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Keine Lichtgestalt

Nicola Reyk sprach mit Gregor Enste14. November 2007

Benazir Bhutto stellt sich gern als selbstlose Kämpferin für die Demokratie in Pakistan hin. Dieses Bild stimmt so nicht, sagt der Vertreter der Heinrich-Böll-Stiftung im pakistanischen Lahore, Gregor Enste.

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Benazir Bhutto, AP
Benazir Bhutto weckt stest das Interesse von MedienleutenBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Enste, im Westen wird Benazir Bhutto gerne als Lichtgestalt gesehen, als demokratische Hoffnung für Pakistan. Sie selbst setzt sich als einzige demokratische Hoffnung für Pakistan in Szene. Sehen die Pakistaner sie auch so?

Gregor Enste: Die Pakistaner sehen sie längst nicht mehr so. Spätestens als sie sich mit Präsident General Pervez Musharraf im Sommer in Abu Dhabi getroffen hat, zu Geheimverhandlungen über eine mögliche Aufteilung der Macht, da hat sie den Großteil ihrer Glaubwürdigkeit verloren. Sie hat immer noch großen Rückhalt in der ländlichen Bevölkerung und zehrt von dem Nimbus ihres Vaters – Zulfikar Ali Bhutto. Aber als demokratische Lichtgestalt und vor allem als unumstrittene Führerin der Opposition in Pakistan und des Protestes gegen General Musharraf gilt sie schon seit Monaten nicht mehr.

Traditionell ist die Opposition in Pakistan untereinander zerstritten – hat der Widerstand gegen Musharraf die Parteien vereint?

Nein, sie sind nach wie vor zerstritten. Und es ist traurig zu sehen, dass es keine politischen Nachwuchs gibt, keine jungen politischen Führungskräfte. So sind immer noch die gleichen Figuren politisch aktiv wie vor 15 Jahren. Ex-Premierministerin Benazir Bhutto, Ex-Premierminister Nawaz Sharif und natürlich das Militär als starke Kraft. Heute nun hat Benazir Bhutto erneut eine Kehrtwendung vollzogen in ihrer Strategie. Sie hat ihren ehemals erbitterten Gegenspieler Nawaz Sharif eingeladen zur Bildung einer großen demokratischen Allianz gegen Präsident Musharraf. Sharif lebt im Exil in Saudi-Arabien und er ist ein Politiker, der während seiner Zeit als Premierminister von Pakistan genauso korrupt war wie Benazir Bhutto selbst in ihren zwei Amtszeiten. Solche Geheimabsprachen zwischen den politischen Akteuren ohne jegliche Transparenz und ohne Hoffnung auf wirklichen demokratischen Wandel sind frustrierend zu sehen.

General Musharraf wirkt zunehmend verzweifelt in seinem Bemühen, die Macht in Pakistan festzuhalten. Glauben Sie, er hat noch eine Chance gegen die massiven Proteste im Land?

Er hat keine großen Chancen mehr, sich zu behaupten. Wir sehen den Niedergang eines Despoten - den Frau Bhutto heute übrigens bemerkenswerterweise zum ersten Mal Diktator genannt hat. Diese Bezeichnung hatte sie bisher vermieden. Schließlich wollte sie ja mit Musharraf zu einer Vereinbarung kommen, die beiden genützt hätte. Er sollte weiter Präsident bleiben und im Gegenzug Bhutto als Premierministerin akzeptieren. Nebenbei wären bei einer solchen Vereinbarung die diversen Korruptionsklagen gegen Frau Bhutto unter den Tisch gefallen. Jetzt hat sie sich offenbar von Musharraf abgewendet und sucht neue Allianzen - zum Beispiel mit Nawaz Sharif. Nein, ich denke, Musharrafs letzte Tage sind eingeläutet und hoffentlich führen diese letzten Tage des Diktators zu einem friedlichen Übergang in eine hoffentlich demokratische Zukunft.

Sehen Sie Frau Bhutto als Anführerin einer solchen demokratischen Zukunft?

Leider, muss ich sagen. Immerhin ist sie eine liberale Politikerin. Ihre Anhänger kommen nicht nur aus der muslimischen Bevölkerungsmehrheit, sondern auch aus den Minderheiten. Eine demokratische Lichtgestalt ist sie sicher nicht, aber wenn es jetzt einen demokratischen Wandel gibt, dann wohl leider nur mit Benazir Bhutto.

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