview.

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Georgios Kyrtsos, Abgeordneter der Nea Demokratia (Foto: DW/Riegert)
Bild: DW/B. Riegert

Deutsche Welle: Die radikale linke Partei "Syriza" führt in den Meinungsumfragen für die Wahl am Sonntag in Griechenland. Ihre Partei, die konservative "Neue Demokratie", die bislang den Ministerpräsidenten stellte, liegt zurück. Woran liegt das? Haben die Griechen die Sanierungspolitik, die Austeritätspolitik einfach satt?

Georgios Kyrtsos: Sie müssen sehen, dass Griechenland ein einmaliger Fall ist. Wir haben ein Anpassungsprogramm begonnen nach dem sogenannten Memorandum, um die rettenden Kredite zu bekommen. Aber wir haben das Programm nicht zu Ende gebracht. Im Gegensatz dazu haben wir zum Beispiel Portugal. Portugal hat sein Anpassungsprogramm durchgezogen und kann sich wieder an den internationalen Finanzmärkten versorgen. Noch besser hat das in Irland geklappt. In Griechenland dagegen haben wir nun seit über vier Jahren dieses Spar- und Reformprogramm angewendet. Das ist Weltrekord, aber wir haben es nicht beendet und die Ergebnisse sind nicht so gut wie erwartet. Darum haben die Griechen jetzt die Nase endgültig voll.

Wer ist schuld daran, dass das so lange gedauert hat? Hat die Europäische Union Fehler gemacht, war das Programm nicht richtig oder ist das Problem in Griechenland einfach so groß?

Ich denke, es gibt drei Probleme. Zunächst einmal war unser Schuldenproblem am Anfang viel größer. Darum haben wir ja dreimal so viele Hilfskredite geliehen als die anderen Programmländer. Wir waren wirklich bankrott. Noch bankrotter als die anderen. Das Rettungsprogramm selbst hatte ein paar Schwachpunkte, sage ich als früherer Ökonom und Journalist. Es hat auf Besonderheiten in Griechenland keine Rücksicht genommen. Dann hatten wir natürlich enorme Probleme bei der Umsetzung der Sparmaßnahmen. Statt die Ausgaben zu senken, haben die Regierungen, auch die konservative, mit hohen Steuern gegen die Interessen ihrer traditionellen Wähler gehandelt, also kleine Unternehmer, Handwerksmeister oder Hausbesitzer. Wenn man diese Fehler macht, muss man jetzt den Preis dafür bezahlen.

"Syriza" verspricht jetzt im Wahlkampf ein Ende der Sparmaßnahmen, Nachverhandlungen mit den Kreditgebern und sogar eine internationale Konferenz zum Schuldenerlass. Glauben Sie, dass es dazu kommen wird?

Nein. Das wird nicht passieren. "Syriza" macht zu viele Versprechen. Natürlich gibt es im griechischen Wahlkampf eine Art Tradition, alles zu versprechen, und die tatsächliche Politik nach der Wahl ist dann komplett anders als die versprochene. Ich muss Ihnen sagen, dass bis zum Jahr 2011 meine eigene Partei, die "Neue Demokratie", gegen das Memorandum, das Rettungskonzept, Wahlkampf gemacht hat. Und nach der Wahl von 2012 haben wir das Programm selbst angewendet: Das nenne ich eben griechische Besonderheiten. "Syriza" hat in diesem Zusammenhang schon große Fehler gemacht. Sie haben versprochen, 50 Prozent der Schulden zu streichen. Das ist unglaubwürdig. Niemand wird das hinnehmen. Alle Regierungen in der Euro-Zone sagen, das komme nicht in Frage. "Syriza" hat versprochen, dass sie Bedürftigen Sozialleistungen, höhere Löhne und Renten im Wert von insgesamt 11,5 Milliarden Euro jährlich zukommen lassen will. Das ist nicht zu finanzieren. "Syriza" verspricht also viel, aber am Tag nach der Wahl wird das vollständig anders sein.

Denken Sie, dass es eine wirkliche Gefahr gibt, dass Griechenland die Euro-Zone verlassen könnte und eine neue Währung einführt, um mit den Problemen fertig zu werden?

Fast alle wollen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt. Ich lese natürlich Umfragen aus Deutschland, wonach 68 Prozent der Befragten für einen "Grexit" sind. Das ist schon beeindruckend. Die Regierungen wollen Griechenland aber in der Euro-Zone halten. Um den Euro zu behalten, muss Griechenland in der Euro-Zone aber wirtschaftlich leistungsfähig sein. Bisher ist das Land nicht ausreichend leistungsfähig. Mit "Syriza" an der Regierung wird das höchstens noch schlechter. Es wird eine kritische Zuspitzung geben: Entweder "Syriza" macht eine politische Kehrtwende nach der Wahl, oder die Regierungen der Euro-Zone müssten ihre Regeln ändern. Wenn beide Seiten auf ihren maximalen Standpunkten beharren, dann wird es in irgendeiner Form zum "Grexit", zum Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, kommen. Ich kann nicht vorhersagen, wie oder wann das passiert, aber es ist offensichtlich, dass nichts mehr funktionieren wird.

Sie haben die deutsche Debatte zum "Grexit" erwähnt. Es ist eine sehr deutsche Debatte. Nirgendwo sonst in der EU ist sie so heftig. Hat Ihnen diese Debatte im Wahlkampf geholfen, hat sie geschadet oder hat sie keine Rolle gespielt?

Ja, in Griechenland macht jeder Bundeskanzlerin Angela Merkel für alles verantwortlich. Die öffentliche Meinung in Griechenland wurde darauf trainiert, Merkel zu hassen. Und natürlich wurde die öffentliche Meinung in Deutschland darauf trainiert zu denken, dass die Griechen nicht genug arbeiten. Das ist eines der Probleme der europäischen Integration. Es gibt keine europäische Öffentlichkeit. Es gibt eine deutsche, eine griechische, eine französische Sicht auf die Dinge. Und die Wege, die da beschritten werden, gehen sehr weit auseinander.

Georgios Kyrtsos ist seit Mai 2014 Europaabgeordneter für die konservative "Neue Demokratie". Der ehemalige Journalist und Herausgeber von inzwischen eingestellten Zeitungen ist ausgebildeter Ökonom. Kyrtsos kandidierte 2012 für eine rechtspopulistische Partei. In seiner Jugend war er kurzzeitig Mitglied der Kommunistischen Partei Griechenlands.

Das Gespräch führte Bernd Riegert.