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Lokale Netze und Solarlampen für den Busch

Martina Schwikowski
10. November 2018

Über die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung hat keinen Zugang zu Strom, gerade auf dem Land und in den Slums der Großstädte. Experten raten zu kleineren Netzen und Solarenergie. Doch das funktioniert nicht überall.

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Afrika Solaranalage
Bild: Getty Images/AFP/S. Kambou

Im Zeitalter der digitalen Revolution behelfen sich viele Menschen in Afrika noch mit Kerzen und Öllampen. Medikamente können nicht überall durchgehend gekühlt werden, Abendschulen haben kein Licht für den Unterricht und die Frauen kochen über einem Holzfeuer. 

In Gegensatz dazu stehen die Zukunftsaussichten Afrikas: Die Energienachfrage wird steigen, prophezeit unter anderem das Bundesministerium für Entwicklung (BMZ) - bis zum Jahr 2040 voraussichtlich um 80 Prozent. Gleichzeitig ist Afrika der erste Kontinent, der sich vollständig durch erneuerbare Energien versorgen könnte. Zwar seien Großkraftwerke noch wichtig, um eine gewisse Netzstabilität zu gewährleisten und Boom-Regionen zu versorgen. Die Zukunft sehen Entwicklungsexperten aber eher im Kleinen: Sie setzen auf erneuerbare Energiequellen und lokale Netze.

Afrikas Stromversorgung vor dem großen Sprung?

Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft sollen die Basis bilden für einen Zusammenschluss von kleinen Stromerzeugern und den Weg zu stabilen Netzstrukturen ebnen. So lautet die Zielsetzung für die Initiative "Grüne Bürgerenergie für Afrika" des BMZ. Sie soll durch privatwirtschaftliche Investitionen, Kommunen und Genossenschaften unterstützt und finanziert werden.

Der Kontinent könnte auf seinem Weg zur Stromversorgung die üblichen Entwicklungsstufen einfach überspringen - wie beim Aufbau der Handynetze: Die allermeisten Afrikaner hatten nie einen klassischen Festnetzanschluss. Das mobile Telefonieren verbreitete sich dagegen in Windeseile. "Leapfrogging" nennen das Experten - und vermuten: genauso könnte Afrika auch bei der Stromversorgung flächendeckende Netze überspringen - und direkt bei den lokalen Netzen landen.

Nigeria Symbolbild Handynutzung
Hanynutzer in Nigerias Wirtschaftsmetrople Lagos Bild: Getty Images/AFP/S. Heunis

Solarstrom für Banken und Schulen in Nigeria

In Nigeria hat der Deutsche Christian Wessels Erfolg mit seinem Geschäftsmodell: Der ehemalige Leiter der Barclays Bank Afrika hat in Lagos eine Firma gegründet, die Solaranlagen liefert: an Unternehmer, aber auch an Bankfilialen und Schulen. "Die meisten Unternehmen in Afrika südlich der Sahara sind sonst auf teure und umweltschädliche Dieselgeneratoren angewiesen", sagt er im DW-Interview.  Mit solchen Solaranlagen könnten die 8.000 Bankfilialen in Nigeria pro Jahr etwa auf 120 Millionen Liter Diesel verzichten und bis zu 25 Prozent ihrer Stromkosten einsparen.

Die Solaranlagen vermietet seine Firma "Sunray Ventures" langfristig. Abgerechnet wird nicht per Zähler, sondern mit einer monatlichen Grundgebühr. Denn komplizierte Abrechnungen und Verträge seien abschreckend, sagt Wessels. "Die Verträge von großen Solarparks beruhen häufig auf komplizierten Abnahmen und hängen von den jeweiligen Regierungen ab." Kaum ein Investor wolle zum Beispiel einen Vertrag über zehn Jahre unterschreiben. "Da müssen andere Lösungen her, afrikanische Lösungen, mit dezentralen Netzen und einem Energiemix", sagt er.

Mehr afrikanische Initiativen gewünscht

Der Unternehmer will auch Farmer im ländlichen Raum für seine Ideen gewinnen. Und er wünscht sich afrikanische Initiativen: Es gebe zu wenig Firmen, die aus Nigeria oder Afrika heraus diese Märkte angingen, sagt er. "Die größte Herausforderung für unsere Konkurrenten ist die Finanzierung." Es gebe bisher wenig Effekte, aber viele Programme auf dem Papier. Initiativen wie die der Bundesregierung oder anderer Geldgeber gingen ein Stück am Kernbedarf vorbei: "Wenn die deutsche Regierung etwas Sinnvolles tun will, dann sollte sie eine Finanzierung in Euro bereitstellen, die langfristige Gelder mit einer Absicherung gegen Währungsschwankungen in Afrika bietet", sagt Wessels.

Gambia vor der Vereidigung von Adama Barrow
Stromausfall in Gambia. Auch in anderen Ländern fällt regelmäßig der Strom aus, eine flächendeckende Versorgung ist oft nicht gewährleistetBild: DW/V. Haiges

Auch Thilo Vogeler von der Deutschen Außenhandelskammer in Kenia sagt: Wegen mangelnder Investitionen seien die Erfolgsaussichten solcher im Ausland angelegten Projekte gering. "Ein Solarnetz ist technisch anspruchsvoll, oft fehlt es an Know-How." Dezentrale Netze seien zudem teurer, denn sie müssten extreme Kapazitäten vorhalten, um Spannungsschwankungen auszugleichen. Außerdem möchte er den Mensche in Afrika keine Vorschriften machen: "Wir dürfen nicht den Fehler wiederholen, den angeblich unmündigen Afrikanern zu sagen, was sie machen sollen."

Kenia ist ein Vorzeigebeispiel in Sachen Stromanschluss: "Rund 60 Prozent der Menschen sind schon an das normale Netz angeschlossen. In Tansania sind es weniger, aber in Ostafrika haben viele Menschen Strom. Kenia will bald mit subventionierten Anschlüssen 80 Prozent erreichen", erklärt Vogeler. Auch Solarstrom sei weit verbreitet. "Besonders in Nairobi kann man den Fortschritt sehen." Handy-Anbieter laden Telefone mit Solarzellen auf, zum Teil auf dem Land. Irgendwie komme jeder an Energie - sei es durch Solarzellen oder Autobatterien.

Dorfbewohner verkaufen ihr Vieh für Strom

Auch die Simbabwerin Chandirekera Mutubuki-Makuyana setzt auf Solarenergie - aber nicht in der Stadt, sondern in den abgelegenen Gegenden im Süden des Landes. Sie arbeitet für die niederländische Entwicklungs-Organisation SNV, die in Simbabwes ländlichen Regionen unabhängige Stromnetze aufbaut. Dass die Initiative von Ausländern kommt, stört sie nicht: "Wir wollen Licht und Strom. Es ist nur eine Frage, wie wir uns vernetzen", sagt sie in einem DW-Interview. "Der Fokus liegt jetzt auf langfristiger Versorgung, die soll gewährleistet sein." Derzeit sei die Lagerung des Stroms noch zu teuer.

10.000 Menschen, darunter 20 kleine Stromnetze, zählten zu den Abnehmern. "Wir haben schon erlebt, dass Dorfbewohner ihr Vieh verkauft haben, um Strom bezahlen zu können." Ihre Organistation versucht, auf die Bedürfnisse ihrer Kunden genau einzugehen. Junge Privatunternehmer aus Simbabwe sind mit an Bord und arbeiten bezahlbare Produkte aus. "Für Geschäftszentren lohnt es sich, eine Leitung von einem Solarpark zu ihnen zu legen", sagt Mutubuki-Makuyana. Die zahlten mit 30 Dollar-Cent pro Kilowattstunde einen teureren Stromtarif als zum Beispiel Kliniken, Schulen oder Farmgenossenschaften. "An entlegene Haushalte liefern wir dann eher Solarpanels oder auch nur eine Solarlampe in den Busch. Auch das lohnt sich, wenn das Geschäftsmodell stimmt."