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Lage in Aleppo spitzt sich zu

27. Juli 2012

Angesichts des Aufmarschs von Regierungstruppen wird für Aleppo das Schlimmste befürchtet. Zu Tausenden verlassen Zivilisten die Stadt. UN-Generalsekretär Ban fordert Damaskus zum Stopp der Offensive auf.

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Syrischer Rebell mit Waffe läuft an Militärfahrzeugen vorbei (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Ich bin über die zunehmende Gewalt in Aleppo sehr besorgt", sagte Ban nach einem Treffen mit dem britischen Außenminister William Hague in London. Die Regierungstruppen müssten ihre Offensive stoppen - "zum Wohle der leidenden Zivilisten".

Auch die französische Regierung warf dem Regime von Präsident Baschar al-Assad vor, in Aleppo ein weiteres Massaker anrichten zu wollen. Sie forderte die syrische Regierung auf, den Einsatz schwerer Waffen einzustellen und die Gewalt zu beenden.

Furcht vor Blutbad in Aleppo

Das syrische Regime hat in der Nacht zu Freitag weitere Truppen vor Aleppo, der Finanzmetropole des Landes, in Stellung gebracht. Ebenso die Aufständischen, deren örtlicher Kommandeur Abu Omar al-Halebi per Telefon der Nachrichtenagentur dpa sagte, die Rebellen seien "bereit für die Mutter aller Schlachten".

Kampf um Aleppo - Angst vor neuem Massaker

Zusätzlich zu den 2500 Rebellen, die schon in Aleppo gewesen seien, habe man weitere 3000 Kämpfer aus anderen Landesteilen zur Verstärkung anrücken lassen, so der Kommandeur. Die Rebellen hätten Blockaden und Straßensperren, aber auch Feldlazarette errichtet.

Einwohner fliehen in Richtung Türkei

Die Aufständischen sollen etwa die Hälfte der Metropole im Nordwesten Syriens kontrollieren. Das wurde vom Regime um Machthaber Baschar al-Assad zwar nicht offiziell bestätigt. Doch die Ankündigung aus syrischen Sicherheitskreisen von Donnerstag, in Aleppo eine großangelegte Gegenoffensive zu starten, kann wohl als indirekte Bestätigung der aktuellen Machtverhältnisse in dem früheren Wirtschaftszentrum gewertet werden.

Angesichts der drastischen Zuspitzung der Lage fliehen die Bewohner Aleppos zu Tausenden aus der Stadt und versuchen, sich in der ländlichen Region nahe der türkischen Grenze in Sicherheit zu bringen. Sie haben das grausame Vorgehen der Regierungstruppen in den vergangenen Monaten vor Augen, und viele erinnern sich auch an das Massaker vor 30 Jahren in der Stadt Hama. 1982 war die Armee unter Assads Vater, Hafis al-Assad, gegen Syriens Muslimbrüderschaft vorgegangen, die ihr Zentrum in Hama hatte. Geschätzte 10.000 bis 30.000 Menschen wurden bei dem Massaker getötet, das historische Zentrum der Stadt fast völlig zerstört.

USA warnen vor möglichem Massaker

Droht jetzt eine ähnlich grausame Massentötung in Aleppo? Das US-Außenministerium warnte bereits vor einem neuen Massaker in der umkämpften Wirtschaftsmetropole. Das Regime setze Panzer und Kampfflugzeuge und -hubschrauber gegen die Rebellen ein, sagte eine Ministeriumssprecherin. "Es besteht die Sorge, dass wir in Aleppo ein Massaker sehen werden, und dafür scheint das Regime in Aufstellung zu gehen." Die offenbar bevorstehende Offensive sei ein "verzweifelter" Versuch des Regimes, die schwindende Kontrolle im Land wiederzuerlangen.

Auch die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, Navi Pillay zeigte sich "zutiefst alarmiert" über die wachsende Gefahr für Zivilisten. Bei dem Vorgehen der Armee könne man ein Muster erkennen: Assad versuche, die von Rebellen kontrollierten Gebiete durch massiven Beschuss, den Einsatz von Panzern und Durchsuchungen Haus für Haus zurückzugewinnen. Die UNESCO forderte derweil die Konfliktparteien in Syrien auf, wichtige Kulturstätten nicht zu beschädigen. Die UN-Kulturorganisation fürchtet auch um den historischen Kern von Aleppo. Die Altstadt zählt zum UNESCO-Welterbe.

Erneut heftige Kämpfe

Laut Augenzeugen wird in einigen Vierteln Aleppos wieder heftig gekämpft. Nach Angaben von Aktivisten und der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beschoss die Armee aus Kampfhubschraubern heraus mehrere Viertel im Süden und Südwesten der Stadt. Auch im Zentrum gebe es Gefechte. Ob das bereits der Beginn der angekündigten Großoffensive ist, blieb unklar.

Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, eine syrische Abgeordnete habe sich über die Grenze abgesetzt. Die Politikerin Ichlas Badawi saß für die herrschende Baath-Partei im Parlament und vertrat dort die Stadt Aleppo. Sie ist damit die erste Abgeordnete des in diesem Mai unter Regimeaufsicht gewählten Parlaments, die sich von der Führung in Damaskus lossagte. "Ich habe mich in die Türkei begeben, aus Protest gegen Unterdrückung und bestialische Folter, die gegen das Volk in Syrien angewendet werden", sagte Badawi dem Satellitensender Sky News Arabia.

Westerwelle: Zeit Assads geht vorüber

Bundesaußenminister Guido Westerwelle übte in einem Fernseh-Interview erneut heftige Kritik an der Haltung Russlands und Chinas gegenüber Syriens Präsident Assad. Er rief im ZDF beide Staaten auf, ihre "schützende Hand von dem Regime Assad wegzuziehen". Moskau und Peking müssten einsehen, dass die Zeit des Assad-Regimes vorüber gehe und die Erosion längst begonnen habe. Beide Länder blockierten bislang alle Versuche des UN-Sicherheitsrats, die anhaltende Gewalt in Syrien zu verurteilen und der Führung in Damaskus mit Sanktionen zu drohen. Diese Blockadehaltung sei "alles andere als gut" und "sehr kritikwürdig", sagte Westerwelle.

Der Minister kündigte zudem an, Deutschland werde die humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge um drei Millionen auf elf Millionen Euro aufstocken. Die UN nannten zuletzt eine Zahl von etwa 120.000 Flüchtlingen in Syriens Nachbarländern. Innerhalb der Landesgrenzen sollen weitere Hunderttausende auf der Flucht sein.

kis/se (dpa, dapd, afp, rtr, epd)