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Opel-Werk macht dicht

Klaus Deuse4. Dezember 2014

In 52 Jahren wurden im Bochumer Opel-Werk über 13 Millionen Autos gebaut. Jetzt gehen nach langem Kampf die Lichter aus. Nach Nokia verliert Bochum einen weiteren großen Arbeitgeber.

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Opel Werk Bochum: Schließung (Foto: REUTERS/Ina Fassbender)
Bild: Reuters/I. Fassbender

Über zehn Jahre haben sie um ihre Arbeitsplätze und ihr Werk gekämpft. Doch die Entscheidung, das Bochumer Opel-Werk zu schließen, fiel fernab in Detroit, dem Sitz des Mutterkonzerns General Motors (GM). Am frühen Freitagmorgen lief mit einem Fahrzeug vom Typ "Zafira" der letzte in Bochum produzierte Opel vom Band. Für Eva Kerkemeier, Bevollmächtige der Industriegewerkschaft Metall im Bezirk Bochum, ist es "ein entsetzliches Ende, weil es über 50 Jahre Geschichte von vielen Menschen beinhaltet, die ihre Familien durch eine tolle Arbeit ernähren konnten und die bis zum Schluss gehofft haben, dass Opel nicht schließt".

Die Abwicklung des Werks hat bereits begonnen. Seit Anfang November wird im Internet das Fabrik-Inventar versteigert. Vom Bürostuhl über Bandroboter bis zur Werkskantine. Lang gediente Opelaner wie Mike Sczceblewski empfinden das "als makaber, das hat was von Leichenfledderei".

Nach 52 Jahren und über 13 Millionen produzierter Autos endet in Bochum ein Kapitel Industriegeschichte. Von einst über 20.000 Mitarbeitern in den 1980er Jahren beschäftigte der Autobauer am Ende nur noch knapp 3200. Lediglich 300 haben einen sicheren Arbeitsplatz im Warenverteilzentrum von Opel erhalten, das bis 2020 in Bochum bleiben soll. Die meisten Opelaner wie Thorsten Diehl wechseln zur Weiterqualifizierung in eine Transfergesellschaft. Doch große Hoffnungen, rasch einen neuen Job zu bekommen, hat er nicht. "Ich bin mittlerweile jetzt 50. Und da wird's auch nicht einfacher."

Betriebsversammlung Bochum Opel Werk
Zehn Jahre Kampf um die ArbeitsplätzeBild: Reuters

Standort-Image hat Schaden genommen

Das lange Hick-Hack bis zum endgültigen Aus hat nach Einschätzung des Leiters der Bochumer Wirtschaftsförderung, Heinz-Martin Dirks, letztlich auch dem Image des Standortes geschadet. "Dem Konzern ging es schlecht", sagt Dirks rückblickend. Doch die Diskussion über die Schließung des Werkes habe auch dazu geführt, "dass Bochum immer wieder negativ in die Schlagzeilen geriet". Mit der Schließung des Opel-Werks verliert die Stadt im Ruhrgebiet nach dem Weggang von Nokia innerhalb weniger Jahre einen zweiten großen Arbeitgeber. Obwohl der finnische Handy-Hersteller noch 2007 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Euro auswies, wurde das Werk in Bochum 2008 dichtgemacht, die Fertigung nach Rumänien verlagert. Einschließlich der Zulieferer fielen dadurch über 4000 Arbeitsplätze weg. Noch heute, so Eva Kerkemeier von der IG Metall, sind vor allem viele ehemalige Nokia-Frauen arbeitslos.

Der Abzug von Nokia bescherte Bochum pro Jahr einen Verlust von 25 Millionen Euro bei den Gewerbesteuern. Was Opel betrifft, kann Wirtschaftsförderer Dirks keine genauen Zahlen nennen. Doch angesichts der Verluste, die der Autobauer in den letzten Jahren einfuhr, kam nicht viel an Gewerbesteuern herein. Zwar konnte die Ruhrgebietsstadt in den vergangenen acht Jahren rund 3000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze registrieren, doch in der Gewerbesteuer macht sich das nicht bemerkbar.

Neues Kapitel im Strukturwandel

Der größte Arbeitgeber in der Stadt ist inzwischen die Ruhr-Universität mit rund 6000 Beschäftigten. Was die Zukunft der Opel-Beschäftigten angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Region angeht, räumt Wirtschaftsförderer Dirks ein, dass sie bereit sein sollten, "an einer neuen Dienststelle etwas anzunehmen, was eventuell auch weniger Gehalt mit sich bringen kann".

Schwarzmalen gehört jedoch nicht zur Mentalität der Menschen im Ruhrgebiet, das sich seit der Talfahrt von Kohle und Stahl im Strukturwandel befindet. Insofern knüpfen sich die Hoffnungen an die Erschließung des riesigen Opel-Areals von 170 Hektar für die Ansiedlung neuer Unternehmen. Die Industrie- und Handelskammer setzt dabei nach den Worten von Rouven Beeck auf innovative Mittelständler.

"Wir haben hier in Bochum ganz erhebliche Kompetenzen im wissenschaftlichen Bereich. Und eben auch in der dort angesiedelten Forschung. Übrigens auch in sehr produktionsaffinen Disziplinen." Mit dem von Opel aufgegebenen Areal verfüge man zudem über eine der besten erreichbaren Industrieflächen in einem der größten Ballungszentren Europas.

Opel Jubiläum 125
EIn Bild aus besseren Tagen: 1966 läuft der Millionste Kadett vom BandBild: GM Company

Projekt Bochum 4.0

Mit dem Abriss der Gebäude und der Aufarbeitung des Geländes wird schon 2015 begonnen. Doch bis zur Umsetzung des Programms können bis zu zehn Jahre vergehen. Rolf Heyer, der Geschäftsführer der zuständigen Projektgesellschaft, die die Stadt Bochum und Opel gegründet haben, rechnet frühestens in zwei Jahren mit ersten Ansiedlungen. Ein Investor steht offenbar schon fest, und zwar das Logistikunternehmen DHL, das ein Verteilzentrum mit 600 Arbeitsplätzen errichten will. Was den städtischen Wirtschaftsförderer Dirks freut, hält die IG Metall-Bevollmächtigte Kerkemeier jedoch für schmalspurig. "Über Logistik hinaus brauchen wir zukünftig wieder Industriearbeit."

Rolf Heyer von der Projektgesellschaft gilt es vorrangig darum, "in jeder Form produzierende oder montierende oder entwickelnde Industrie und Gewerbe anzusiedeln".

Zum Beispiel in einem Bereich, mit dem Bochum bereits heute punkten kann: bei der IT-Sicherheit. Denn schon jetzt befinden sich gut 20 Prozent aller bundesdeutschen Arbeitsplätze in dieser expandierenden Branche in der Ruhrgebietsstadt. Nach der Schließung des Opel-Werkes ist es gleichwohl noch ein gutes Stück Weg zum gesteckten Ziel Bochum 4.0.