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Lotto-Glück, Lotto-Streit

7. Januar 2012

Die Chancen sind verschwindend gering, dennoch hoffen Millionen Deutsche jede Woche auf den großen Lottogewinn. Dem Staat bescheren sie damit Milliardeneinnahmen – die dieser beharrlich gegen private Anbieter verteidigt.

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'Lottofee' Franziska Reichenbacher (Foto: dpa)
Die "Lottofee" - hier Franziska Reichenbacher - gibt es seit 1965 im deutschen FernsehenBild: picture-alliance/dpa

Samstag, 13.30 Uhr in einer deutschen Lotto-Annahmestelle: Der Ladenschluss naht, der Andrang ist groß; Kugelschreiber und freie Plätze zum Ausfüllen der Spielscheine sind Mangelware. Vom großen Glück trennt alle Anwesenden nur noch ein kleines Problem: die richtigen sechs Felder zu finden. Und da hat jeder seine eigene Methode: Die einen kreuzen wild drauflos, die anderen haben zumindest ein paar feste Zahlen. Und ganz viele Leute spielen einfach mit den Zahlen auf dem Schein, mit dem es bei der letzten Ziehung "leider" wieder nicht geklappt hat, noch einmal – wieder und wieder. Jahrelang, jahrzehntelang.

Glückssuche mit geringer Suchtgefahr

Trotzdem - in den finanziellen Ruin stürzt auch die regelmäßige Jagd nach dem Lottoglück die wenigsten. Dafür sorgt schon die Verschnaufpause zwischen den Ziehungen, sagt Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim: "Bei den derzeit angebotenen Formen von Lotterien, die zweimal die Woche stattfinden, ist das Suchtgefährdungspotenzial zu vernachlässigen."

Ein Lottoschein wird ausgefüllt (Foto: dpa)
Die Chance auf den Hauptgewinn liegt bei 1:149 MillionenBild: AP

Seit 1956 gibt es in Deutschland die Lotterie "6 aus 49", seit 1965 wird die "Ziehung der Lottozahlen" am Samstagabend im Fernsehen übertragen – eine Sendung mit Kultcharakter. Und eigentlich müssten nach jeder Ziehung nicht nur die Glückspilze mit den sechs Richtigen plus "Superzahl" vor Freude in die Luft springen, sondern auch noch ein paar Damen und Herren mit Dauergewinn-Garantie: die Finanzminister der Bundesländer.

Finanzminister mit Gewinngarantie

Lotto unterliegt nämlich dem Glückspiel-Monopol und darf nur von den staatlichen Lotteriegesellschaften angeboten werden. Und so landen 40 Prozent der Spieleinsätze als stetig fließender Geldsegen in den Länderkassen – ein bedeutender Einnahmeposten, war den Deutschen doch der Traum vom plötzlichen Reichtum 2011 wie schon im Vorjahr wieder rund sechs Milliarden Euro wert. Auch im abgelaufenen Jahr gab es gut gefüllte Jackpots und spektakuläre Einzelgewinne: 24,8 Millionen Euro im April, 20,6 Millionen im August – steuerfrei übrigens. Zufriedene Lottospieler also, zufriedene Bundesländer, zufriedene Lotto-Annahmestellen und Lotto-Gesellschaften? Nicht ganz, denn seit einigen Jahren wackelt das staatliche Glückspielmonopol ziemlich heftig.

Monopol auf dem Prüfstand

Das Monopol umfasst nicht nur Lotterien, sondern auch den Betrieb von Casinos und das Anbieten von Sportwetten. Da kommen noch einmal ganz andere Geldsummen ins Spiel - und von diesem lukrativen Glückskuchen wollen auch private Wettanbieter etwas abhaben. Oft nur im Internet vertreten, dafür aber grenzüberschreitend, berufen sie sich auf das EU-Recht zur freien Berufswahl und zum freien Marktzugang. Das staatliche Argument für das Monopol lautet dagegen: Der "natürliche Spieltrieb der Bevölkerung" müsse "in geordnete und überwachte Bahnen" gelenkt, der Bürger also vor dem Abgleiten in wilde Zockerei und ruinöse Spielsucht abgehalten werden. Neben anderen Werbe-Einschränkungen für die Lotterie war 2009 die Tipp-Abgabe im Internet untersagt worden.

Neuer Glücksspielstaatsvertrag

Im neuen Glücksspielstaatsvertrag, der 2012 in Kraft treten soll, ist das Lotto-Spielen via Internet wieder erlaubt. Darüber freut sich Erwin Horak, Chef von Bayern Lotto und federführend Sprecher für den Deutschen Lotto- und Totoblock, in dem alle 16 Lottogesellschaften der Bundesländer organisiert sind: "Die internetaffinen Menschen werden immer mehr, der Internetvertriebsweg wird immer beliebter", hat Horak festgestellt. Aber noch viel wichtiger: Die staatlichen Betreiber hoffen auf Erleichterungen im Bereich der Werbung – und vor allem auf juristische Klarheit: "Hier wird es künftig verbindliche Werberichtlinien der Länder geben, die dann auch vor den Zivilgerichten standhalten sollen."

Schleswig-Holstein schert aus

Ein Schild weist auf einen Lotto-Jackpot in Höhe von 30 Millionen Euro hin (Foto: dpa)
Spektakuläre Einzelgewinne locken Millionen SpielerBild: dpa

Unterschrieben wurde der neue Glücksspielstaatsvertrag allerdings kurz vor Weihnachten nur von 15 der 16 Ministerpräsidenten. Schleswig-Holstein ist nicht mit im Boot. In Kiel hat sich nämlich die Regierungskoalition aus CDU und FDP auf eine deutlich liberalere Glücksspiel-Gesetzgebung verständigt. Private Anbieter kommen hier wesentlich unkomplizierter an Lizenzen als im übrigen Bundesgebiet. Die Argumentation Schleswig-Holsteins: Eine übertriebene Bevormundung von Spielwilligen sei nicht mehr zeitgemäß, viele in den grauen oder schwarzen Markt abgewanderte Betreiber könne man wieder in die Legalität zurückholen – was dann auch wieder mehr Geld in die Landeskassen spülen würde.

Dass aber Schleswig-Holstein dann auch allein profitieren könnte, missfällt wiederum den Glücksspiel-Kollegen in den anderen Bundesländern. Einzelne Landes-Lottogesellschaften drohen mit dem Ausschluss von Lotto Schleswig-Holstein aus dem Deutschen Lotto- und Totoverband.

Unterstützung durch private Lottounternehmen

Unterstützung für die schleswig-holsteinische Linie kommt von Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes, in dem private Spielvermittler organisiert sind: Der Umsatz seines Unternehmens Lotto Faber sei durch die bisherigen Vorschriften seit 2008 massiv eingebrochen; und auch der neue Glücksspielstaatsvertrag sei viel zu restriktiv und verstoße zudem gegen europäisches Recht. Eigentlich, so Faber, säßen doch die privaten Anbieter und die staatlichen Lottogesellschaften in einem Boot: Mit der bisherigen Argumentation aber und den damit verbundenen Umsatzrückgängen werde das staatliche Glücksspielmonopol "viel schneller fallen, als sich das mancher derzeit vorstellt".

Autor: Michael Gessat

Redaktion: Dеnnis Stutе