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Politik

Liu Xia in Berlin

Dang Yuan
10. Juli 2018

Die Witwe des chinesischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo ist in Berlin gelandet. Auf dem Flughafen Tegel wurde sie von Unterstützern empfangen. Lange hatte Liu Xia isoliert im Hausarrest gelebt.

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Deutschland Berlin Ankunft Liu Xia, Witwe des chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Eine Erklärung gab die 57-Jährige nicht ab, die von der Öffentlichkeit weitgehend abgeschirmt wurde. Für Liu geht eine lange Zeit des Wartens zu Ende. Der Tod ihres Mannes war der traurige Höhepunkt ihres bisherigen Lebens. Die Bindung an ihn war immens. "Du bist wie der Wind, der mir nie verriet, wohin er ging! Wenn du kommst, tränen meine Augen; wenn du gehst, hinterlässt du Sandkörnchen." So schrieb die Dichterin Liu Xia 1992 an ihren späteren Ehemann Liu Xiaobo. Der war damals einer der bekanntesten kritischen Essayisten Chinas. Kennengelernt hatten sich die beiden bereits Anfang der 80er Jahre in Peking.

Finnland Ankunft Liu Xia, Witwe des chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo
Zwischenstopp in HelsinkiBild: picture-alliance/dpa/Lehtikuva/J. Nukari

Die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 brachte Liu Xiaobo endgültig in Gegnerschaft gegen das herrschende System, das ihn dafür gnadenlos verfolgte. 1996 heirateten Liu Xia und Liu Xiaobo in dem Arbeitslager im Nordosten Chinas, wo letzterer damals zur "Umerziehung" einsaß. Ein gemeinsames Hochzeitsfoto für die Heiratsurkunde konnte im Lager nicht geschossen werden. Liu klebte zwei Fotos von ihr und ihm zusammen. Das Hochzeitsmahl fand in der Kantine des Lagers statt.

Den Trauschein nutzte Liu Xia als "Besucherschein", um Liu Xiaobo monatlich im 800 Kilometer von Peking entfernten Arbeitslager zu besuchen, drei Jahre lang. Sie schickte ihm Bücher, schrieb Briefe und Postkarten, die sie nicht abschicken durfte, sondern an den Wänden ihrer Wohnung befestigte. "Nur so finde ich meine innere Ruhe", sagte sie.

USA Fotoausstellung The Silent Strength of Liu Xia in New York
Fotoausstellung von Liu Xia 2012 in New YorkBild: dapd

"Charta 08" und die Folgen

Im Dezember 2008 wurde Liu Xiaobo als maßgeblicher Verfasser der "Charta 08" verhaftet, die damals von 303, inzwischen von über 5000 Dissidenten unterzeichnet wurde. In dem Manifest wird eine umfassende demokratische Reform Chinas und damit Abkehr vom Machtmonopol der KP Chinas gefordert. Liu Xiaobo wurde 2009 wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Welche Kraft die Künstlerin Liu Xia dem Kämpfer Liu Xiaobo gab, machte er in seinem Plädoyer vor der Urteilsverkündung deutlich: "Ich sitze im Gefängnis meine Strafe ab, während du im inneren Gefängnis des Herzens auf mich wartest. Deine Liebe strahlt über die hohe Mauer durch das Gitterfenster, streichelt jeden Quadratzentimeter meiner Haut und wärmt sie auf. Das gibt jeder Minute, die ich im Gefängnis verbringe, einen Sinn."

Gegenüber ihrer Freundin Ai Xiaoming soll Liu Xia später gesagt haben, dass sie geahnt habe, dass die "Charta 08" ihrem Familienleben Probleme bereiten werde. "Ich kann nur tun, was ich immer getan habe, nämlich mit viel Geduld warten, bis die Katastrophe vorbei ist", sagt Liu Xia.

Berlin Willkommenszeremonie Pandabären | Protest
(Archiv) Aktivisten in Berlin forderten im Juli 2017 freie Ausreise von Liu XiaBild: Reuters/F. Bensch

Hoffnung trotz Isolation und Krankheit

Die Katastrophe für Liu Xia war, dass sie sämtliche Kontakte zur Außenwelt abbrechen musste. Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises 2010 an Liu Xiaobo in absentia wird sie rund um die Uhr von zivilen Sicherheitsbeamten überwacht. 2012 gelang es einer Gruppe von Aktivisten, die Absperrung durchzubrechen und Liu Xia zu Hause zu besuchen. Eine Videoaufnahme zeigte, dass Liu Xia weint und ihren Freunden etwas ins Ohr flüstert. Trotz ihres offensichtlich schlechten seelischen und körperlichen Zustands gibt sie diese einzige Botschaft aus: "Mir geht es gesundheitlich gut". Es ist eine Botschaft an ihren inhaftierten Mann Liu Xiaobo, nämlich: Ich bin genau so stark wie du.

Liu Xiaobo starb 2017 aufgrund einer fortgeschrittenen Krebserkrankung. Die internationale Gemeinschaft forderte seither die chinesische Regierung auf, Liu Xia, die an Depressionen leidet, zur medizinischen Behandlung ausreisen zu lassen. Liu selbst hatte auch den Wunsch geäußert, nach Deutschland zu kommen.

Nun hatte Liu Xia überraschend die Ausreisegenehmigung bekommen und reiste in Begleitung des deutschen Botschafters nach Deutschland. Die Freilassung erfolgte nur einen Tag nach dem Besuch des chinesischen Ministerpräsident Li Keqiang zu deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin. Bundeskanzlern Angela Merkel hatte sich wiederholt für die Freilassung und Ausreise von Liu Xia eingesetzt.