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Leere Kassen bei der Hamas

4. Mai 2010

Der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen geht das Geld aus. Mit skurrilen Sondersteuern versucht die Organisation jetzt, ihre Haushaltslöcher zu stopfen – doch bei den Einwohnern Gazas gibt es kaum noch was zu holen.

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Ein Palästinenser wartet auf seine Lohnauszahlung (Foto:ap)
Ein Palästinenser wartet auf seine LohnauszahlungBild: AP

Die Hamas steckt in einer Finanzklemme. Die Löhne und Gehälter für die 32.000 Mitarbeiter in der Verwaltung und bei den Sicherheitskräften können nicht mehr in vollem Umfang ausgezahlt werden. Der Direktor der Finanzbehörde, Ismail Mahfus, verkündete am Montag (03.05.2010) in Gaza, dass alle Auszahlungen ab sofort auf den Mindestlohn von 1.500 Schekeln, umgerechnet rund 300 Euro, begrenzt werden.

Der Geldhahn aus dem Ausland wird zugedreht

Schmuggeltunnel zwischen Ägypten und dem Gazastreifen (Foto:ap)
Der Warenschmuggel von Ägypten nach Gaza hat spürbar nachgelassenBild: AP

Die Hamas bestreitet ihr Budget eigenen Angaben zufolge zu 90 Prozent aus Spenden und Auslandsüberweisungen. Die restlichen zehn Prozent machen vor allem Steuern auf Waren aus, die durch Tunnel von Ägypten aus in den Gazastreifen geschmuggelt werden. Doch verschiedene langjährige Sponsoren aus den arabischen Golfstaaten sowie aus dem Iran hätten mittlerweile ihre Überweisungen gedrosselt. Außerdem scheinen die ägyptischen Maßnahmen gegen den Warenschmuggel nach Gaza zu greifen: Seit Jahresanfang soll der Warenfluss durch die Schmuggeltunnel an Gazas Südgrenze regelrecht eingebrochen sein. Der Vorsitzende des Hamas-Finanzausschusses, Dschamal Salih Nassar, sieht die Schuld hingegen woanders. "Wegen einer unfairen Blockade, die vor mehr als drei Jahren über den Gazastreifen verhängt wurde, und der gegen Banken im Gazastreifen verhängten Restriktionen, hat die Regierung es nicht geschafft, Geld aus dem Ausland zu erhalten."

Nach der Machtübernahme durch die Hamas hatte Israel die rund 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen nahezu vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Seit über drei Jahren kontrolliert Israel streng jede Einfuhr von Waren nach Gaza. Die israelische Seite begründet diese Blockade mit dem anhaltenden Raketenbeschuss aus dem Küstenstreifen und der Entführung des Soldaten Gilad Schalit im Juni 2006.

Auf Bekleidung werden Steuern erhoben

Um den drohenden Bankrott aufzuhalten, sucht die Hamas nach neuen Wegen, Geld aufzutreiben. So wurden nicht nur die Steuern auf Schmuggelware aus Ägypten heraufgesetzt – die Hamas hat auch eine ganze Reihe neuer Sondersteuern erhoben, die allerdings in der ohnehin schon armen Bevölkerung für neuen Unmut sorgen: die skurrilsten unter ihnen sind eine Kleidungssteuer, eine Steuer auf Straßenverkaufsstände sowie eine Steuer auf Werbeplakate, die außerhalb eines regulären Geschäftes hängen.

Zuckerwatteverkäufer am Strand von Gaza (Foto:ap)
Ein Zuckerwatteverkäufer am Strand von Gaza. Nach dem Willen der Hamas müssen jetzt auch alle Straßenhändler eine Sondersteuer zahlen.Bild: AP

Die Hamas sucht nach jeder Möglichkeit, von den armen Menschen Geld einzutreiben - um selbst zu überleben. Dabei gelten 80 Prozent der rund 1,5 Millionen Einwohner Gazas nach UN-Kriterien schon jetzt als arm. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei über 40 Prozent. "Die neuen Steuern verdoppeln die Schwierigkeiten der Bürger," sagt der in Gaza lebende Wirtschaftswissenschaftler Omer Schaaban, "weil sie ja schon mit der israelischen Blockade zurechtkommen müssen." Und so halten viele Einwohner Gazas der Hamas Heuchelei vor - zumal die wenigen in Gaza noch rentabel operierenden Handelsunternehmen weiter keine Steuern oder Zölle zahlen müssen.

Bankengeld beschlagnahmt

Hamas-Anführer Ismail Hanija (Foto:ap)
Hamas-Anführer Ismail HanijaBild: AP

Sejad al-Sasa, der Wirtschaftsbeauftragte der Hamas, weist jedoch jede Kritik von sich. Frühere Regierungen hätten den Bürgern weit mehr Abgaben aufgebürdet. Und auch Hamas-Führer Ismail Hanija ruft die Bürger Gazas zum Durchhalten auf: "Die internationale Gemeinschaft versucht, uns zu zwingen, Israel anzuerkennen. Aber die Hamas ist stark und wird sich niemals unterwerfen."

Erst in der vergangenen Woche hatte die Hamas umgerechnet rund 300.000 Dollar bei einer Bank im Gazastreifen beschlagnahmt. Hamas-Leute hatten Mitarbeiter der "Bank von Palästina" gezwungen, einen Tresor zu öffnen und das Geld auszuhändigen. Zuvor hatte die von der Fatah geleitete palästinensische Finanzbehörde im Westjordanland das Geld wegen Geldwäsche-Verdachts eingefroren.

Autor: Thomas Latschan (ap, dpa, rtr)
Redaktion: Diana Hodali