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Leicht und doch schwierig

Diana Fong21. Juni 2012

Selbst die besten Fußballer der Welt haben Elfmeter verschossen. Die Wahrscheinlichkeit zu treffen, liegt wissenschaftlich belegt bei etwa 75 Prozent. Aber auch die Psyche spielt eben eine große Rolle.

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Bayern Münchens Torwart Neuer hält einen Strafstoß von Ronaldo im Champions-League-Spiel gegen Real Madrid. Foto: AP/dapd
Bild: AP

Es dürfte doch eigentlich keine Schwierigkeit für einen Weltklassefußballer sein, einen Elfmeter zu verwandeln. Einfach den Ball mit 100 Stundenkilometern oben rechts oder links ins Eck schießen, Tor! 0,4 Sekunden dauert es, bis der Ball die Torlinie passiert hat. 0,2 Sekunden braucht der Torwart, um zu realisieren, wohin der Schuss geht, 0,2 Sekunden bleiben ihm, um zu reagieren. Nicht nur deswegen hat der Keeper eigentlich so gut wie keine Chance. Schließlich ist das Tor etwa viermal so groß wie die Fläche, die ein Torwart mit ausgestreckten Armen abdecken kann.

Elfmeterschießen: Herausforderungen für Torhüter.Infografik: DW

Selbst die Besten verschießen

Und doch verschießen auch die besten Fußballer der Welt Elfmeter. Maradona, Ronaldo, David Beckham, Michel Platini, Roberto Baggio oder auch Uli Hoeneß scheiterten vom Elfmeterpunkt. "Eigentlich unglaublich, dass sie das Tor nicht treffen. Da sieht man, unter welchem Druck sie stehen", sagt Metin Tolan, Professor für Experimentelle Physik an der Technischen Universität Dortmund. "Roboter träfen hundert Prozent, aber Elfmeterschützen sind eben keine Roboter." Der 47 Jahre alte Wissenschaftler hat ein Buch geschrieben über die Physik des Fußballs. "Wenn sich die Schussgeschwindigkeit nur um einen Stundenkilometer und der Abschusswinkel um ein Grad erhöhen, landet der Ball schon 50 Zentimeter höher. Damit steigt das Risiko, über das Tor zu schießen."

Tschechien vor Deutschland

1976 wurde das Elfmeterschießen bei Europameisterschaften eingeführt, um Partien nach der Verlängerung zu entscheiden. Seitdem wurden laut der Internetseite sportingintelligence.com 343 Elfmeter geschossen. 258 landeten im Tor, rund 75 Prozent. Das entspreche auch der Wahrscheinlichkeit, erklärt Metin Tolan. "Der Torwart kann schließlich 75 Prozent seines Kastens nicht abdecken." Doch das sind nur Durchschnittswerte, es gibt Ausreißer nach oben und unten. So führt Tschechien in der Statistik der erfolgreichsten Nationen im Elfmeterschießen bei Welt- und Europameisterschaften. Mit einer makellosen Bilanz: 20 Elfer, 20 Tore. Auf Platz zwei liegt Deutschland mit 26 verwandelten Elfmetern bei 28 Versuchen, immerhin noch eine Quote von 93 Prozent. Die schlechteste Bilanz der acht EM-Viertelfinalisten hat England mit einer Trefferquote von nur 68 Prozent. Der Gegner des deutschen Teams, Griechenland, hat zwar schon an vier Europa- und zwei Weltmeisterschaften teilgenommen, stand dabei aber nie in einem Elfmeterschießen.

Bilanz der EM-Viertelfinalisten im Elfmeterschießen. Grafik: DW

Trickkiste eines Torwarts

Die deutschen Fans erinnern sich vor allem an den Fehlschuss von Uli Hoeneß im EM-Finale 1976 in Belgrad. Die Tschechoslowakei wurde Europameister. Das zweite und bis dato letzte Mal, dass ein deutscher Nationalspieler bei einem großen Turnier im Elfmeterschießen patzte, liegt 30 Jahre zurück. Uli Stielike verschoss im Halbfinale der WM 1982 gegen Frankreich. Deutschland zog trotzdem ins Endspiel ein, weil Harald, genannt "Toni" Schumacher zwei Elfmeter der Franzosen hielt. "Du hast nicht viel Zeit zu reagieren, also greifst du in die Trickkiste", sagt Schumacher. Er habe sich vorher aufgeschrieben, ob einer mit links oder rechts schoss, hart oder eher locker, flach oder hoch. "Da gab es einen Spieler, der fast immer in eine Ecke schoss. Den habe ich getäuscht, indem ich meinen Oberkörper leicht in die entgegengesetzte Richtung drehte. Ich wusste, er würde nun seine Ecke wählen und das tat er auch."

Toni Schumacher pariert im WM-Halbfinale 1982 den Elfmeter von Maxime Bossis. Foto:
Toni Schumacher pariert im WM-Halbfinale 1982 den Elfmeter von Maxime BossisBild: picture-alliance/dpa

Schütze schaut in die Ecke, in die er schießt

Schumacher, inzwischen 58 Jahre alt, galt in seiner aktiven Zeit als Elfmeter-Killer: "Aus dem Augenwinkel beobachte ich den Schützen ganz genau, bevor er anläuft. Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde, aber er schaut in die Ecke, auf die er dann zielt." Ein guter Torwart könne nicht nur die Elfmeterschützen einschüchtern, sondern auch Druck von den Schultern seiner Teamkameraden nehmen. "Wenn du weißt, dass du einen starken Torwart im Rücken hast, kann du auch sagen: Ich kann es mir leisten, vorbeizuschießen." Der Mann zwischen den Pfosten habe es vergleichsweise leicht, sagt Schumacher. "Ich hatte nie Angst, weil der ganz Druck auf dem Elfmeterschützen liegt. Jeder erwartet, dass er trifft."