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"Lass uns in Ruhe, Pakistan!"

Shamil Shams, Masood Saifullah 26. August 2015

Afghanistan ist am Ende seiner Geduld mit dem Nachbarn Pakistan und was es als dessen Politik der Einmischung und Destabilisierung sieht. Es gibt schon Rufe, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten.

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(Archiv) Demonstration in Afghanistan gegen Pakistan. (Foto: DW)
(Archiv) Demonstration in Afghanistan gegen PakistanBild: DW/F. Zahir

Was die Afghanen von Pakistan halten, ließ sich vor wenigen Wochen an den Reaktionen auf die Nachricht vom Tod des früheren pakistanischen Geheimdienstchefs Hamid Gul ablesen: In Kabul und anderen Städten kam es zu spontanen Freudenkundgebungen, Menschen tanzten auf der Straße. Zwar hat Gul in den 80er Jahren eng mit den USA und dem Westen zusammengearbeitet, um einen Sieg der Sowjets am Hindukusch zu verhindern. Aber seine Rolle in der post-sowjetischen Zeit ist den Afghanen in übler Erinnerung:

"Gul und der ISI (Pakistans militärischer Geheimdienst) haben dafür gesorgt, dass keine afghanische Regierung nach dem Abzug der sowjetischen Truppen Fuß fassen konnte", sagt Farooq Sulehria, pakistanischer Forscher und Journalist in London, gegenüber der DW. "Es war eine der schlimmsten Perioden in der afghanischen Geschichte, und Gul war ihr Architekt", urteilt Sulehria. Bis zu seinem Tod am 15. August 2015 blieb Gul ein treuer Unterstützer aller islamistischen Aufstandsbewegungen, seien es Taliban, Al Kaida oder der sogenannte "Islamische Staat."

Anschlag auf den Kabuler Flughafen im August 2015. (Foto: Reuters)
Anschlag auf den Kabuler Flughafen im August 2015Bild: Getty Images/AFP/S. Marai

"Pakistans doppeltes Spiel"

An der grundsätzlichen Einstellung Pakistans gegenüber Afghanistan habe sich nichts geändert, sagt Ahmad Zia Ferozpur, Dozent an der Universität von Balch in Masar-i Scharif. Es habe nur einmal eine Periode gegeben, in der Pakistan mit seinem Nachbarn einverstanden war, und das war während des Taliban-Regimes. "2001 hatte sich Islamabad zum gemeinsamen Kampf gegen die Taliban aufgrund des internationalen Drucks bereit erklärt. In Wirklichkeit betrieb es ein doppeltes Spiel, indem es gleichzeitig die Islamisten unterstützte", sagt Ferozpur.

Er betont, dass sich die Wut der Afghanen allein gegen das Militär und den Geheimdienst Pakistans richte, keineswegs gegen dessen Bevölkerung. Der afghanische Journalist Sadaf Gheyasi verweist darauf, dass die afghanische Regierung in der Vergangenheit stark die sozialen Medien eingesetzt habe, um der Bevölkerung Beweise für die die Einmischung Pakistans in die Angelegenheiten Afghanistans vorzulegen.

Shukria Baraksai, Abgeordnete im afghanischen Parlament, hält es dennoch für möglich, dass sich die Dinge unter der neuen afghanischen Regierung ändern. "Wir verlangen von Pakistan nichts Unmögliches: Wir wollen von Pakistan eine Neuverhandlung des Transitabkommens, das von der anderen Seite als Druckmittel gegen uns verwendet wird", sagt Baraksai gegenüber der DW. "Afghanistan hat wirklich alles versucht, um sich mit Pakistan ins Benehmen zu setzen. Wenn Pakistan seine Politik nicht ändert, bleibt uns als letztes Mittel, den UN-Sicherheitsrat anzurufen."

Pakistanischer Armeechef Raheel Sharif mit afghanischem Präsidenten Ashraf Ghani. (Foto: ARG)
Pakistanischer Armeechef Raheel Sharif mit afghanischem Präsidenten Ashraf GhaniBild: ARG

Islamabad setzt weiter auf Taliban-Karte

Islamabad seinerseits bekräftigt, es sei zur Zusammenarbeit bereit und wolle sich am Friedensprozess in Afghanistan beteiligen. Aber trotz mehrerer Gesprächsrunden zwischen Vertretern der Taliban und der afghanischen Regierung auf pakistanischem Boden gibt es keinen greifbaren Fortschritt. Präsident Ashraf Ghani hat Pakistan massiv kritisiert: "Wir hatten auf Frieden gehofft, aber statt dessen wird uns von pakistanischem Territorium aus der Krieg erklärt", sagte Ghani als Reaktion auf eine Serie von verheerenden Anschlägen in Kabul und andern Landesteilen am 10. August.

Westliche Beobachter sehen keine Wende in Pakistans Afghanistan-Politik: Deren Kernelement sei und bleibe die Unterstützung für die Taliban, über die sich Islamabad Einfluss in Kabul sichern wolle. Nicht zuletzt auch, um der wachsenden Präsenz Indiens in Afghanistan etwas entgegenzusetzen. Indien habe sich seit 2001 aktiv am Wiederaufbau Afghanistans beteiligt, sagt der Pakistaner Farooq Sulehria in London. Pakistan habe in dieser Hinsicht so gut wie nichts vorzuweisen, entsprechend massiv sei die Ablehnung des Nachbarn in Afghanistan, die er bei mehreren Besuchen erlebt habe.

Und was ist dem Argument von pakistanischer Seite, dass die afghanische Politik für ihr Scheitern auf fast allen Gebieten einen Sündenbock braucht, und den in Pakistan gefunden habe? Die Abgeordnete Shukria Baraksai sagt dazu: "Wir brauchen Pakistan überhaupt nicht als Sündenbock. Unsere Probleme mit Pakistan sind auch nicht nur politischer Natur, wir haben auch wirtschaftliche Differenzen mit dem Nachbarn. Afghanistan ist auch nicht das einzige Land, das Pakistan Einmischung in seine inneren Angelegenheiten vorwirft. Schauen Sie sich China, Indien, Bangladesch an, die haben alle ähnliche Probleme mit Pakistan."