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Schwache Kriegswaffenkontrolle

Alexander Drechsel30. Mai 2013

Deutschland rühmt sich "strenger, restriktiver Regeln" für den Export von Waffen. Doch es tauchen immer wieder deutsche Kriegswaffen in Gebieten auf, wo sie gar nicht sein dürften. Was steckt dahinter?

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Soldat mit einem deutschen Heckler-und-Koch-G36-Gewehr (Foto: AFP)
Bild: Joel Saget/AFP/Getty Images

Egal welche Parteienkoalition in den vergangenen Jahren die Bundesregierung stellte, alle betonten, dass Deutschland besonders strenge Regeln für den Verkauf von Kriegswaffen ins Ausland habe. Trotzdem sorgen im Ausland eingesetzte Waffen "Made in Germany" regelmäßig für Schlagzeilen. Die Empörung schlägt besonders hohe Wellen, wenn Sturmgewehre oder andere militärisch nutzbare Kleinwaffen aus deutscher Produktion in Krisen- und Kriegsgebieten auftauchen. Denn eigentlich sollen die strengen Regeln verhindern, dass auf der Welt deutsche Kriegswaffen in Konfliktregionen oder zur Unterdrückung von Menschen benutzt werden.

Wie also kommen die Waffen dorthin, wo sie eigentlich nicht sein dürfen? Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern spielt der klassische Schmuggel aus Deutschland heraus allenfalls eine untergeordnete Rolle - auch wenn die Statistik des Zolls zunächst etwas anderes vermuten lassen könnte. Sowohl 2011 als auch 2012 wurden an deutschen Grenzen jeweils rund 5100 illegale Kriegswaffen beschlagnahmt. Im zuständigen Zollkriminalamt in Köln schätzt man jedoch, dass nur in rund zehn Prozent der Fälle versucht wurde, Waffen aus Deutschland heraus zu schmuggeln. Der deutlich größere Anteil von etwa 90 Prozent wird demnach entdeckt, wenn beispielsweise Waffennarren Sturmgewehre, Maschinenpistolen oder ähnliches illegal nach Deutschland einführen wollen.

Illegale Waffen waren ursprünglich genehmigt

Tatsächlich führen die Spuren illegaler deutscher Waffen im Ausland eher zu Schwächen in der Genehmigungspraxis, die von der Bundespolitik vorgegeben wird. Zwei Beispiele belegen, dass Sturmgewehre, die widerrechtlich in Konfliktregionen eingesetzt wurden, aus ursprünglich genehmigten Exportlieferungen stammten.

So nutzte die mexikanische Polizei deutsche Sturmgewehre des Typs G36 in Bundesstaaten, in denen ein Drogenkrieg tobt und die Polizei selbst von der Zentralregierung in Mexiko-Stadt als Teil des Problems gesehen wird. Das für die Exporterlaubnis verantwortliche deutsche Bundeswirtschaftsministerium hatte zwar einen Verkauf von G36-Gewehren nach Mexiko genehmigt, jene Unruheprovinzen von der Lieferung aber ausgeschlossen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch gegen den deutschen Hersteller der G36-Gewehre, die Firma Heckler & Koch. Das Unternehmen teilte der Deutschen Welle mit, dass für den Verstoß einzelne Mitarbeiter verantwortlich seien, die mittlerweile die Firma verlassen hätten.

Werksgebäude des Waffenherstellers Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar (Foto: dpa)
Hersteller des G36-Gewehrs: Die deutsche Firma Heckler & KochBild: picture-alliance/dpa

Auch in einem zweiten Beispiel ist die Waffenschmiede in Oberndorf der Ausgangspunkt: Im Jahr 2011 tauchten G36-Gewehre im libyschen Bürgerkrieg auf. Heckler & Koch ließ seinerzeit wissen, dass Libyen nie Exportziel gewesen sei. Die Sturmgewehre seien 2003 legal nach Ägypten geliefert worden. Wie die G36, die theoretisch bis zu 750 Schuss pro Minute abfeuern können, nach Libyen gelangt seien, wisse man nicht. Auch in diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Schwachstelle "Endverbleibserklärung"

Allein diese beiden Fälle belegen, dass die deutschen Regeln offensichtlich löcherig sind. Oppositionspolitiker sehen eine große Schwäche im deutschen System in der sogenannten Endverbleibserklärung. Die muss ein Exporteur im Bundeswirtschaftsministerium einreichen, um Kriegswaffen überhaupt ins Ausland verkaufen zu dürfen. In dem Dokument versichern Lieferant und Empfänger, dass die Waffen nur im genehmigten Gebiet genutzt und nicht ohne deutsche Genehmigung weiterverkauft werden.

Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Foto: Büro Keul)
Katja Keul (Grüne): Forderung nach schärferer KontrolleBild: Bündnis 90/ DIE GRÜNEN

Eine staatliche Überprüfung der Angaben erfolgt nicht. Der Staat vertraut darauf, dass der Exporteur keine falschen Angaben macht oder der Empfänger deutsche Rüstungsgüter nicht ungefragt weiterverkauft.

"Die Endverbleibserklärung ersetzt keine Endverbleibskontrolle, das zeigen die beiden Beispiele", kritisiert Katja Keul, Bundestagsabgeordnete der Grünen, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auch der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Jan van Aken, bemängelt: "In Deutschland werden Rüstungsexporte nicht kontrolliert, sondern nur hervorragend verwaltet." Beide fordern eine Überprüfung im Zielland.

Partner, denen man vertrauen kann?

Erich Fritz, Mitglied der Regierungsfraktion von CDU und CSU, hält dagegen eine wirksame Kontrolle erfolgter Waffenlieferungen für nicht praktikabel. Eine lückenlose Nachverfolgung für die gesamte Lebensdauer einer Waffe könne es nicht geben. "Deshalb hängt die Frage sehr davon ab, dass man Partner hat, denen man auch vertrauen kann, die die gleichen Werte verfolgen." Fritz ist in der Unions-Fraktion für die Berichterstattung von Rüstungsgeschäften verantwortlich.

Bundestagsabgeordneter Erich G. Fritz (Foto: privat)
Erich Fritz (CDU): "Bundestag soll über Exportländer entscheiden"Bild: privat

Aber auch er sieht Mängel im deutschen Genehmigungssystem. Fritz will deshalb den Waffenverkauf von einer politischen Einschätzung abhängig machen. "Ich stelle mir vor, dass der Bundestag jedes Jahr eine sicherheits- und außenpolitische Debatte führt, die zu einer Bewertung führt, wo denn die Partner Deutschlands für die Sicherheitspolitik - jenseits von Nato und Europäischer Union - sind", so Fritz. "Gehört ein Land wie Brasilien oder Indonesien oder Indien zu einem Kreis von Partnern, dem man ähnlich vertraut wie Ländern in der Nato oder der Europäischen Union - oder wollen wir das nicht?"

Menschenrechte als besonderes Kriterium

Bislang findet diese Bewertung in deutschen Ministerien statt. Federführend ist das Wirtschaftsministerium. Jeder Exportantrag werde "sehr gründlich vor dem Hintergrund der Lage der Region" geprüft, teilt das Ministerium mit. "Besondere Bedeutung kommt der Achtung der Menschenrechte und der Einsatzmöglichkeiten der Güter zu." Die Grünen-Politikerin Keul ergänzt, dass das Auswärtige Amt für das Wirtschaftsministerium die Menschenrechtslage im Zielland einschätze und eine Empfehlung abgebe, ob geliefert werden sollte oder nicht.

Doch dieser Mechanismus funktioniert nur eingeschränkt. Denn 2008 genehmigte das Wirtschaftsministerium, dass deutsche G36-Gewehre auch in Saudi-Arabien produziert werden dürfen. Dabei hatte das Auswärtige Amt in seinem damals aktuellen 8. Menschenrechtsbericht dem Land eine "unverändert problematische" Lage bescheinigt: Hinrichtungen auf Höchststand, Unterdrückung von Frauen und oppositionellen Meinungen, Zensur und erzwungene Geständnisse sind nur einige Punkte der damaligen Negativliste.

Bundestagsabgeordneter Jan van Aken (Foto: dpa)
Jan van Aken (Die Linke): "Kleinwaffenexporte verbieten"Bild: picture-alliance/dpa

Linken-Politiker van Aken will mit Exportverboten künftig verhindern, dass im Zweifelsfall das außenpolitische Interesse schwerer wiege als die Menschenrechte. Allzu oft gehe es um gute Beziehungen zu bestimmten Ländern: "Und diese Beziehungen pflegt man gerne eben auch mit Waffenexporten."