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Lateinamerika und Obama

21. Januar 2011

Von Mexiko bis Feuerland waren die Erwartungen an den neuen US-Präsidenten groß, als Barack Obama vor zwei Jahren ins Amt kam. Was ist aus dem versprochenen Neuanfang geworden?

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Barack Obama auf dem Amerika-Gipfel in Trinidad kurz nach seinem Amtsantritt 2009 (Foto: AP)
Barack Obama auf dem Amerika-Gipfel in Trinidad kurz nach seinem Amtsantritt 2009Bild: AP

Eine "Politik des gegenseitigen Respekts" und eine "Partnerschaft auf Augenhöhe" hatte Barack Obama den lateinamerikanischen und karibischen Staaten auf dem 5. Gipfel der Amerikas im April 2009 in Trinidad und Tobago versprochen. Da war der neue US-Präsident seit drei Monaten im Amt und hatte von seinem Vorgänger einen außenpolitischen Scherbenhaufen im Bezug auf die Länder südlich des Rio Grande geerbt.

Zur Halbzeit seiner Amtszeit kann Obama für sich in Anspruch nehmen, eine substanzielle Verbesserung des Gesprächsklimas zwischen den USA und seinen südlichen Nachbarn erreicht zu haben. Sichtbarstes Zeichen des Neuanfangs waren zahlreiche Erleichterungen in der Beziehung der USA zu Kuba: die Beschränkungen für Geldüberweisungen und Familienbesuche auf die Karibikinsel wurden aufgehoben, auch US-Bürger können jetzt leichter nach Kuba reisen. Darüber hinaus wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Telekommunikation zwischen beiden Ländern in Angriff genommen. Damit löste der US-Präsident gleich zu Beginn seiner Amtszeit eines seiner Wahlversprechen ein und machte einen wichtigen Schritt auf die Länder Lateinamerikas zu.

Annäherung an Kuba

Die Flaggen von Kuba und den USA (Grafik: DW)
Die neue Kuba-Politik der USA ist in Lateinamerika gut angekommen

In den acht Jahren der Bush-Administration sind zwischen Mexiko und Chile überwiegend linksgerichtete Regierungen an die Macht gekommen. Die Region hat, dank der hohen Rohstoffpreise, in dieser Zeit enorm an wirtschaftlicher Stärke und folglich auch an politischer Unabhängigkeit gewonnen. Die Forderung nach einem Ende des Kuba-Embargos war in der Region politischer Konsens. In der OAS (Organisation der Amerikanischen Staaten) ließ sich Washington dann immerhin darauf ein, Kuba die Wiederaufnahmen in der Organisation anzubieten. Ein Angebot, das die kubanische Führung allerdings ausgeschlagen hat – aus Sorge vor verstärkter Einmischung in innere Angelegenheiten und der Forderung nach einer demokratischen Öffnung. Aus Washingtoner Sicht war die ausgestreckte Hand Richtung Havanna das implizite Eingeständnis des Scheiterns der Kuba-Politik der vergangenen Jahrzehnte.

Politische Emanzipation des Südens

Die Vernachlässigung durch die USA, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf Irak und anschließend auf Afghanistan fokussiert waren, haben die lateinamerikanischen Regierung genutzt, um sich außenpolitisch von dem großen Nachbarn im Norden zu emanzipieren und neue Partnerschaften aufzubauen, vor allem mit China und Russland.

Die Präsidenten der USA und Venezuelas, Barack Obama und Hugo Chávez, unterhalten sich am Rande des Amerika-Gipfels auf Trinidad 2009 (Foto: AP)
Der venezolanische Präsident Chávez im Gespräch mit seinem US-Amtskollegen Barack ObamaBild: AP

Regional ist die Integration durch die Gründung mehrer Bündnisse und Institutionen vorangeschritten, wie z. B. dem von Venezuela initiierten linken Staatenbündnis ALBA und dessen Finanzinstitution, der Banco del Sur, oder dem von Brasilien aus der Taufe gehobenen politischen Zusammenschluss der südamerikanischen Staaten UNASUR. Brasilien hat sich längst zur regionalen Führungsmacht entwickelt, die es immer wieder mit diplomatischem Geschick verstanden hat, zwischen den USA und Lateinamerika zu vermitteln. Washington erkennt in Brasilia einen Stabilitätsanker in Südamerika, dessen Rolle es auch weiterhin zu stärken gilt.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten

Obamas Gesprächspartner treten den USA also mit gewachsenem politischen Selbstbewusstsein und dem Wissen um ihre wirtschaftliche Bedeutung als Absatzmarkt für US-Exporte und als Rohstofflieferant entgegen. Rund ein Fünftel der US-Ex- und Importe entfallen auf Lateinamerika; für die meisten Länder der Region sind die Vereinigten Staaten nach wie vor der wichtigste Absatzmarkt. Besonders deutlich wird diese gegenseitige Abhängigkeit an Venezuela, das über die Hälfte seiner Erdölexporte in die USA liefert und fast 60 Prozent aller Importe von dort bezieht. Trotz seiner schwächelnden Wirtschaft ist Venezuela immer noch der drittwichtigste Exportmarkt für die USA in Südamerika.

Der damalige brasilianische Präsident Lula da Silva und Barack Obama im Weißen Haus (Foto: AP)
Der damalige brasilianische Präsident Lula da Silva war der erste südamerikanische Staatschef, den Obama in Washington empfangen hatBild: picture alliance / dpa

Vor diesem Hintergrund scheint Obamas Versprechen von einer Partnerschaft auf Augenhöhe und gegenseitigem Respekt dann doch eher der Einsicht in ein verändertes Machtgefüge in der westlichen Hemisphäre geschuldet und weniger einem eigenen politischen Konzept für Lateinamerika zu entspringen. Bei anderen großen Themen, die den lateinamerikanischen Staaten unter den Nägeln brennen, wie der Reform des Einwanderungsgesetzes oder einer Änderung des Waffenrechts in den USA, sind Obama die Hände gebunden sind. Und solange die USA im Inneren mit der Überwindung der Wirtschaftskrise und außenpolitische mit zwei Kriegen im Mittleren Osten beschäftigt sind, wird Lateinamerika auch weiterhin nicht zu den politischen Prioritäten im Weißen Haus gehören.

Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Sven Töniges