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Laotse in Brüssel

Alexander Kudascheff28. März 2007

Das Geburtstagsfest der EU in Berlin ist vorbei, jetzt geht das Verhandeln um die Verfassung weiter. Der Weg scheint dabei das Ziel zu sein.

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Der Fahrplan der nächsten Wochen steht fest: Bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft soll entschieden sein, wie man aus der durch die Verfassungskrise entstandenen Lähmung der EU herauskommt. Dabei ist klar: Ein Teil der EU-Staaten will soviel wie möglich von der Substanz der Verfassung erhalten, ein anderer Teil sowenig wie möglich. Sicher ist auch: Die im Konvent so intensiv entwickelte und euphorisch begrüßte Verfassung der EU liegt nicht im Koma, wie manche hoffen, sie ist politisch mausetot. Sie kann nicht reanimiert werden.

Die EU wird keine Verfassung bekommen. Bestenfalls eine Art europäisches Grundgesetz, wahrscheinlicher eine Art europäische Geschäftsordnung, die das Miteinander im Alltag des Clubs der 27 regelt. Und der Weg dahin - sei es schnell oder etwas langsamer - wird bereits viel darüber aussagen, was am Ende rauskommt. Im Prinzip kann man mit Laotse sagen: Der Weg ist das Ziel. Und er wird beschritten werden ab Juni dieses Jahres.

Turbostart fraglich


Die deutsche Kanzlerin will dabei eine rasche, konzentrierte Arbeit, die schnell von einer Regierungskonferenz gekrönt wird. Ein Ziel, das auch die Skeptiker haben könnten: denn sie wissen je schneller ein Ergebnis erzielt werden soll, desto kleiner wird der gemeinsame Nenner sein. Ambitionierte Ziele sind da kaum noch möglich. Aber selbst das ist ja fraglich. Denn anfangen kann Angela Merkel erst, wenn sie weiß, wer die französische Wahl gewonnen hat. Nicolas Sarkozy, der einen "minitraité" bevorzugt oder Ségolenè Royal, von der man gar nicht weiß, was sie will, was einen Turbostart nach der ersten Maiwoche ausschließt. Praktisch jedenfalls.

Es geht also eigentlich nur darum, die EU arbeitsfähig und erweiterungsfähig zu bekommen. Dafür braucht man vor allem einen vernünftigen Modus bei Mehrheitsentscheidungen. Das heißt, es muss klar sein, mit vielen Staaten und wie vielen Menschen man eine Entscheidung durchbringen oder blockieren kann. Denn Mehrheitsentscheidungen bedeutet: jede Mehrheit muss eine Mehrheit der Staaten der EU einschließen, aber auch - nur so ist es demokratisch legitimiert - eine Mehrheit der Europäer. Das war im Verfassungstext so vorgesehen - und genau das ist strittig. Jedenfalls wollen, wenn das Paket wieder aufgeschnürt wird, Tschechen, Polen, Ungarn, Dänen und Engländer gerne mehr rausholen als beim letzten Mal.


Geheimdiplomatie


Für Angela Merkel wird es ein Puzzle mit sehr vielen Teilen, aber sie ist ehrgeizig und sie steht nicht alleine. Sie kann überzeugen, sie kann sich durchsetzen, sie kann andere auf den Weg mitnehmen. Aber, man muss es befürchten, mit dem tschechischen Thatcheristen Klaus oder den nationalkatholischen Kaczynskibrüdern in Warschau wird es nicht einfach, vielleicht sogar unmöglich. Und genau deswegen ist die Geheimdiplomatie Merkels richtig: in dem sie nichts auf den öffentlichen Markt trägt, kann niemand sein Anliegen öffentlich zum nationalen Prestige erklären - von dem er dann nicht runter kommt. Damit steigen die Chancen, einen Fahrplan zu entwickeln, der der EU zu einer Geschäftsordnung verhilft. Aber - trotz allem Respekt, den Angela Merkel zurzeit erfährt, es ist nicht sicher ob sie erfolgreich sein wird.