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Letzte Chance im US-Schuldenstreit

1. August 2011

Der US-Präsident sowie führende Mitglieder der Republikaner und Demokraten haben einen Kompromiss im Schuldenstreit gefunden. Mit dem Deal muss auch das politische Theater zu Ende gehen, meint Christina Bergmann.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Noch ist die Kuh nicht vom Eis - aber sie hat das rettende Ufer nahezu erreicht. Als Präsident Obama am Sonntagabend (Ortszeit, 31.07.2011) verkündete, dass ein Kompromiss bei den Verhandlungen zur Anhebung der US-Schuldengrenze erreicht sei, begannen die Märkte in Asien gerade ihr Tagesgeschäft - und das globale Aufatmen war deutlich zu spüren. Doch den Kompromiss, auf den sich Obama mit den führenden Demokraten und Republikanern einigen konnte, müssen beide Seiten erst noch ihren Abgeordneten verkaufen. Tatsächlich geschlossen ist der Deal erst, wenn Senat und Abgeordnetenhaus zugestimmt haben. Das soll am Montag geschehen, ist aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Denn es wird immer noch Abgeordnete geben, die diesem Kompromiss ihre Stimme verweigern. Auf Seiten der Republikaner, weil sie sich in den Kopf gesetzt haben, die Schuldenobergrenze grundsätzlich nicht zu erhöhen, oder weil ihnen die Ausgabenkürzungen im Sozialbereich nicht ausreichen. Und auf Seiten der Demokraten, weil sie Kürzungen im Bereich der Sozialversicherung grundsätzlich ablehnen. Doch so unverständlich diese Kompromisslosigkeit bisher schon war, jetzt wäre sie an Verantwortungslosigkeit nicht mehr zu überbieten.

US-Regierung unter massivem Druck

Christina Bergmann, Korrespondentin DW-Studio Washington (Foto: DW)
Christina Bergmann: US-Regierung muss sich wieder den wesentlichen Aufgaben zuwenden

Für weitere Nachbesserungen ist keine Zeit mehr. Die Uhr tickt und am Dienstag verliert die US-Regierung die Fähigkeit, Schulden aufzunehmen. Die dann einsetzende Spirale hat vor allem für die Menschen gravierende Folgen, die die Sturköpfe der beiden Parteien vorgeben zu schützen: Sozial Bedürftige werden keine Schecks mehr erhalten, wenn der Staat pleite ist, und Kleinunternehmer werden keine Kredite mehr aufnehmen können, wenn die Zinsen steigen. Es sollte also keine Frage sein, dem Deal zuzustimmen und die Schuldenobergrenze zu erhöhen.

Zumal der Kompromiss noch etwas Anderes erreicht: Er entkoppelt die unsägliche Verbindung der Erhöhung der Schuldenobergrenze von den Verhandlungen über Kürzungen des Etats. Denn dass die Staatsausgaben heruntergefahren werden müssen, darüber sind sich beide Seiten einig. 14,3 Billionen Staatsschulden sind nicht tragbar. Doch die Drohung, über die festgefahrenen Verhandlungen dazu die Nation in ein Finanz- und Wirtschaftskrise zu stürzen, die globale Auswirkungen hätte, legt den Schluss nahe, dass die handelnden Personen, allen voran die Republikaner, sich nicht über die Konsequenzen im Klaren waren - und dann von ihrem einmal eingeschlagenen Weg dennoch nicht mehr abweichen wollten.

Nachgegeben hat dagegen der Präsident: Der Deal sieht nun, anders als zunächst von ihm gefordert, keine unmittelbaren Steuererhöhungen vor. Aber die können und werden innerhalb der überparteilichen Kommission ausgehandelt. Das Entscheidende ist, dass die Zahlungsunfähigkeit vermieden werden kann - eventuell gibt es sogar keine Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Das liegt auch daran, dass Obama darauf bestanden hat, die Schuldenobergrenze so weit anzuheben, dass das gleiche politische Schauspiel nicht innerhalb eines halben Jahres wieder aufgeführt werden muss. Ein weiteres Mal würde die (Finanz-)Welt diesem Theater wohl nicht so ohne Weiteres zusehen.

Den Blick wieder aufs Wesentliche richten

Alles andere als die Verabschiedung des Kompromisses im Kongress wäre eine Katastrophe. Und eine Bankrotterklärung für die Parteiführer, allen voran für den Republikaner John Boehner, der in der vergangenen Woche keine sonderlich gute Figur gemacht hat. Hoffen wir also, dass die selbstgemachte Krise der letzten Wochen nun tatsächlich abgewendet ist und Regierung und Kongress sich ernsthaft dem eigentlichen Dilemma zuwenden: der hohen Arbeitslosigkeit, den exorbitanten Staatsschulden, der noch immer schwächelnden Wirtschaft. Es wird höchste Zeit.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Nicole Scherschun