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Lizenzvergabe: Deutsche Titel im freien Fall?

7. Oktober 2010

Jahrelang sind die Zahlen gestiegen, jetzt aber geht die Kurve nach unten: 2009 wurden rund ein Drittel weniger Lizenzen ins Ausland verkauft als noch im Jahr 2007. Sinkt das Interesse an deutscher Literatur im Ausland?

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Deutsche Titel auf der Buchmesse (Foto: DW)
Deutsche Literatur – bitte hingucken!Bild: DW/Petra Lambeck

Die Statistik, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels herausgegeben hat, scheint eindeutig: Der Trend geht nach unten, deutsche Autoren werden im Ausland immer weniger übersetzt. Was aber steckt dahinter? Unter anderem die Finanzkrise, sagt Tobias Voss, der Leiter der internationalen Abteilung der Frankfurter Buchmesse. Eine nahe liegende Erklärung – doch was bedeutet das für den deutschen Buchmarkt?

Bei Statistiken muss man genauer hinschauen

Tobias Voss, der Leiter der internationalen Abteilung der Frankfurter Buchmesse (Foto: DW)
Tobias Voss leitet die internationale Abteilung der BuchmesseBild: DW/Petra Lambeck

Die Zahlen sind ein "Krisenphänomen", sagt Tobias Voss. Eine Krise der deutschen Literatur aber sieht er nicht. Die Lizenzverkäufe seien zwar zurückgegangen, aber man müsse da differenzieren. So sei zwar die Nachfrage nach hoher Literatur in den letzten Jahren gesunken, "aber wenn man sich die Verkaufszahlen ins Ausland in der Unterhaltungsliteratur ansieht – da haben wir ungefähr ein gleich bleibendes Interesse."

Hohe Literatur verkauft sich eben weniger leicht – ein Risiko, das viele Verlage nach der Finanzkrise nicht eingehen wollen. Anders ist das, wenn der Autor oder die Autorin einen renommierten Preis gewinnt. Eine solche Nominierung kann das Interesse an einem Buch sehr spontan steigern. Diese Erfahrung machte der Hanser Verlag im letzten Jahr, als Herta Müller den Nobelpreis bekam. "Wir sind überrannt worden", erzählt Friederike Barakat, die Leiterin der Abteilung für Auslandslizenzen des Verlags. "Es war ja im letzten Jahr so, dass der Literaturnobelpreis vor der Buchmesse bekannt geworden ist. Und nur um eine Zahl zu nennen: Ich habe in den zwei Stunden nach der Bekanntgabe des Nobelpreises 600 Mails bekommen."

Verlage sind vorsichtiger geworden

Auch der deutsche Buchpreis, der den besten Roman des Jahres auszeichnet und seit 2005 am Vorabend der Buchmesse verliehen wird, sorgt in der Regel dafür, dass ein Buch im Ausland mehr Aufmerksamkeit bekommt. Insgesamt aber kommen die Vertragsabschlüsse durchaus zögerlicher zustande als noch vor ein paar Jahren, sagt Friederike Barakat. Man müsse dabei bedenken, dass die Entscheidung für ein Buch eine relativ spontane sei. "Die Leute lesen das Buch, finden es toll, sagen: Das passt in unser Haus, in unser Programm, das möchte ich gerne machen. Und in der Regel dauert es, wenn die Häuser nicht zu groß sind, noch eine Sitzung im Haus mit den anderen Kollegen bis klar ist: Das kann man jetzt machen." Heute zieht sich so eine Entscheidung schon mal ein paar Monate hin und manche Titel, die sich vor drei oder vier Jahren noch ohne Probleme verkauft haben, haben es jetzt plötzlich schwer auf den ausländischen Markt zu kommen, sagt Barakat.

Übersetzungeförderung als Anreiz

Stand des Goethe Instituts auf der Frankfurter Buchmesse (Foto: DW)
Auch das Goethe Institut mischt auf der Messe mitBild: DW/Petra Lambeck

Um den Verlagen die Entscheidung etwas leichter zu machen, gibt es diverse Übersetzungsförderungen, unter anderem auch vom Goethe Institut. Dort hat man von den rückläufigen Zahlen noch nichts bemerkt. Sie bekommen deutlich mehr Anfragen, als sie bewilligen können. Die Förderung besteht in der Regel darin, dass ein Teil des Übersetzerhonorars übernommen wird. Beim Goethe Institut sind das in der Regel 50 bis 70 Prozent. Es kann aber auch weniger sein, sagt Sabine Erlenwein, die für den Bereich Literatur – und Übersetzungsförderung zuständig ist. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn ein Buch sehr gefragt sei. Da gehe es dann oft eher um einen symbolischen Betrag, da das Risiko der Verlage nicht besonders hoch sei. Bei Herta Müller beispielsweise habe es einige Anträge gegeben, bei denen die Unterstützung vielleicht nicht unbedingt notwendig gewesen sei. "Aber wir würden niemals sagen, dass wir Herta Müllers Veröffentlichungen nicht unterstützen. Das ist auch eine moralische, ethische Frage. Natürlich unterstützen wir die guten Bücher. Wir haben auch Cornelia Funke jedes Mal unterstützt."

Bücher mit internationalem Hintergrund gefragt

Allgemein gibt es eine Tendenz, Titel aus Deutschland einzukaufen, die nicht einen "nur deutschen Hintergrund haben", sagt Friederike Barakat vom Hanser Verlag. Als Beispiel nennt sie Autoren wie Ilija Trojanow, der schon in seiner Biographie sehr viele verschiedene Einflüsse vereint, oder Rafik Schami, der in Syrien geboren ist, aber schon lange in Deutschland lebt. Aber auch ein Arno Geiger, der in "Es geht uns gut" eine österreichische Familiengeschichte erzählt, hat sich im Ausland sehr gut verkauft. Wobei man da hinzufügen muss: Das Werk hat den Deutschen Buchpreis 2005 bekommen. Auch das war sicherlich hilfreich.

Autorin: Petra Lambeck

Redaktion: Manfred Götzke