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Steuern sparen in Luxemburg

6. November 2014

Das EU-Land Luxemburg hat internationalen Konzernen jahrelang geholfen, durch legale Steuertricks Milliarden zu sparen. Das ergab die Auswertung tausender Seiten bisher geheimer Dokumente.

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Stadt Luxemburg Stadtansicht
Bild: picture alliance/AP Photo

Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) soll es manchen Firmen dadurch gelungen sein, auf ihre Gewinne nur noch ein Prozent Steuern zu zahlen. Belegt werde dies durch eine Auswertung von 28.000 Seiten geheimer Dokumente durch eine Gruppe investigativer Journalisten.

Demzufolge haben luxemburger Behörden komplexe Finanzstrukturen genehmigt, die das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Unternehmen entwickelt habe.

Dass das Großherzogtum mit niedrigen Steuersätzen um große Konzerne wirbt, ist seit Jahren bekannt und wird von EU-Partnern wie Deutschland mit Argwohn gesehen. Die von dem Recherche-Netzwerk ausgewerteten Dokumente geben nun einen Einblick, wie sich die Firmen steuerlich arm gerechnet haben.

Durch geheime, auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Abmachungen, sogenannte "tax rulings", habe Luxemburg den Firmen weitreichende Möglichkeiten zur Vermeidung von Steuern eröffnet, schreibt die SZ.

Genannt werden Konzerne wie PepsiCo, FedEx, Procter & Gamble, Amazon und Ikea. Aber auch die Dax-Konzerne Deutsche Bank, E.ON und Fresenius Medical Care (FMC) tummeln sich demnach in Luxemburg.

Alles legal?

Die genannten Konzerne betonten dem Blatt zufolge, dass sie stets legal arbeiteten. Die Unternehmensberatung PwC habe erklärt, sie handele "in Übereinstimmung mit lokalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen".

Der Dialysekonzern Fresenius Medical Care (FMC) verteidigte die Geschäfte seiner Niederlassungen in Luxemburg. Die Gesellschaften seien eingerichtet worden, um Zugang zum Luxemburger Kapitalmarkt zu erhalten, und nicht, um Steuern zu sparen, sagte ein Sprecher des Unternehmens am Donnerstag.

"Das bringt jährlich nebenbei steuerliche Vorteile, die unter einer Million Euro liegen", sagte der Sprecher. "Das entspricht 0,2 Prozent des Steueraufwands von Fresenius Medical Care."

Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel verteidigte das Vorgehen seines Landes. "Was Luxemburg gemacht hat, war okay", zitiert ihn die SZ. Sein Land sei keine Steueroase.

Allerdings hat die EU-Kommission bereits einige Steuerdeals ins Visier genommen. Sie prüft derzeit, ob der Online-Händler Amazon und die Finanztochter des Fiat-Autokonzerns (Fiat Finance and Trade) in Luxemburg dadurch unerlaubte Staatshilfen erhalten haben.

Zudem untersucht Brüssel eine mögliche steuerliche Begünstigung für den Technologiekonzern Apple in Irland und die Kaffeehaus-Kette Starbucks in den Niederlanden.

In Junckers Amtszeit

Die Unterlagen stammen dem Bericht zufolge vorwiegend aus den Jahren 2008 bis 2010 und fallen damit in die Amtszeit des damaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker, der seit wenigen Tagen EU-Kommissionspräsident ist.

Juncker im Europaparlament 22.10.2014 PK nach der Abstimmung
Damals Ministerpräsident in Luxemburg: Jean-Claude JunckerBild: Reuters/Christian Hartmann

Juncker sagte dem Sender NDR: "Ich werde in den Fällen keinen Einfluss auf die Geschehnisse nehmen. Ich werde mein Amt nicht missbrauchen."

Der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, hält Junckers Glaubwürdigkeit, sich als Kommissionspräsident für das europäische Gemeinwohl einzusetzen, für "beschädigt".

"Juncker war als Finanzminister und Premier Luxemburgs für die Einführung der maßgeschneiderten Steuerbescheide verantwortlich", schreibt Giegold auf seiner Webseite. "Juncker hat sich so zum Komplizen von Steuerdrückern gemacht und damit andere EU-Staaten um Steuermilliarden gebracht."

An den Recherchen des Journalistennetzwerks ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists) waren dem Bericht zufolge neben der "Süddeutschen Zeitung" und dem NDR auch der WDR beteiligt sowie der "Guardian" (Großbritannien), "Le Monde" (Frankreich), der "Tages-Anzeiger" (Schweiz) und Dutzende weitere Medien.

Reaktionen aus Berlin

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bekräftigte am Donnerstag im Bundestag seine Initiativen gegen Steuerflucht.

Schäuble sagte, auch in Luxemburg hätten sich die Dinge geändert, selbst wenn es noch viel zu tun gebe. So gehöre das Großherzogtum zu den über 50 Staaten, die Ende Oktober vereinbart hatten, sich ab 2017 automatisch mit Steuerdaten ihrer Bürger zu beliefern.

Trotzdem gebe es "nicht nur illegale Steuerhinterziehung, sondern auch die Ausnützung von legalen Gestaltungsmöglichkeiten, und das ist der nächste Schritt", so Schäuble.

Außerdem verwies der Minister auf seine vor Jahren im Rahmen der G20-Staaten gestartete Initiative gegen Steuerflucht von Konzernen (BEPS). Ihr Ziel ist es, dass Firmen ihre Gewinne dort versteuern, wo die tatsächliche Wertschöpfung stattgefunden hat und das Geld nicht - etwa über Lizenzgebühren - zu Töchtern ins steuergünstigere Ausland transferiert wird.

Die ersten sieben Punkte eines von der OECD erarbeiteten BEPS-Aktionsplans mit insgesamt 20 Punkten soll kommende Woche beim G20-Gipfel im australischen Brisbane verabschiedet werden.

Sahra Wagenknecht, Finanzpolitikerin der Parteil "Die Linke", sagte in der Debatte, die Steuerpraxis in Luxemburg habe Juncker zu verantworten. Es sei bemerkenswert, dass offenbar "Beihilfe zur Steuerhinterziehung" in Europa für höchste Ämter prädestiniere. Der Bundesregierung warf sie Untätigkeit vor, weil sie nicht mit deutschen Gesetzen der Steuerflucht einen Riegel vorschiebe.

bea/hb (reuters, dpa, afp, SZ, ICIJ)