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Langer Arm der Doping-Jäger?

Lutz Kulling13. Juli 2012

Tut das Internationale Olympische Komitee (IOC) genug im Kampf gegen Doping? Und wie sieht es bei der Umsetzung auf nationaler Ebene aus? Lutz Kulling mit einer Bestandsaufnahme vor den Spielen von London.

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IOC Präsident Jacques Rogge vor dem Mikrophon (Foto: AP)
IOC Präsident Jacques Rogge vor dem MikrophonBild: dapd

"Doping wird nie ganz verschwinden, denn Betrug ist ein Teil der menschlichen Natur", sagt IOC-Präsident Jacques Rogge. "Aber wir müssen Doping auf das geringstmögliche Niveau reduzieren – und genau das tun wir!" Klare Worte des belgischen Chef-Olympioniken, nur die Praxis lässt mitunter Zweifel zu: So werden seit den Spielen 2004 Blut- und Urinproben für jeweils acht Jahre tiefgefroren und eingelagert. Im Frühjahr wurde jedoch bekannt, dass bis dato keine einzige der fast 3.700 Proben von Athen nachgetestet worden war.

"Warum sollten wir und wonach sollten wir suchen?" Arne Ljungqvist, Chef der Medizinischen Kommission des IOC, gab sich zunächst denkbar gelassen: "Wir sehen hier keinen Handlungsbedarf, schließlich haben wir bereits beim ersten Mal eine vollständige Analyse durchgeführt!" Später reagierte das IOC allerdings auf geballte Kritik und deutete mögliche Nachtests an, bevor die Proben im August endgültig vernichtet werden sollen.

"Vergessene Proben" als vergebene Chancen

Dabei sind Experten wie der Kölner Dopingforscher Mario Thevis überzeugt, dass mit den heute deutlich verfeinerten Nachweismethoden die Chancen steigen, Doping-Sünder nachträglich zu überführen. Das wachsende Know-how in den Analyse-Labors ist aber für Sport-Funktionäre nur ein Anlass, die Entwicklung positiv zu sehen. "Die Instrumente im Anti-Doping-Kampf sind schärfer geworden, auch durch die bessere Umsetzung des WADA-Codes", erklärt etwa Michael Vesper. Er ist Generaldirektor beim Deutschen Olympischen Sportbund und Chef de Mission für London."Wir haben heute größere Chancen, Betrüger zu erwischen als noch vor wenigen Jahren."

David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping Agentur (WADA) (Foto: REUTERS)
WADA-Generaldirektor David Howman: gegen lebenslängliche Sperren für Doping-ErsttäterBild: Reuters

Eine Schlüsselrolle kommt dabei der schon erwähnten Welt-Anti-Doping-Agentur – kurz WADA – und ihren nationalen Ablegern zu. Gelegentlich mangelt es aber an Koordination, wie etwa die "Causa Erfurt" zeigt: Am dortigen Olympia-Stützpunkt hatte der Sportmediziner Andreas Franke jahrelang das Blut von Athleten einer UV-Bestrahlung unterzogen. Von Seiten der WADA hieß es zunächst, vor 2011 sei dies keine verbotene Methode gewesen – erst später ruderte man gegenüber den düpierten Kollegen aus Deutschland zurück.

Wenig hilfreich erscheint auch, dass der Internationale Sportgerichtshof CAS im letzten Oktober die sogenannte "Osaka-Regel" gekippt hatte. Nun tüftelt die WADA an einem gerichts-konformen Code, der mindestens für sechs Monate gesperrte Athleten von den jeweils folgenden Olympischen Spielen fernhalten soll: Besonders schwere Vergehen wie der Missbrauch von EPO und Steroiden könnten künftig eine automatische Sperre von vier – statt bisher zwei – Jahren nach sich ziehen.

Ringen um härtere Strafen und das nötige Geld

Noch drastischere Strafen für Ersttäter lehnt WADA-Generaldirektor David Howman aber ab. "Wenn Sie jemanden schon beim ersten Vergehen lebenslang ausschließen, wäre das wohl übertrieben." Zugleich rät der Neuseeländer, sich künftig auch auf das Umfeld von immer raffinierter vorgehenden Dopern zu konzentrieren. "Eltern, Trainer oder Anwälte sollten ebenfalls bestraft werden, wenn sie Athleten zum Fehlverhalten animieren", fordert Howman.

Zwecks Spurensuche vor Ort führte etwa die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) im letzten Jahr nahezu 9.000 Trainings- und Wettkampfkontrollen durch – allerdings fast nur mit preiswerteren Urin- statt den zumeist aussagekräftigeren Blutproben. Denn die Privatstiftung kämpft zunehmend mit klammen Kassen, wie die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann unlängst bestätigte: "Es droht eine Lücke von 1,35 Millionen Euro. Wenn diese nicht in Kürze geschlossen wird, werden wir entsprechend am Doping-Kontrollsystem zurückfahren müssen."

Auch ein Runder Tisch, zu dem der Bundesinnenminister als wichtigster Finanzier geladen hatte, war im Februar ohne konkretes Ergebnis geblieben. Immerhin nahm Gastgeber Hans-Peter Friedrich eine Hoffnung mit: "Dass wir angesichts der gemeinsamen Verantwortung auch an die Ministerpräsidenten der Länder appellieren, diesen Betrag namhaft aufzustocken."

Der us-amerikanische Radprofi Lance Armstrong (Foto: dpa)
Rückt nun doch wieder ins Visier der Dopingfahnder - Tour-Rekordsieger Lance ArmstrongBild: picture-alliance/dpa

Trendwende im Fall Armstrong?

Ende Mai wurde das Werben des CSU-Politikers erhört: Ausgerechnet die grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs sagte zu, die NADA in den kommenden drei Jahren mit 128.000 Euro zu unterstützen. Doch es gab zuletzt auch Rückschläge auf nationaler Ebene: So sprach das Deutsche Sportschiedsgericht Radprofi Patrik Sinkewitz vom Vorwurf des Dopings mit Wachstumshormonen frei und wies damit eine NADA-Klage ab.

Dagegen dreht die Schwester-Organisation in den Vereinigten Staaten derzeit am ganz großen Rad: Die USADA erhob Anklage gegen den siebenmaligen Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong wegen Blutdopings und anderer Vergehen. Einige Beweismittel gegen den heutigen Triathleten reichen angeblich bis ins Jahr 1996 zurück – damit könnten die Aberkennung sämtlicher Titel und eine lebenslange Sperre drohen. Sollte der Arm der Doping-Jäger also doch stärker und länger sein als bisher gedacht?