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Politik

Lateinamerika: Handel ist optimistisch

Victoria Dannemann
20. Januar 2020

Demonstrationen, Streiks und politische Krisen kennzeichneten den Jahreswechsel in einigen lateinamerikanischen Ländern. Wie sehr beeinflussen solche Nachrichten das Image der Region und den Handel mit Deutschland?

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Chile | Anti-Regierungsproteste in Santiago de Chile
Bild: Reuters/I. Alvarado

Die Proteste in Ecuador, Kolumbien, Bolivien und Chile brachten Unruhe in eine Region, die sonst relativ ruhig geblieben ist und weiterhin einen attraktiven Markt für deutsche Unternehmen bietet. Gerade erst im Mai des vergangenen Jahres hatte Deutschland eine Initiative ins Leben gerufen, um den Handel mit Lateinamerika anzukurbeln. Ist sie jetzt Makulatur? Die Deutsche Welle sprach mit Vertretern von deutschen Handelskammern und ihren Partnerorganisationen in Lateinamerika.

Bolivien

In Bolivien wirkten sich die Vorgänge nach den Vorwürfen des Wahlbetrugs und dem Rücktritt von Evo Morales direkt auf den Handel aus. "Die Unruhen über mehr als 21 Tagen hinweg hatten sehr negative Auswirkungen auf die Geschäfte unserer Partner. Einige Unternehmen mussten sogar für mehrere Wochen schließen", sagt Rodolfo Richter, Geschäftsführer der Bolivianisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer.

Der Rückgang der Importe aus Deutschland und auch der Exporte aus Bolivien seien aber ein typisches Phänomen für ein Wahljahr in Bolivien, in dem Investoren vorsichtiger agieren. In Bolivien, so Richter, "hat sich die Situation normalisiert. Es gibt zudem hohe Erwartungen wegen der Neuwahlen".

Bolivien Lithiumabbau in Uyuni
Kein Vertrag mit deutschen Partnern: Lithiumabbau in BolivienBild: picture-alliance/dpa/G. Ismar

Ein zentrales Thema bleibt das gescheiterte deutsch-bolivianische Abkommen zum Lithiumabbau, das der bolivianische Expräsident Evo Morales kurz vor seinem Rücktritt aufgekündigt hatte. "Es ist an der nächsten Regierung, eine politische und wirtschaftliche Lösung für diese Situation zu finden. Wir sind überzeugt, dass dieses für beide Seiten strategische Projekt weitergeführt werden muss", sagt Richter.

Ecuador und Kolumbien

Auch in Kolumbien hatten Proteste und landesweiten Streiks starke Auswirkungen auf den Konsum, "beispielsweise auf den Verkauf deutscher Automobile und anderer Konsumgüter", meint Edwin Schuh, Leiter des Bereiches Kolumbien, Peru und Ecuador von Germany Trade and Invest (GTAI), der Nachfolgeorganisation der Bundesagentur für Außenwirtschaft mit Sitz in Berlin.

Politisch begann das Jahr 2020 ruhiger in Kolumbien, und die Gesamtbilanz ist positiv: "Die Inflation beträgt nur drei Prozent, und 2019 war ein sehr gutes Jahr. Bisher wächst die Wirtschaft mit drei Prozent sehr gut, und das hilft den deutschen Unternehmen", fügt Schuh hinzu. Außerdem habe das Land viele deutsche Unternehmen aufgenommen, die Venezuela verlassen haben und jetzt ihre regionale Zentrale in Kolumbien haben.

Proteste gegen die Regierung in Quito, Ecuador
Kaum Auswirkungen auf den Handel: Proteste in Ecuador Bild: picture-alliance/F. Vergara

In Ecuador hatten die zwölf Tage dauernden Proteste Anfang Oktober nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaft. "Viele Partner und Unternehmen haben mir bestätigt, dass 2019 ein geschäftlich gutes Jahr war. Die Proteste hatten keinen großen Einfluss auf die Wirtschaft im Land und in keiner Weise auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Ecuador", sagt Jörg Zehnle, Geschäftsführer der Deutsch-Ecuadorianischen Industrie und Handelskammer.

Ungewissheit in Chile

Unsicherer sind die Aussichten in Chile, wo die Proteste und Ausschreitungen am 18. Oktober begannen und seitdem nie ganz abgeflaut waren. Bis Ende Dezember gab es keine Informationen über die Schließung oder den Rückzug deutscher Unternehmen, die in Chile präsent sind. Jedoch werden Auswirkungen auf kleine oder mittlere Unternehmen erwartet. "Die sind am stärksten von den Protesten betroffen", sagt Cornelia Sonnenberg, Geschäftsführerin der Deutsch-Chilenischen Industrie und Handelskammer CAMCHAL.

"Die wirtschaftlichen Aussichten werden direkt davon abhängen, ob die Proteste und vor allem die Gewalt zurückgehen, und ob der Prozess für eine neue Verfassung in anerkannten institutionellen Bahnen stattfindet", sagt Sonnenberg. Ihrer Ansicht nach könnte einer Rezession mit einem Investitionsprogramm entgegengewirkt werden; dafür sei aber eine Steuerreform notwendig, um die neuen Sozialprogramme zu finanzieren sowie die Wirtschaftsstruktur zu diversifizieren. "Nur so kann es die Chance geben, von einem neoliberalen Wirtschaftsmodell zu einer sozialen Marktwirtschaft zu wechseln".