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Lockdown geht weiter, aber mit Lockerungen

3. März 2021

Es klingt wie die Quadratur des Kreises: Weil die Infektionszahlen bestenfalls stagnieren, wollen Bund und Länder den Lockdown verlängern, zugleich aber auch die strengen Corona-Auflagen teilweise lockern.

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Coronavirus - Ein "Geschlossen"-Schild hängt im Eingang zu einer Buchhandlung
Buchhandlungen dürfen hierzulande wohl bald wieder öffnen Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Der Lockdown zehrt in Deutschland immer mehr an den Nerven, der Ruf nach Lockerungen wird immer lauter. Bund und Länder müssen an diesem Mittwoch darauf reagieren. Ein vorläufiger Beschlussentwurf für die Unterredung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Bundesländer ist bereits durchgesickert. Zwar ist man sich in wichtigen Details offenkundig noch nicht einig, doch klar scheint immerhin zu sein, dass die meisten geltenden Schutzmaßnahmen als Regelfall zunächst bis zum 28. März verlängert werden.

Der Beschlussvorlage zufolge, die auch der Deutschen Welle vorliegt, sollen bereits von Montag an die Kontaktbeschränkungen leicht gelockert werden. Bis zu fünf Menschen aus zwei Haushalten sollen sich dann wieder treffen dürfen, über die Osterfeiertage sollen private Treffen mit bis zu vier "über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen" möglich sein. Derzeit darf man sich nur mit einer nicht im Haushalt lebenden Person treffen. Der Entwurf enthält zudem einen Vier-Stufen-Plan für eine schrittweise Öffnung des öffentlichen Lebens.

Die Kanzlerin verwies nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion darauf, dass die deutschen Inzidenzwerte im europäischen Vergleich "vergleichsweise niedrig" seien. Allerdings mahnte sie demnach auch: "Wir brauchen eine Notbremse, wenn die Zahlen wieder hochgehen."

Mehr Impfstoffe, mehr Tests

Der Beschlussvorlage zufolge kassieren Bund und Länder de facto ihren erst vor drei Wochen gefassten Beschluss, Öffnungen prinzipiell vom Unterschreiten des Inzidenzwerts 35 abhängig zu machen. Darauf drängen vor allem mehrere Landesregierungen. Verwiesen wird zur Begründung auf die zunehmende Verfügbarkeit von Impfstoffen sowie von Testmöglichkeiten. "Schnelltests sind inzwischen in großer Zahl verfügbar und das Testangebot auf dem Markt wird durch kostengünstige Selbsttests erweitert", heißt es in dem Papier.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz forderte indessen erneut eine klare Öffnungsperspektive. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Vieles, was im Augenblick zu lesen und zu hören ist, reicht aus meiner Sicht noch nicht aus. Für mich gilt: Ich möchte eine klare Öffnungsstrategie und eine Kombination aus Öffnung und Testung."

Grüne für verantwortungsvolles Öffnen

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte vor dem Spitzengespräch ein einheitliches Vorgehen. Mit Blick auf die hohen Infektionszahlen mahnte er zudem, bei Lockerungen "sehr behutsam" vorzugehen. "Es darf kein unkontrolliertes Öffnen geben, sondern ein verantwortungsvolles Öffnen mit Schutz", warnte auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

In der Beschlussvorlage heißt es zu möglichen Ausnahmen von den geltenden Einschränkungen, Bund und Länder wollten "erproben", wie durch "die deutliche Ausweitung von Tests" und eine bessere Kontaktnachverfolgung "Öffnungsschritte auch bei höheren Sieben-Tage-Inzidenzen mit über 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner möglich werden".

Hoffnung für Buchhandlungen

Im Geschäftsleben sollen nach den Friseuren, die am Montag ihre Geschäftsräume wieder öffnen durften, demnach in einem zweiten Schritt bundesweit Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte aufmachen dürfen. Sobald regional der Inzidenzwert stabil unter 35 sinkt, sollen in einem dritten Schritt aber auch Einzelhandel, Museen, Zoos und Sportstätten im Außenbereich unter Auflagen wieder öffnen dürfen. In einem vierten Schritt könnte bei stabilen Inzidenzwerten die Öffnung von Außengastronomie, Theatern, Konzerthäusern und Kinos folgen.

Die Stufen drei und vier könnten laut Vorlage jedoch auch schon in Kraft treten, wenn der Inzidenzwert noch über 35 liegt - dann aber mit deutlichen Einschränkungen und unter Vorbehalt. Über noch weiter gehende Öffnungen - etwa in der Innengastronomie - sollen Kanzlerin und Länderchefs am 24. März beraten.

Die Zahl der Impfungen wollen Bund und Länder baldmöglichst verdoppeln, auch unter Einbeziehung von Hausarztpraxen. Zudem soll es spätestens Anfang April ein bis zwei kostenlose Schnelltests pro Woche nicht nur für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte und Erziehungspersonal geben, sondern auch für Beschäftigte von Unternehmen. Alle anderen Bürger sollen sich ein bis zwei Mal pro Woche in einem kommunalen Testzentrum kostenlos testen lassen können.

Drosten rügt Impf-Perfektionismus

Derweil warnte der renommierte Virologe Christian Drosten im Vorfeld des Spitzengesprächs vor steigenden Infektionszahlen infolge von Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Drosten sagte im NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update", es sei aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Überlegungen berechtigt, Maßnahmen zurückzunehmen. "Nur muss man eben auch ganz neutral sagen, was dann auch passieren wird. Es wird passieren, dass dann die Inzidenz wieder steigt."

Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 9019 Corona-Neuinfektionen - und damit gute 1000 mehr als vor genau einer Woche. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 418 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 registriert. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) liegt laut RKI an diesem Mittwoch bei 64,0 - und damit etwas niedriger als am Vortag (65,4). 

Christian Drosten-Podcast für Grimme Online Award nominiert
Er setzt beim Impfen auf das Knowhow der Haus- und Betriebsärzte: Christian DrostenBild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Der Chefvirologe der Berliner Charité kritisierte zugleich das derzeitige staatliche Vorgehen bei den Impfungen. Er habe das Gefühl, "dass da ein deutscher Perfektionismus entstanden" sei. Er rief dazu auf, dringend die Hausärzte und Betriebsärzte beim Impfen mit einzubeziehen. Die Hausärzte wüssten etwa, wer bevorzugt geimpft werden sollte oder auch wer zu einer Impfung bereit sei. "Dieser menschliche Faktor wird im Moment nicht genutzt", so Drosten.

Drosten schätzt den Anteil der in Großbritannien entdeckten Corona-Variante B.1.1.7 an den Infektionen in Deutschland inzwischen auf ungefähr die Hälfte. Der Anteil dieser ansteckenderen Mutante werde weiter steigen, das sei unausweichlich. In Großbritannien gebe es mittlerweile nur noch Reste anderer Varianten, die Mutation B.1.1.7 dominiere vollkommen.

kle/ack (afp, dpa, epd, rtr)