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Lernen für die Zukunft

28. November 2011

Sie ist schon ziemlich viel herumgekommen in der Welt – Hotelmanagerin war sie aber noch nie. Und das auch noch im Nordirak. Jetzt hat Doris Bulau einen Abstecher zur deutschen Schule in der Stadt gemacht.

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Die deutsche Schule in Erbil Foto: Doris Bulau
Deutsche Schule in ErbilBild: Doris Bulau

Sogar der Taxifahrer spricht deutsch mit leicht schwäbischem Einschlag. Wo die deutsche Schule ist, weiß er genau. Zwanzig Minuten brauchen wir bis zur Gulan Street. Ein stattlicher Bau, sandsteinfarben, sehr modern. Innen blitzblanke Flure. Es ist Pause, und die Kinder toben durch die Gänge. Ich werde neugierig beobachtet. Zwei Kleine wagen sich vor und fragen - auf deutsch natürlich - "Wo kommst du her? Aus Deutschland? Wir auch!" Überall klingt es deutsch.

Stolz auf den erfolgreichen Anfang

Lernen in der deutschen Schule in Erbil Foto: Doris Bulau
Lernen in der deutschen SchuleBild: Doris Bulau

Schulleiter Jürgen Ender berichtet über "sein" Projekt, die "Deutsche Schule Erbil". Im Mai letzten Jahres hat das kurdischen Bildungsministerium Ender ein Gebäude zur Verfügung gestellt, das eine halbe Ruine war. Mit Spezialisten und Arbeitern hat er es wieder aufgebaut. Im September 2010 konnte die Schule bereits feierlich eröffnet werden. Wir schlendern durch gepflegte Gänge, schauen in nagelneue Toilettenräume, bewundern den Pausenplatz im Innenhof, der mit grünem Kunstrasen ausgelegt ist. Sauber halten müssen ihn die Kinder selbst. Jürgen Ender hat reichlich Erfahrung im Ausland gesammelt. "Dreißig Jahre deutsche Schulen in Afrika, sinniert er, da wird Erbil noch mal zu einer Herausforderung." - "Sie müssen in meine Klasse kommen", ruft ein etwa 10-jähriger Junge. "In Klasse 4."
Artig werden wir im Chor begrüßt: "Guten Morgen Herr Ender, guten Morgen Madam."
170 Kinder werden hier zur Zeit unterrichtet. Unterrichtssprache ist deutsch. Rückkehrerfamilien, die vor 20 Jahren Saddams Schergen entflohen waren, hatten damals in Deutschland Asyl bekommen. Die meisten der Kinder wurden in Deutschland geboren. Wir besuchen verschiedene Klassen, die Kleinsten schmiegen sich an die Hosenbeine des Direktors. Er liebt die Kinder und sie lieben ihn.

Lernen für die Zukunft

Junge engagierte Lehrerinnen deutscher und kurdischer Herkunft unterrichten Mathematik, Englisch, Arabisch, Musik, Sport, Kunst oder Technik. Bibliothek, Musikzimmer und Computerraum sind bestens eingerichtet. Der ganze Stolz des Direktors ist die Aula, in der jede Woche ein Film gezeigt wird. "Die Kinder sind in Deutschland zur Schule gegangen, hier müssen sie Anschluss finden", erklärt Jürgen Ender. Die 12-jährige Nema, die in Neumünster groß geworden ist, hofft auf bessere Chancen für später: "Ich lerne für die Zukunft, das Abitur hier wird in ganz Europa anerkannt, ich möchte später in Deutschland studieren und Zahnärztin werden."

Die letzten Schüler kommen aus der schmucken Kantine zurück zum Unterricht. Dort hat die bayerische Köchin Doris Moulud gerade 120 Kinderteller serviert. "Bei mir wird alles frisch gekocht und den Kinder schmeckt es. Alle Teller sind leer."
Jürgen Ender muss jetzt gleich zum Unterricht: Geografie steht auf dem Stundenplan. "Die Kinder wissen wo Potsdam, Hamburg oder Berlin liegt, aber Bagdad? Für sie ein weißer Fleck auf der Landkarte."

Kreativ sein und nicht aufgeben

Die Deutsche Schule Erbil arbeitet eng mit dem Goethe-Institut zusammen. Hier können die kurdischen Lehrer ihre Deutschkenntnisse verbessern. Das Goethe-Institut liegt nur 500 Meter von der Schule entfernt. Ein schmuckloser Bau, an dem ich zweimal vorbeilaufe, so klein ist das Hinweisschild: Goethe-Institut Irak, Verbindungsbüro Erbil. Im ersten Stock treffe ich einen jungen, schlanken Mann, Heinrich Sobbotka. Er ist der neue Leiter, und er wirkt gestresst. Ohne jegliche Hilfe versucht er, das vor knapp zwei Jahren gegründete Goethe-Institut aufzubauen. Es gibt nur eine Deutschlehrerin, die Bibliothek könnte aktueller sein. Ich sehe einen Stapel CDs: Beethoven. Und das alles auf 50 Quadratmetern. "Das Bagdad Filmfestival in Erbil wäre fast gescheitert, weil es keine Räumlichkeiten gibt", beklagt sich Sobottka, "kein Kino, kein Theater, kein Konzertsaal. Hier in Erbil gibt es das alles noch nicht." Das Institut braucht dringend mindesten einen weiteren Deutschlehrer. "Das Problem ist nicht, deutschsprachige Kurden zu finden, die hätte ich am liebsten, aber sie haben keinerlei pädagogische Ausbildung. Wir bieten jetzt einen Ausbildungsgang an, aber frühestens in einem Jahr können sie hier unterrichten." Anfragen gibt es reichlich, "selbst aus dem südirakischen Basra haben sich Schüler angemeldet." Heinrich Sobottka kennt bis jetzt nur eins: "Improvisieren und hoffen".

Programm des Goethe-Instituts in Erbil Foto: Doris Bulau
Programm des Goethe-Instituts in ErbilBild: Doris Bulau

Autorin: Doris Bulau

Redaktion: Gudrun Stegen