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Lobbyismus in der Schule

Michael Hartlep12. August 2015

Die Kinder von heute sind die Konsumenten von morgen. Viele Firmen wissen das und versuchen, die Kinder an sich zu binden. Mit gesponserten Wettbewerben, einseitigen Unterrichtsmaterialien und Schulkooperationen.

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Eine Schülerin der Gesamtschule Barmen in Wuppertal, vertieft in ihr Schulheft.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Becker

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"Mieten oder kaufen - Was will ich später einmal?" Das ist die Überschrift des #link:http://www.bausparkassen.de/fileadmin/user_upload/pdf_service/AB_02_2014_Mieten_Kaufen.pdf:Arbeitsblattes# für die 8. bis 10. Klasse. Der Tenor: Mieten ist eigentlich keine gute Idee. Die Schüler erfahren vom "emotionalen Wert" der eigenen vier Wände und von den besseren Entfaltungsmöglichkeiten. Und natürlich auch, wie viel günstiger es doch sei, sich ein eigenes Haus anzuschaffen. Dass die Informationen vom Verband der Privaten Bausparkassen herausgegeben werden, steht auf dem Arbeitsblatt nicht.

Es ist nur ein Beispiel von vielen, wie Wirtschaft und Verbände in Deutschland ihre Inhalte an Schulen platzieren. 16 der 20 größten deutschen Unternehmen bieten Unterrichtsmaterialien an, ermittelten Forscher der Universität Augsburg. Kostenlos zum Herunterladen im Internet. Selbstlos ist das Engagement der Firmen nicht.

"Die Unternehmen wollen die Schüler an eine Marke binden und von einem Weltbild überzeugen", sagt Felix Kamella von der Organisation #link:https://www.lobbycontrol.de/schwerpunkt/lobbyismus-an-schulen/:LobbyControl#. "Je früher das erfolgt, desto eher klappt es. Weil das Weltbild noch nicht so gefestigt ist."

Eine Lehrerin steht an der Tafel und schreibt.
Nicht immer steht ein Lehrer an der Tafel. Manchmal auch ein Mitarbeiter von Exxon oder Allianz.Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Die Unternehmen wollen die Schüler an sich binden

Deshalb setzen viele Firmen schon in der Grundschule mit tendenziösen Materialen oder sogar offener Werbung an. "Komm, back mit" heißt die #link:http://www.oetker.de/kindergarten-und-grundschulmaterial/unterrichtsmaterial-fuer-schueler.html:Unterrichtsmappe# von Dr. Oetker, die es kostenlos im Internet gibt. Darin stehen Rezepte, für die man vor allem Zutaten des Lebensmittelkonzerns benötigt. Die Kinder können außerdem einen Lückentext ausfüllen und lernen, wie Dr. Oetker das Backpulver erfunden hat. Im Internet bietet der Konzern auch Exkursionen in die Dr.-Oetker-Welt an, in der die Kinder mit Backpulver experimentieren können.

Andere Firmen schicken ihre "Experten" sogar in den Unterricht. Dort informieren dann #link:http://www.myfinancecoach.de/my-finance-coach/:Versicherungsvertreter# die Schüler zu Versicherungen und Finanzfragen, bezahlt von der Allianz-Versicherung, ein paar Banken und der Unternehmensberatung McKinsey. Wie ausgewogen das geschieht, ist fraglich. Auch Werbung ist bei Unternehmen beliebt. Chips-Hersteller Funny-Frisch und VW sponserten Sportwettkämpfe für Schulklassen. Andere Firmen setzen auf Onlinespiele, um den Schülern ihre Inhalte zu vermitteln.

Pressebild Schneckental-Grundschule - Intersnack EINSCHRÄNKUNG
Ein Laufwettbewerb an einer Schule - gesponsert von einem Chips-HerstellerBild: OBS/Intersnack

Eltern wollen unabhängige Bildung

In den meisten Bundesländern ist Werbung an Schulen per Gesetz verboten. Unternehmen und Verbände bezeichnen ihre Angebote daher als "Bildungskommunikation". Was genau darunter fällt, ist gesetzlich nicht definiert. Außerdem gibt es die Lernmittelfreiheit, das heißt, es liegt in der Verantwortung der Lehrer, welche Materialien sie benutzen.

Viele Eltern sehen den Lobbyismus an Schulen als Grenzüberschreitung. "Als Vater möchte ich, dass meine Kinder so unabhängig wie möglich unterrichtet werden, damit sie selber entscheiden können, was sie später wollen oder nicht", sagt Wolfgang Pabel vom Bundeselternverband. "Die Schulen und die Lehrer sollten prüfen, von wem das Unterrichtsmaterial ist und in welchem Interesse. Und wenn das versteckt ist, dann hat das bei den Kindern nichts zu suchen."

Eine Verantwortung, der sich viele Lehrer bewusst sind. Auch sie stehen den Unterrichtsmaterialien von Unternehmen eher skeptisch gegenüber, ergab eine #link:http://zap.vzbv.de/13057061-4596-4120-b649-224472b418f8/Verbraucherbildung-Analyse-Unterrichtsmaterialien-vzbv-2014.pdf:Studie# des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes. Doch wenn es um Themen wie Altersvorsorge, Lebensmittelherstellung oder Handyverträge geht, haben sie oft keine Wahl. Viele Schulbücher decken diese Themen nicht ab. Die Entscheidung, was einseitig ist, liegt dann bei den Lehrern. Eine offizielle Stelle, an die sie mit fragwürdigem Unterrichtsmaterial wenden können, gibt es Deutschland noch immer nicht.