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Bundespräsidentenwahl

Kay-Alexander Scholz16. März 2012

Bereits zum zweiten Mal stellt sich Joachim Gauck in der Bundesversammlung zur Wahl. 2010 unterlag er Christian Wulff. Dieses Mal hat er beste Chancen, zum deutschen Staatsoberhaupt gewählt zu werden.

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Nach der Verkündung des dritten Wahlganges gratuliert Joachim Gauck, Kandidat von SPD und Grünen für das Amt des Bundespräsidenten dem neuen Bundespräsidenten Christian Wulff am Mittwoch (30.06.2010) in Berlin. Foto: Rainer Jensen dpa
Joachim Gauck gratuliert Christian WulffBild: picture-alliance/dpa

Wenn alles nach Plan läuft, könnten die Mitglieder der Bundesversammlung den Berliner Reichstag schon gegen halb drei Uhr wieder verlassen, nach nur zweieinhalb Stunden Sitzung - und einen frühlingshaften Sonntagnachmittag genießen. Es ist mit einer schnellen Wahl zu rechen, denn Deutschland wählt in drei Jahren bereits zum dritten Mal einen neuen Bundespräsidenten.

Verfassungsgemäß dauert dessen Amtsperiode zwar fünf Jahre, und eine Wiederwahl für weitere fünf Jahre ist möglich, sodass derselbe Amtsträger bis zu zehn Jahren an der Spitze der Bundesrepublik stehen könnte. So weit die Theorie.

Ganz anders dagegen jüngst die Praxis: Christian Wulff verabschiedete sich nach nur 598 Tagen aus dem Amt - wegen einer Kredit-, Medien- und Schnäppchenaffäre. Seine Amtszeit war die kürzeste in der Geschichte der Bundesrepublik.

Doch auch Wulffs Vorgänger Horst Köhler war im Jahr 2010 kurz nach Antritt seiner zweiten Amtsperiode überraschend zurückgetreten - nach einem umstrittenen Interview zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.

Umbauten im Reichstag

Allein die Bundesversammlung einzuberufen, kostet jedoch eine Million Euro und bedeutet viel Arbeit: Handwerker müssen im Plenarsaal des Reichstags die Abgeordnetensessel durch schmalere Metallstühle ersetzen. Denn neben den derzeit 620 Bundestagsabgeordneten muss Platz für die Delegierten der 16 Bundesländer geschaffen werden, also für 620 weitere Personen. Zu diesen insgesamt 1240 Mitgliedern der Bundesversammlung kommen dann noch 89 Ersatzdelegierte hinzu.

Berlin/ Ein Mitarbeiter einer Umzugsfirma traegt am Dienstag (13.03.12) im Plenarsaal des Bundestags in Berlin einen Stuhl. Die Arbeiten finden im Rahmen der Vorbereitungen auf den 18. Maerz statt, an dem im Plenarsaal des Bundestages die Bundesversammlung zur Wahl des neuen Bundespraesidenten zusammenkommt. Foto: Clemens Bilan/dapd
Bundesversammlung Umbauarbeiten im BundestagBild: dapd

Vor der Bundespräsidentenwahl

Die Gesamtzahl der Länderdelegierten richtet sich nach der jeweiligen Einwohnerzahl. Ihre Zusammensetzung spiegelt das politische Kräfteverhältnis in den jeweiligen Landtagen wieder. Das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen schickt mit 133 Wahlmännern und -frauen die meisten Personen nach Berlin. Aus Bremen reist die kleinste Delegation an: Sie umfasst nur fünf Mitglieder.

Platzprobleme

Obwohl bei einer Bundesversammlung alles genau geregelt ist, gibt es diesmal auch offene Fragen. Zum Beispiel: Wo soll Joachim Gauck - als gemeinsamer Kandidat von CDU, CSU, SPD, FDP und den Grünen - eigentlich sitzen? Er ist nicht Mitglied der Bundesversammlung, müsste also möglicherweise auf der Besucher-Tribüne Platz nehmen.

Gaucks wenig aussichtsreiche Gegenkandidatin von der Linkspartei, Beate Klarsfeld, wird inmitten der Parteimitglieder sitzen, die sie für die Wahl aufgestellt haben. Doch für welche Fraktion soll sich der Kandidat Joachim Gauck entscheiden, der von allen anderen Parteien im Bundestag vorgeschlagen wird? Oder wird er gar neben jener Kanzlerin auf das Wahlergebnis warten, die ihn 2010 noch abgelehnt hatte?

Beate Klarsfeld (Foto: dapd)
Beate Klarsfeld will für die Linkspartei gegen Joachim Gauck antretenBild: dapd

Der NPD-Kandidat Olaf Rose wird wohl auf der Besucher-Tribüne Platz nehmen. Wo die drei NPD-Wahlmänner sitzen sollen, ist ebenfalls noch strittig. Die Union und die Grünen haben eine räumliche Nähe zu den Rechtsextremisten abgelehnt, da sie Angehörige von Opfern fremdenfeindlicher Anschläge unter ihren Wahlleuten haben. Möglicherweise soll zudem auf eine Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten in der Bundesversammlung verzichtet werden, um zu verhindern, dass sich der NPD-Kandidat öffentlich präsentieren kann.

Stimmen für das Staatsoberhaupt

Schon 2010 trat Joachim Gauck für Sozialdemokraten und Grüne an, musste sich aber im dritten Wahlgang Christian Wulff geschlagen geben. Am 19. Februar 2012 wurde er erneut nominiert - diesmal als gemeinsamer Kandidat von CDU/CSU, FDP, SPD und den Grünen.

Kurz nach dem offiziellen Start seiner zweiten Kandidatur begann eine Vorstellungsrunde bei den Fraktionen im Bundestag. Gauck reiste auch zur CSU nach Bayern, besuchte den Landtag in Stuttgart und das Abgeordnetenhaus in Berlin. Ebenso stellte er sich der FDP-Spitze vor. "Mit dem früheren DDR-Bürgerrechtler werde es gelingen, verloren gegangenes Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen", sagte FDP-Chef Philipp Rösler nach dem Treffen.

Mindestens 621 Stimmen

Erreicht Gauck am Sonntag beim ersten Wahlgang die absolute Mehrheit in der Bundesversammlung - also mindestens 621 Stimmen - folgt die Frage, ob er die Wahl annehme. Mit seiner Bestätigung wird aus dem Privatmann dann der oberste Repräsentant Deutschlands. Nach einer kurzen Ansprache des neuen Bundespräsidenten wird Norbert Lammert die Schlussworte halten. Mit der Nationalhymne schließt die Bundesversammlung.


Wenig Prominenz im Reichstag

Die 15. Bundesversammlung verspricht eine eher 'technische' Veranstaltung zu werden, weder politisch spannend, noch besonders glamourös: Normalerweise nominieren die Parteien Prominente aus Kultur, Sport und Wirtschaft. Diesmal aber werden fast nur Berufspolitiker anwesend sein. Zu den wenigen aus dem Showgeschäft bekannten Gesichtern zählen die Schauspielerin Senta Berger, der Fußball-Trainer Otto Rehhagel und der Filmregisseur Sönke Wortmann.

Joachim Gauck im Februar bei einer Gedenkfeier für Opfer rechter Gewalt in Berlin (Foto: dapd)
Joachim Gauck im Februar bei einer Gedenkfeier für Opfer rechter Gewalt in BerlinBild: dapd

Und auch sie werden kein Interesse an einem zweiten oder dritten Wahlgang haben: Vor den Türen des Reichstags wird der Frühling warten - nach einem ungewöhnlich frostigen Winter, nicht nur für die Natur, sondern auch für die deutsche Politik.