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Lockdown wird verlängert, aber auch gelockert

4. März 2021

Hoffnungen auf Lockerungen einerseits, steigende Infektionszahlen andererseits - vor diesem Hintergrund haben Bund und Länder lange darum gerungen, wie es in der Corona-Krise weitergeht. Jetzt gibt es ein Ergebnis.

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Deutschland Coronavirus l Bund-Länder-Videokonferenz
Kanzlerin Merkel und Berlins Regierender Bürgermeister Müller trafen sich vor der VideokonferenzBild: Guido Bergmann/Bundesregierung/dpa/picture alliance

Der Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland wird angesichts weiter hoher Infektionszahlen grundsätzlich bis zum 28. März verlängert. Allerdings soll es je nach Infektionslage weitere Öffnungsmöglichkeiten geben. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder in stundenlangen Verhandlungen beschlossen. Merkel sieht Deutschland ein weiteres Mal an der Schwelle zu einer neuen Phase der Corona-Pandemie. Sie warnte vor den neuen Virus-Mutanten. In diese Phase könne nicht mit Sorglosigkeit, "aber eben doch mit berechtigten Hoffnungen" gegangen werden, sagte die Kanzlerin im Anschluss an die neunstündigen Beratungen in Berlin. In den vergangenen Monaten sei in Deutschland sehr viel erreicht worden.

Vereinbart wurde eine stufenweise Öffnungsstrategie mit eingebauter Notbremse: Führen einzelne Lockerungen zu einem starken Anstieg der Infektionszahlen in einer Region, werden automatisch alle schon erfolgten Erleichterungen wieder gestrichen.

Wieder mehr Raum für Privates

Schon vom kommenden Montag an sollen demnach die stark beschränkten privaten Kontaktmöglichkeiten gelockert werden. Dann werden wieder private Zusammenkünfte des eigenen Haushalts mit einem weiteren Haushalt möglich sein, jedoch beschränkt auf maximal fünf Personen.

In Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 neuen Infektionen pro Woche können es auch Treffen des eigenen Haushalts mit zwei weiteren Haushalten mit zusammen maximal zehn Personen sein. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon jeweils ausgenommen. Bisher darf sich ein Hausstand mit maximal einer Person eines anderen Hausstandes treffen.

Nach den schon vorgenommenen ersten Öffnungen bei Schulen und Friseuren sollen nun in einem zweiten Schritt am 8. März Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte folgen. In einzelnen Ländern sind diese bereits offen, jetzt sollen sie nach dem Beschluss der Bund-Länder-Runde bundesweit einheitlich dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zugerechnet werden. Voraussetzung ist, dass Hygienekonzepte und eine Kundenbegrenzung eingehalten werden. Auch Fahr- und Flugschulen können den Betrieb unter Auflagen wieder aufnehmen.

Viel möglich mit Terminbuchung

Weitere eingeschränkte Öffnungen kann es schon in Regionen geben, in denen lediglich die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner unterschritten wird. Neben Terminshopping-Angeboten im Einzelhandel können dann Museen, Galerien, Zoos, botanische Gärten und Gedenkstätten für Besucher mit Terminbuchung öffnen. Erlaubt sein soll dann auch Individualsport alleine oder zu zweit sowie Sport in Gruppen von bis zu zehn Kindern bis 14 Jahren im Außenbereich. Bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 50 fallen die Auflagen weg oder werden abgeschwächt. Dann soll auch kontaktfreier Sport in kleinen Gruppen im Freien wieder möglich sein. 

Deutschland im Lockdown | Köln
Mit den vereinbarten Lockerungen werden sich die Einkaufsstraßen wohl bald wieder ein bisschen füllen Bild: Andreas Rentz/Getty Images

Die nächsten Öffnungsschritte werden dem Beschluss zufolge davon abhängig gemacht, dass die vorherige Stufe 14 Tage lang nicht zu einer Verschlechterung der Sieben-Tage-Inzidenz geführt hat. Dann geht es zunächst um die Öffnung der Außengastronomie, von Kinos, Theatern, Konzert- und Opernhäusern sowie um kontaktfreien Sport im Innenbereich und um Kontaktsport im Außenbereich. Im nächsten Schritt sind weitere Sportmöglichkeiten und Freizeitveranstaltungen dran.

Kostenlose Schnelltests für alle

Auch hier gilt: Bis zu einer 100er-Inzidenz soll es höhere Auflagen wie tagesaktuelle Tests oder einen Buchungszwang geben, die bei einer Sieben-Tage-Inzidenz bis 50 Neuinfektionen wegfallen. Wichtige Elemente für weitere Öffnungen sollen Impfen und Testen sein. Vereinbart wurde, dass Ende März/Anfang April die haus- und fachärztlichen Praxen umfassend in die Impfkampagne eingebunden werden, um diese zu beschleunigen.

Kostenlose Corona-Schnelltests für alle Bürger sollen voraussichtlich von nächster Woche an möglich werden. Der Bund will ab dann die Kosten dafür übernehmen. Pro Woche soll mindestens ein Schnelltest möglich sein, den geschultes Personal etwa in Testzentren oder Praxen abnimmt.

Weiterhin soll auf Aus- und Inlandsreisen verzichtet werden. Beim nächsten Gipfel am 22. März soll - auch mit Blick auf die Osterferien - über die Öffnung von Hotels sowie weitere Lockerungen bei der Gastronomie beraten werden. 

Braun verteidigt Corona-Beschlüsse

Kanzleramtsminister Helge Braun hält die getroffenen Beschlüsse für angemessen. "Man kann nicht eine Gesellschaft nach vier Monaten jetzt weiter im Winterschlaf halten. Deshalb sind diese Öffnungsschritte richtig", sagte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Braun versicherte, für die geplante Teststrategie gebe es ausreichende Kapazitäten in Deutschland, was aus der Opposition bezweifelt wird. 

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund nannte die Beschlüsse zu den Corona-Tests zu unkonkret. Die Organisation liege bei den Ländern und Kommunen. "Wie sich die Eigentests in das System einfügen sollen, wie der Nachweis dokumentiert wird, wie lange er gewisse Zugänge ermöglichen soll, wird leider noch nicht beantwortet", bemängelte Hauptgeschäftsfüphrer Gerd Landsberg. 

Mit Enttäuschung und Unverständnis reagierte der Einzelhandel auf die Bund-Länder-Beschlüsse. Diese seien eine "Katastrophe", erklärte der Handelsverband Deutschland (HDE). Denn faktisch werde der Shutdown für die große Mehrheit der Nicht-Lebensmittelhändler bis Ende März verlängert und es drohten weitere zehn Milliarden Euro Umsatzverluste, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Warnungen vor einer dritten Welle 

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Janosch Dahmen, zeigte sich wegen der Beschlüsse besorgt und verwies in der Deutschen Welle insbesondere auf die Mutationen. "Mich besorgt als Arzt besonders die Mutationen, die sich sehr schnell über Deutschland ausbreiten. Und ich denke nicht, dass die Maßnahmen, die die Kanzlerin jetzt mit den Ministerpräsidenten beschlossen hat, dem gerecht werden. Wir laufen gerade direkt in die nächste Corona-Welle hinein." Nach wie vor, so der Grünen-Politiker in der DW weiter, sei das Tempo bei den Impfungen gegen das Corona-Virus zu gering. Bislang sind in Deutschland etwa 5,5 Prozent der Bevölkerung mit einer ersten Dosis gegen das Virus geimpft worden. 

Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach befürchtet, dass die Beschlüsse den Einstieg zu einer dritten Corona-Welle bedeuten, wie er via Twitter deutlich machte: 

Generell enttäuscht zeigte sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner von den Ergebnissen. Mit innovativen Konzepten wäre noch viel mehr ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben möglich, sagte er. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem "Corona-Irrgarten". Die Entscheidungen bei der Pandemiebekämpfung seien nur schwer nachvollziehbar. 

haz/gri/se (dpa, rtr, afp, dw, ard)