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Politik

Syrische Flüchtlinge als Wahlkampfthema

Emad-Eddin Sayed Hassan kk
2. Mai 2018

Die Situation syrischer Flüchtlinge im Libanon ist ohnehin schwierig. Jetzt spielen sie auch im Wahlkampf des Landes eine Rolle. Einige Politiker nutzen die Anti-Syrer-Stimmung im Lande aus. Die Folgen sind ungewiss.

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Symbolfoto Flüchtlingskinder / Minderjährige Flüchtlinge
Unerwünscht: syrische Flüchtlinge im Lager Barelias, LibanonBild: picture alliance/dpa/B. Hussein

Am 6. Mai stehen im Libanon die Parlamentswahlen an. Die Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Strömungen des Landes sind um ein Thema reicher: die Flüchtlinge aus dem Nachbarland. Immer mehr Stimmen werden laut, die ihre Ausweisung fordern. Begründung: Die Flüchtlinge hätten wirtschaftlich und sozial einen "schlechten Einfluss" auf das Land.

Viele Libanesen sorgen sich, dass EU und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) versuchten, die Flüchtlinge dauerhaft im Libanon anzusiedeln. Einen Beleg dafür sehen sie in einem von den beiden Organisationen verfassten Papier, in dem eine "freiwilligen Rückkehr" der syrischen Flüchtlinge gefordert wird. Damit werde jeder ernsthafte Versuch untergraben, die Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen.

Protest gegen den Begriff "Zwangsdeportationen"

Das Flüchtlingswerk hatte vor kurzem eine Erklärung angezweifelt, dass rund 500.000 syrische Flüchtlinge das Land "freiwillig" in Richtung  Syrien verlassen hätten. Daraufhin hatte das Ministerium den UNHCR-Vertreter in Beirut zu einem Gespräch einbestellt. Anschließend veröffentlichte es eine Erklärung, in der es den Vorwurf angeblicher "Zwangsdeportationen" entschieden zurückwies.

Zugleich plädierte das Ministerium für die allmähliche Rückkehr der Flüchtlinge, wenn auch unter bestimmten Bedingungen. "Eine sichere und würdige Rückkehr ist die einzige Lösung der Flüchtlingskrise", heißt es in einem entsprechenden Papier.

Frankreich Macron Treffen mit Libanons Premier Hariri
Bittet um Hilfe für sein Land: der libanesische Präsident Saad al-HaririBild: picture-alliance/ MAXPPP/ Z. Kamil

Premier al-Hariri: Ganz Libanon wird zum Flüchtlingslager

Doch die kritischen Stimmen verstummen nicht. Der Libanon habe sich aufgrund der syrischen Vertriebenen in ein großes Flüchtlingslager verwandelt, sagte der libanesische Premier Saad al-Hariri. Er forderte die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung des Libanon auf - die Ressourcen des Landes seien erschöpft. Auch warnte er vor steigenden Spannungen zwischen den Flüchtlingen und der libanesischen Bevölkerung, entfacht durch den Kampf um Versorgungsgüter und Arbeitsmöglichkeiten.

Für die Flüchtlinge wird die Lage derweil immer schwieriger. So wies die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" darauf hin, dass 13 libanesische Kommunen tausende syrischer Flüchtlinge aus ihren Unterkünften vertrieben hätten. Rund 42.000 weitere Flüchtlinge seien ebenfalls von Vertreibung bedroht.

Wie viele Flüchtlinge sich im Libanon aufhielten, lasse sich nicht sagen, erklärt Malte Gaier, Leiter des Beiruter Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, im Gespräch mit der DW. Einem UNHCR-Bericht zufolge hätten sich Ende März rund 991.000 syrische Flüchtlinge im Libanon aufgehalten. Die libanesische Regierung hingegen erklärte, es befänden sich rund anderthalb Millionen Flüchtlinge im Land, womöglich sogar mehr.

Populistische Anschuldigungen

Seit Monaten drängen mehrere libanesische Regierungsmitglieder auf die Rückkehr der Flüchtlinge, ungeachtet der Sicherheitslage im Nachbarland. Längst zirkulieren Vorbehalte auch in weiten Kreisen der Bevölkerung. "Die Libanesen finden wegen der Syrer keine Arbeit mehr", lautet eine oft zu hörende Einschätzung. Andere fordern, die von Syrern betriebenen Geschäfte zu schließen. In einigen Städten hängen Plakate, auf denen die Syrer für die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes verantwortlich gemacht werden.

Explosionen erschüttert Damaskus
Sichere Rückkehr? Explosion im Viertel Hajar al-Aswad in DamaskusBild: picture-alliance/dpa/A. Safarjalani

Zuletzt warnte der libanesische Minister für Vertriebene, Mouin Maroubi, davor, syrische Flüchtlinge zum Wahlkampfthema zu machen. Einige Politiker, erklärte er, "missbrauchen das Flüchtlingsthema, um ihre politische Agenda und ihre Wahlkampagnen zu vermarkten."

Zu denen, die sich offen gegen die Präsenz der syrischen Flüchtlinge wenden, gehört Außenminister Dschibran Basil, ein ranghohes Mitglied der "Freien Patriotischen Bewegung", die eng mit der Hisbollah verbunden ist. Wiederholt warnte er, die syrischen Flüchtlinge könnten die Stabilität des Libanon gefährden. Es gebe einen internationalen Wunsch, die syrischen Flüchtlinge im Libanon anzusiedeln, erklärt er.

Gaier: Keine Gefahr für die demographische Stabilität

Die Flüchtlinge spielten seit Beginn des Krieges im politischen Diskurs des Libanon eine Rolle, sagt Malte Gaier von der Konrad-Adenauer-Stiftung. So höre man immer wieder die Warnung, die syrischen - überwiegenden sunnitischen - Flüchtlinge bedrohten das demographische Gefüge des Landes. Gaier hält das Argument nicht für stichhaltig. Die Syrer würden ohnehin nicht die libanesische Staatsbürgerschaft erhalten. Infolgedessen würden sie auch kein Teil des demographischen Gefüges werden.

Flüchtlingskinder ohne Gehör

Unsicheres Szenario für die Zeit nach dem Wahlkampf

Die Sorgen steigen, dass die syrischen Flüchtlinge zu einem nützlichen Sündenbock für politische Rivalitäten im Vorfeld der Wahlen werden. Andere äußern die Sorge, die Parteien könnten sich nach den Wahlen darauf verständigen, die Flüchtlinge nach Syrien zurückzubringen. Dabei könnten sie sich auf die Behauptung berufen, in einigen Regionen des Landes sei es sicher.

Gaier allerdings hält ein solches Szenario für eher unwahrscheinlich. Es sei zwar richtig, dass der Ton gegenüber den Flüchtlingen lauter werde. Das sei aber insofern verständlich, als dass der Libanon sich in einem mit schrillen Tönen geführten Wahlkampf befinde. Viele Politiker schlügen bewusst nationalistische Töne an, um höhere Stimmenanteile zu erzielen. Er glaube aber nicht, dass sie die Syrer nach dem Wahlkampf tatsächlich aus dem Land treiben wollten.