1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Lukaschenkos Durchbruch im Westen

Roman Goncharenko
12. November 2019

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko besiegelt mit seinem Besuch in Österreich das Ende seiner langen Isolationszeit in Westeuropa. Der Zeitpunkt dieser Reise könnte auch ein Signal an Moskau sein.

https://p.dw.com/p/3Spvi
Weißrussland Minsk Alexander Lukaschenko
Bild: picture-alliance/TASS/N. Petrov

Für Alexander Lukaschenko ist es eine außenpolitische Sensation, ein Durchbruch. Der Präsident Weißrusslands reist an diesem 12. November nach Wien und beendet endgültig eine fast zehnjährige Eiszeit im Verhältnis mit der Europäischen Union. Österreich ist damit das erste Land in Westeuropa, das den autoritären Präsidenten aus Osteuropa nach einer langen Isolation empfängt - abgesehen von seinem Besuch beim Papst in Vatikan 2016. Es hätte allerdings auch Deutschland sein können, denn im Februar war seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz fest eingeplant. Minsk sagte kurzfristig ab.

Wie Lukaschenko aus der Isolation herauskam 

Der 65-jährige Lukaschenko folgt nun der Einladung von Sebastian Kurz, der Ende März als österreichischer Kanzler zu einem offiziellen Besuch nach Minsk reiste. Europäische Staats- und Regierungschefs waren lange seltene Gäste in der früheren Sowjetrepublik, wo Lukaschenko als dienstältestes Staatsoberhaupt des Kontinents inzwischen seit 25 Jahren regiert. Als der letzte Tiefpunkt im Verhältnis mit dem Westen gilt das Jahr 2010. Damals gab es Proteste und Massenverhaftungen von Oppositionellen nach einer Präsidentenwahl. Lukaschenko hatte erneut gewonnen. Die EU reagierte mit Sanktionen und Einreiseverboten, auch gegen den Präsidenten persönlich. In westlichen Medien nannte man ihn damals oft "Europas letzter Diktator".

Österreichs Kanzler Kurz in Minsk
Im März 2019 besuchte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (links) den weißrussischen Präsidenten Bild: picture-alliance/Dragan Tatic/Bundeskanzleramt/apa/dpa

Seit der russischen Krim-Annexion 2014 ist Lukaschenko jedoch schrittweise aus der Isolation herausgekommen. Trotz seiner engen Beziehungen zu Moskau inszenierte sich Minsk neutral und wurde zum Verhandlungsort über den Krieg in der Ostukraine. 2015 wurde die Zwei-Millionen-Metropole Schauplatz des Vierer-Gipfels im Ukraine-Konflikt, an dem Russlands Putin, die Ukraine, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige französische Präsident Francois Hollande teilnahmen. Ein Jahr später hob die EU Sanktionen gegen Weißrussland auf. Zuvor hatte Lukaschenko einige prominente inhaftierte Oppositionelle freigelassen.

Bessere Zeiten für Minsk und die EU

Seitdem herrscht Tauwetter zwischen Minsk und dem Westen. Erst vor wenigen Wochen, Anfang Oktober, veranstaltete Lukaschenko in Minsk ein Forum zu Sicherheit in Europa, bei dem auch Vertreter Russlands und der USA dabei waren. 2018 reiste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Weißrussland, um an der Eröffnung einer KZ-Gedenkstätte teilzunehmen. Im gleichen Jahr veranstaltete die Münchner Sicherheitskonferenz eine hochkarätige Tagung in Minsk, bei der auch Lukaschenko sprach und für eine Entspannungspolitik zwischen Russland und dem Westen warb. Dabei positionierte er sein Land als "zuverlässigen Partner" für Ost und West. Auch die Veranstaltung von Sportevents wie die Europaspiele unter der Schirmherrschaft des IOC im Sommer 2019 nutzte Lukaschenko zur Imagepflege.  

Belarus wirbt um Ansehen

Mit dem Besuch des weißrussischen Präsidenten in Wien erreicht die Annäherungspolitik der letzten Jahre einen Höhepunkt. "Lukaschenko glaubt, dass er diesen langjährigen ideologischen politischen Krieg gewonnen hat", sagte der weißrussische Oppositionspolitiker Anatoli Lebedko in einem DW-Gespräch. Die staatlichen Medien in Weißrussland würden das so darstellen.

Geplant ist ein Treffen von Lukaschenko mit österreichischem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen und Wirtschaftsvertretern. "Es ist ein Versuch der österreichischen Regierung, Weißrussland noch weiter aus der Isolation zu holen", sagte der österreichische Politologe und Russland-Experte Gerhard Mangott der Deutschen Welle. Der Anspruch dabei sei ein "armenisches Modell" für Minsk, das heißt eine sanfte wirtschaftliche Annäherung an die EU. Die Beziehungen zu Russland werden beibehalten. Österreich sei nach Russland der zweitgrößte ausländische Investor in Weißrussland und am Ausbau des Handels "sehr interessiert", sagte Mangott. Auch das zuletzt wirtschaftlich angeschlagene Weißrussland dürfte an westlichen Investoren interessiert sein. "Lukaschenko kommt wegen des Geldes", sagte der Oppositionspolitiker Lebedko. "Das ist sein Hauptziel."

Eine Reise mit Signalwirkung nach Moskau  

Fast noch brisanter als Lukaschenkos Reise nach Wien scheint der Zeitpunkt. Zum einen stehen am 17. November in Weißrussland Parlamentswahlen an. Früher haben sowohl die Opposition als auch Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) immer wieder Demokratie-Defizite und Einschränkungen bei Wahlen angemahnt und kritisiert. Zum anderen ist für Anfang Dezember die Vorstellung einer Reform geplant, die Weißrussland noch enger an Russland binden soll. Anlass ist der 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags für die Gründung eines Staatenbundes zwischen den früheren sowjetischen Schwesterrepubliken Russland und Weißrussland.

Weißrussland ist bereits seit Jahren im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion mit Russland eng verbunden. Eine weitere Integration könnte die Souveränität Minsks einschränken, befürchten weißrussische Oppositionspolitiker und riefen die Bürger vor einigen Wochen zu Protesten auf. Auch in Moskauer Oppositionskreisen gibt es seit Monaten Spekulation über möglichen Druck des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Lukaschenko, sich noch stärker mit Russland zu verflechten - etwa in Sachen Geldpolitik. Vor diesem Hintergrund dürfte Lukaschenkos Reise nach Wien auch eine Signalwirkung für Moskau haben.