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Lufthansa entgeht Kartellstrafe in Brasilien

Jan D. Walter / Fernando Caulyt29. August 2013

In Brasilien mussten sich insgesamt neun Fluggesellschaften vor dem Kartellamt verantworten. Die Lufthansa kam als Kronzeuge straffrei davon. Die Regel ist für die Wettbewerbshüter eine wichtige Waffe.

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Beladung von Lufthansa Cargo Maschine Foto: FRA F/CI, Lufthansa Cargo
Bild: FRA F/CI, Lufthansa Cargo

Vier der ursprünglich neun Fluggesellschaften, die in Brasilien illegale Preisabsprachen getroffen hatten, sind am Mittwoch (28.08.0213) vom brasilianischen Kartellamt zu Geldstrafen von umgerechnet 95 Millionen Euro verurteilt worden. Laut Anklage hatten sich die Fluggesellschaften im Luftfrachtverkehr unerlaubterweise über Kerosinzuschläge abgesprochen. Die sollten es Fluggesellschaften ermöglichen, flexibel auf schwankende Ölpreise zu reagieren.

Im März 2010 hatte die brasilianische Luftfahrtbehörde diese Praxis für unzulässig erklärt. Im November desselben Jahres zeigte die Lufthansa sich selbst wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht beim brasilianischen Kartellamt an und unterstützte die Behörde bei den Untersuchungen.

Die französische Air France sowie die niederländische KLM, die inzwischen fusioniert sind, hatten ihre Beteiligung an den Preisabsprachen gestanden und entgingen durch eine Zahlung von 14 Millionen Real (rund 4,5 Millionen Euro) dem Prozess.

Luxusauto in Lufthansa Cargo Maschine Foto: FRA F/CI, Lufthansa Cargo
Sonderbehandlung für eilige Kunden: Luxusauto an Bord einer Lufthansa Cargo-MaschineBild: FRA F/CI, Lufthansa Cargo

Fünf Gesellschaften bestraft

Mit der Geldstrafe belegt wurden nun die Alitalia, American Airlines, TAM Cargo sowie die in Abwicklung befindliche brasilianische VarigLogistica. Auf einen glimpflichen Ausgang hatte United Airlines gehofft. Offiziell hieß es aus dem US-Unternehmen: "United hält sich streng an alle bestehenden Wettbewerbsgesetze und wird sich weiterhin entschieden gegen diese Anklage verteidigen." Die Hoffnung schien nicht unbegründet: Auch die brasilianische Staatsanwaltschaft hatte auf Freispruch für United plädiert.

Straflosigkeit für Kronzeugen

Die Straffreiheit für Unternehmen, die sich - wie die Lufthansa - rechtzeitig selbst anzeigen und entscheidend zur Aufdeckung eines Kartells beitragen, ist für den brasilianischen Verwaltungsjuristen Eduardo Jordão eine wichtige Waffe der Wettbewerbshüter, die einer ökonomischen Logik folgt: "Da die Kartellmitglieder fürchten müssen verraten zu werden, investieren sie in die Überwachung ihrer Partner. Allein dadurch schmilzt der Kartellgewinn." Weltweit beinhalten Wettbewerbsgesetze solche Kronzeugen-Regelungen.

2006 standen British Airways und Korean Air Lines in den USA unter Kartellverdacht. Beide Fluggesellschaften kooperierten mit den Behörden und wurden zur Zahlung von je 300 Millionen US-Dollar verurteilt - nachdem die Strafen anfangs zwei- bis dreimal so hoch hätten ausfallen sollen.

Auch die Lufthansa war schon einmal in einen ähnlichen Fall verwickelt, wie er nun in Brasilien abgeschlossen wird: 2006 deckte die größte deutsche Fluggesellschaft illegale Preisabsprachen über Kerosinzuschläge auf, an denen sie selbst beteiligt war. Wie jetzt auch ging sie damals straffrei aus. Den elf anderen beteiligten Fluggesellschaften brummte die Europäische Kommission 2010 eine Geldstrafe von insgesamt 800 Millionen Euro auf.

Pferdetransport bei Lufthansa Cargo Foto: FRA F/CI, Lufthansa Cargo
Das fliegende Pferd: Mit Sondertransporten lässt sich noch Geld verdienenBild: FRA F/CI, Lufthansa Cargo

Luftfahrtkartelle schwieriger

"Kartellabsprachen haben in der Luftfahrt eine gewisse Tradition", sagt der Branchenexperte Cord Schellenberg. Begünstigt werde das durch die staatliche Vergabe von Flug- und Landerechten, bei denen die jeweiligen Regierungen dazu neigen, die Interessen heimischer Fluggesellschaften zu vertreten und dafür deren Absprachen dulden.

Das sei inzwischen schwieriger geworden, meint Schellenberg - gerade im Frachtverkehr: "Standardgüter werden heute vor allem per Schiff transportiert, Luftfrachtunternehmen sind mehr und mehr auf den Transport bestimmter, empfindlicherer Waren wie Tiere oder Pflanzen spezialisiert." Damit fällt ein wichtiger Faktor für Kartellbildung weg: die Homogenität des Produktes beziehungsweise der Leistung.

Außerdem traut Schellenberg der Lufthansa-Führung einen Paradigmenwechsel in der Unternehmensethik zu: "Ich könnte mir vorstellen, dass die Lufthansaführung das auch nicht mehr dulden will. Christoph Franz [Vorstandsvorsitzender Lufthansa AG, d. R.] ist sehr auf persönliche Integrität bedacht."

Zudem könnte der harte Sparkurs, den der Lufthansa-Chef fährt, auch eine Motivation sein, Kartellstrafen möglichst zu verhindern.