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Latinos in Kalifornien

27. Oktober 2010

US-Bürger mit lateinamerikanischem Hintergrund könnten bei mehr als 40 Kongresssitzen über das Ergebnis entscheiden und sind deshalb eine heiß umkämpfte Wählergruppe.

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Wahlkampfmaterial des Southwest Voter Registration and Education Projects, Los Angeles (Foto: DW/Kerstin Zilm)
"Ihre Wählerstimme ist ihre Stimme" - Hispanics sollen in den USA wählen gehenBild: Kerstin Zilm

Ein kleiner Stadtpark in Los Angeles zwischen Stadtautobahn und Lagerhallen. Auf der schattenlosen Wiese sind eine Bühne und kleine weiße Holzbuden aufgebaut. Ihr Angebot: Wahlinformationen, Jahrmarkt-Spiele und mexikanischer Imbiss. Von der Bühne ruft ein stämmiger Mittvierziger mit kurz geschorenem Haar und Schnauzer abwechselnd in spanisch und englisch ins Mikrofon: "Geht wählen! Eure Stimme zählt!" Er macht das Publikum darauf aufmerksam, dass es sich auch verpflichten kann, Pro-Immigrations-Wähler zu sein. "Wir haben dafür Formulare. Wir starten hier heute ein neues Projekt."

Antonio Gonzalez ist Vorsitzender von SVREP (Southwest Voter Registration and Education Projects), einer Organisation, die Latino-Wähler mobilisiert, zu den Urnen zu gehen. Der Motivationsschub ist auch dringend notwendig. Bei mehr als 40 Kongress-Sitzen könnten Latino-Wähler über das Ergebnis entscheiden. Laut Umfragen wollen aber nur ein Drittel der Wahlberechtigten mit lateinamerikanischem Hintergrund ihre Stimme abgeben.

Bühne bei Latino-Wählermobilisierung in Los Angeles (Foto: DW/Kerstin Zilm)
Bühne bei Latino-Wähler-Mobilisierung im Oktober 2010Bild: Kerstin Zilm

An einer der Buden mit Wahlinformationen lässt sich die 19-jährige Diana als Wählerin registrieren. Die Tochter von Einwanderern aus Mexiko ist in den USA geboren, hat deshalb die US-Staatsbürgerschaft und darf wählen. Ihre Eltern gehören zu den rund zwölf Millionen Latinos in den USA ohne Papiere. Sie können nicht wählen und nur illegal arbeiten. Jeden Tag droht ihnen die Abschiebung. Diego Perez drängt seine Tochter, Kandidaten ihre Stimme zu geben, die sich für die Legalisierung von Einwanderern ohne Papiere einsetzen. Für ihn ist das das wichtigste Thema, er fordert eine Reform der US-Immigrationspolitik: "Wir kommen alle in dieses Land, um hart zu arbeiten. Wenn ich die Chance hätte zu wählen, würde ich meine Stimme für eine Einwanderungsreform abgeben."

Latino-Wähler werden immer einflussreicher

In Kalifornien sind 20 Prozent der Wähler Latinos, landesweit sind es acht Prozent. Tendenz weiter steigend - durch in den USA geborene Kinder von Einwanderern, die volljährig werden und wählen können, sowie durch eingebürgerte Immigranten. Latino-Wähler könnten wegen ihres hohen Bevölkerungsanteils in zwölf Bundesstaaten über Wahlergebnisse entscheiden. Immigration ist für die meisten von ihnen das wichtigste politische Thema. Sie sind enttäuscht, dass Präsident Barack Obama nicht wie versprochen im ersten Amtsjahr eine Reform der Einwanderungspolitik durchsetzte.

In Kalifornien ist in dieser Hinsicht die Gouverneurswahl besonders interessant, erklärt die Politikwissenschaftlerin Sherry Bebitch Jeffe von der University of Southern California in Los Angeles. "In Kalifornien sind die Latinos eine der wichtigsten Wählergruppen. besonders für Republikaner."

Teilnehmer einer Demonstration für Immigrationsreform in Los Angeles (Foto: DW/Kerstin Zilm)
Viele Migranten hatten sich von Obama eine Reform des Einwanderungsrechts erhofftBild: DW

In der Regel benötigen republikanische Kandidaten 35 bis 40 Prozent der Latino-Stimmen, um ein Rennen in Kalifornien zu gewinnen. "Für die Demokraten ist diese Wählergruppe von entscheidender Bedeutung, weil sie zur Stammwählerschaft gehört."

Ex-eBay-Chefin in die Defensive

Die Republikanerin Meg Whitman und der Demokrat Jerry Brown werben mit spanischsprachigen Anzeigen um die begehrte Wählergruppe. Whitman überzeugte mit ihrer Multi-Millionen-Dollar-Medienstrategie über 30 Prozent der Latino-Wähler. Doch dann wurde sie von der Vergangenheit eingeholt - mit einem Thema, das die Einwanderer Kaliforniens mitten ins Herz traf: Eine Haushälterin erzählte, dass sie neun Jahre lang ohne Papiere für Meg Whitman arbeitete, bis sie vor zwei Jahren den politischen Ambitionen der Republikanerin im Weg gestanden habe und gefeuert wurde. Die politische Seifenoper könnte für Whitman fatal sein, erklärt Politikwissenschaftlerin Sherry Bebitch Jeffe: "Jetzt könnten von den Latinos, die nicht wählen wollten, weil sie von der demokratischen Einwanderungspolitik enttäuscht sind, zwei bis drei Prozent aus Wut doch wählen gehen. Und bei einem so knappen Rennen kann das extrem bedeutsam sein. Es könnte entscheiden über Sieg oder Niederlage."

Präsident Obama, Freund der Latinos

Weil die Latino-Wähler bundesweit in über 40 Rennen das Zünglein an der Waage sein könnten, wandte sich Obama direkt an die umworbene Wählergruppe. Der US-Präsident rief im September bei einer Gala des Latino-Ausschusses im US-Kongress den Anwesenden zu: "Vergesst nicht, wer an Eurer Seite steht und wer gegen Euch ist! Vergesst nicht, wer die Krankenversorgung für Eure Kinder gesichert und die Steuern für Arbeiterfamilien gesenkt hat. Vergesst nicht, wer Eure Freunde sind!"

Bei der Veranstaltung zur Latino-Wählermobilisierung im Stadtpark von Los Angeles steigt Organisator Antonio Gonzalez noch einmal auf die Bühne. Weil bei der Kongresswahl jede Stimme zählt, ruft er ein letztes Mal: "Bitte macht mit!"

Autorin: Kerstin Zilm
Redaktion: Mirjam Gehrke