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Längst überfällig

8. September 2007

Das polnische Parlament hat mit der Selbstauflösung den Weg zu Neuwahlen freigemacht - die Chance für einen dringend benötigten Neuanfang in der polnischen Politik, meint Hubert Wohlan.

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Bild: DW
Hubert Wohlan
Hubert Wohlan

Es war höchste Zeit, dass sich das polnische Parlament selbst aufgelöst hat. Hätten die Abgeordneten noch länger damit gewartet, wäre der Reputationsverlust der Volksvertreter und der Schaden für die Demokratie noch größer, als er es ohnehin schon ist. Mit der Selbstauflösung des Sejms geht in Polen eine politische Krise zu Ende, die ihren Höhepunkt mit dem Bruch der Koalition vor drei Wochen erreichte. Dabei war bereits im Juli klar, dass diese Koalition in den letzten Zügen lag.

Regieren vergessen

Die letzten Wochen jener politischen Agonie waren unter anderem von der Verhaftung des Innenministers, des obersten Kommandanten der Polizei und der Entlassung mehrerer Minister bestimmt. Dies alles wurde als Kampfmittel gegen die Korruption deklariert. In der Endphase seiner Regierungszeit war Premierminister Jaroslaw Kaczynski in solchem Maße mit der Bekämpfung der Korruption beschäftigt, dass er das Regieren vergessen hatte.

Die zweijährige Regierungszeit der Kaczynski–Partei, die unter der Losung einer moralischen Erneuerung, der Ausrottung der Korruption und der Schaffung eines starken Staates begann, endete blamabel. Die moralische Erneuerung misslang und die politische Kultur im Lande ist stark beschädigt worden. Alleine die Tatsache, dass die beiden Brüder Kaczynski die zwei wichtigsten Verfassungsorgane des Landes unter sich aufgeteilt haben und somit die Idee der Gewaltenteilung arg verletzten, hat das Ansehen Polens ramponiert.

Fatales Erbe

Die tägliche Regierungspraxis und die mitunter im Schnellverfahren verabschiedeten Gesetze sind nicht nur vom polnischen Verfassungsgericht kritisiert worden. Auch das Europäische Parlament hat sich mehrere Male besorgt geäußert. Das fatale Erbe dieser Regierung ist am deutlichsten an den stark beschädigten deutsch–polnischen Beziehungen festzumachen. Was die polnischen und deutschen Regierungen seit 1989 an Vertrauen und Kooperation aufgebaut haben, gelang den Kaczynski–Brüder innerhalb von zwei Jahren weitgehend zu zerstören.

Die Neuwahlen finden am 21. Oktober statt. Deren Ausgang ist aber ungewisser den je. Die Kaczynski–Partei "Recht und Gerechtigkeit" ist heute viel stärker als vor zwei Jahren. Ihr Parteiapparat ist professioneller und die Schar der Mitläufer größer; ihr Programm ist einfach und verständlich und trägt viele populistische Züge. Die Konkurrenz ist schwach. Die wirtschaftsliberalen Parolen der oppositionellen Bürgerplattform stoßen – wenn überhaupt –eher in gebildeten Kreisen der Großstädter auf Resonanz. Die Linke – immer noch unter dem Makel ihres kommunistischen Erbes leidend – braucht dringend frische Ideen und Persönlichkeiten.

Der politische Rest wurde in den vergangenen zwei Jahren marginalisiert und wird wohl nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Alles spricht also für den Erfolg der Kaczynski–Partei. Doch auch sie wird nicht allein regieren können; sie braucht willige Ehepartner. Keine guten Aussichten nach den Erfahrungen der letzen zwei Jahre. Vor uns liegen aber die entscheidenden Wochen des Wahlkampfes, die noch vieles ändern können.