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Leichtes Spiel für Produktpiraten

Wim Abbink6. November 2004

Raubkopieren gilt in Russland noch immer als Kavaliersdelikt. Nur halbherzig wird das Phänomen bekämpft - zum Unmut der wirklichen Hersteller von Markenprodukten.

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Medienwirksam:<br>Vernichtung von Raubkopien

Ob CDs und DVDs für zwei bis vier Euro, Turnschuhe oder Kaffee: Auf Russlands Märkten finden sich alle Weltmarken zum Schnäppchenpreis. Der angebliche Hersteller hat diese Produkte nie gesehen. "Mir macht am meisten Sorgen, dass die Leute nicht verstehen, dass das Diebstahl ist", sagt Olga Barannikowa. Die Vize-Direktorin der Vereinigung für intellektuelle Eigentumsrechte (CIPR), einem Zusammenschluss von russischen und ausländischen Markenunternehmen, plant Kampagnen, um die Bevölkerung für das Problem zu sensibilisieren. Nötig wär's.

WTO und Markenschutz

Zwar werden von Zeit zu Zeit mediengerechte Spektakel zur Vernichtung von Raubprodukten veranstaltet, wo die Behörden zum Beispiel unter strenger Polizeiüberwachung Planierraupen über einen meterhohen Berg aus Zigarettenstangen fahren lassen. So werden schon mal an einem einzigen Nachmittag zwei Millionen Päckchen mit gefälschten Markenzigaretten vernichtet. Allerdings sind solche Aktionen nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Allein die US-Wirtschaft verliert nach Angaben des Handelsministeriums in Washington jährlich eine Milliarde Dollar (780 Millionen Euro) durch Produkt- und Softwarepiraten in Russland.

Nach Jahren des eher halbherzigen Umgangs mit Markenfälschern läuft der russischen Regierung die Zeit davon. Für 2005 rechnet Moskau mit der Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO). Aber es fehlt noch das "Ja" der Amerikaner, die ihre Zustimmung an einen effektiven Markenschutz in Russland knüpfen.

Anzeigen lohnen sich selten

Im heutigen Russland sind die gesetzlichen Grundlagen für den Kampf gegen die Produktfälscher längst gelegt. Nur an der Umsetzung hakt es. "Es gibt in den Behörden niemanden, der das Copyright verteidigt", klagt Barannikowa. Der Kampf gegen gefälschte Markenprodukte sei gleich auf mehrere Behörden verteilt, die sich untereinander kaum koordinierten.

Produktpiraten fälschen in Russland nicht in Kellern oder dunklen Hinterhöfen, sondern in legalen Fabriken. So war es auch im Fall der beschlagnahmten zwei Millionen Zigaretten-Päckchen. "Tagsüber sind legal russische Zigaretten vom Band gelaufen, nachts wurden Fälschungen von Westmarken hergestellt", erklärt Maxim Sysojew von CIPR. Wer so fälsche, sei nur schwer zu erwischen.

Aus eigenem Interesse hängen viele betroffene Konzerne die Verstöße gegen ihre Markenrechte nicht an die große Glocke. "Jeder scheut es, solche Fälle publik zu machen", sagt in Moskau der Rechtsanwalt Gerd Lenga, der deutsche Unternehmen in Russland berät. Berichte über nachgemachte Shampoos, Tabletten oder Putzmittel bedeuten immer auch einen Imageschaden für das Original. Eine Anzeige lohnt sich selten, da die Strafen oft relativ niedrig sind. Teilweise dürfen die Fälscher laut Gesetz sogar ihre Maschinen behalten.

"Das größte Problem ist die Korruption"

Nur bei Lebensmitteln und Medikamenten hat sich in der russischen Bevölkerung bereits ein Markenbewusstsein entwickelt. Die Gesundheitsbehörden gehen davon aus, dass zehn Prozent aller in Russland verkauften Medikamente Imitate sind. "Eigentlich ist es leicht nachzuvollziehen, woher die Kopien kommen", sagt Lenga. In der Branche gilt es als offenes Geheimnis, dass in Russland nur ein großer Pharmakonzern für die meisten Fälschungen in Frage kommt. Doch das Unternehmen produziert weiter.

"Das größte Problem im Kampf gegen die Fälscher in Russland ist immer noch die Korruption", sagt ein Experte. Denn vom Geschäft mit den Imitaten profitieren in Russland auch Beamte, Polizisten und Richter, die von Fall zu Fall mindestens ein Auge zudrücken.