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Geschlechtertrennung

28. November 2010

In manchen Berufen hält sich die Geschlechtertrennung auch heute noch hartnäckig. Einen eklatanten Männermangel gibt es etwa bei Erziehern. Darunter leiden vor allem Jungs, denn ihnen fehlen männliche Rollenvorbilder.

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Erzieher Fabian Spies spielt im Sandkasten mit Kindern seines Kindergartens (Foto: Monika Dittrich/DW)
Fabian Spies ist ein Exot in seinem BerufBild: DW

Fabian Spies ist ein großer kräftiger Mann mit weichen Gesichtszügen. Er trägt Jeans und einen Kapuzenpulli, auf der Nase sitzt eine dezente Brille. Mit einer roten Plastikschaufel in der Hand kniet er in der Sandkiste des Kölner Europakindergartens. "Lasst uns doch mal einen ganz hohen Turm bauen", sagt er zu Ben, Marlene, Campino und den anderen. Die Zwei- bis Sechsjährigen fangen eifrig an zu schaufeln.

Seit über zehn Jahren arbeitet Fabian Spies als Erzieher. Sein Traumberuf, wie er sagt. "Die Arbeit mit Kindern macht mir Spaß", so der 30-Jährige. Kinder seien offener als Erwachsene, machten keine Geheimnisse aus ihren Gedanken und Gefühlen. "Es ist schön, mit ihnen die Freude am Leben zu teilen. Da bin ich mit Herz und Seele dabei."

Nur 2,4 Prozent männliche Erzieher

Kita-Leiterin Natalja Jaxen (Foto: Monika Dittrich/DW)
Versucht, mehr männliche Erzieher für ihr Team zu gewinnen: Leiterin Natalja JaxenBild: DW

Fabian Spies ist ein Exot in seinem Beruf. Statistisch kommen auf hundert Erzieherinnen in deutschen Kindertageseinrichtungen nicht einmal drei männliche Kollegen. "In der frühen Kindheit sind Männer total unterrepräsentiert", beklagt die Leiterin des Kölner Europakindergartens Natalja Jaxen. Seit Jahren setzt sie sich dafür ein, auch männliche Erzieher für ihr Team zu gewinnen. Neben Fabian Spies arbeitet noch ein weiterer Mann in ihrem Kindergarten. Davon profitierten vor allem die Jungen, "weil man ihnen ein Rollenvorbild geben kann. Sie werden ja später auch mal Männer." Das Geschlechtervorbild sei wichtig für die Entwicklung, so Jaxen.

Doch genau diese Vorbilder fehlen meistens. Denn in den ersten Lebensjahren werden Kinder hierzulande vor allem von Frauen betreut: von Müttern und Tagesmüttern, von Babysitterinnen und Au-pair-Mädchen, von Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen. Erst in der weiterführenden Schule steigt der Anteil männlicher Lehrer.

Jungs sind die Sorgenkinder des Bildungssystems

Erziehungswissenschaftler und Bildungsforscher vermuten, dass der Mangel an Rollenvorbildern auch ein Grund für die Bildungsmisere der Jungs ist. Seit Jahren wird danach geforscht, warum Jungen in der Schule öfter versagen, schlechtere Noten haben, schlechter lesen können und seltener Abitur machen als Mädchen. Es könnte tatsächlich an den Frauen liegen – denn die fördern offenbar eher mädchenspezifisches Verhalten, während das natürliche Kräftemessen und Raufen der Jungen als Störung bewertet wird. Auch Fabian Spies hat schon beobachtet, dass Männer und Frauen anders mit Kindern umgehen. "Wenn sich die Kinder zanken, dann reagiere ich vielleicht gelassener als meine Kolleginnen", so Spies.

Und was sagen die Eltern zu den männlichen Erziehern? Meistens seien sie begeistert, berichtet Kita-Leiterin Natalja Jaxen. In Ausnahmefällen reagierten Eltern auch mal skeptisch, weil sie Angst hätten vor sexuellem Missbrauch, oder auch aus religiösen Gründen. "Muslimische Eltern wollen manchmal nicht, dass ein Mann ihren Kindern die Windeln wechselt", erzählt Jaxen. Einer Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge wünschen sich allerdings zwei Drittel aller Eltern, dass es in den Kitas mehr Männer gibt.

Die Betreuung kleiner Kinder gilt als Frauensache

Erzieher Fabian Spies spielt im Sandkasten mit Kindern seines Kindergartens (Foto: Monika Dittrich/DW)
Für viele Männer ist der Erzieher-Beruf unattraktivBild: DW

20 Prozent männliche Erzieher wären nach Expertenmeinung wünschenswert. Die Bundesregierung hat eine entsprechende Kampagne gestartet, um mehr Männer für den Erzieherberuf zu begeistern. Dafür stellen das Familienministerium und der Europäische Sozialfonds ab 2011 insgesamt 12,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land Brandenburg versucht es mit einem Modellprojekt: Hier werden langzeitarbeitslose Männer mit einem mittleren Schulabschluss zu Erziehern umgeschult. Auch so soll das Personal für den bundesweiten Kita-Ausbau bis 2013 bereitgestellt werden.

Doch für viele Männer bleibt der Erzieher-Beruf unattraktiv; weil er gesellschaftlich wenig geachtet wird und die Betreuung kleiner Kinder noch immer als Frauensache gilt. Abschreckend dürfte auch die schlechte Bezahlung wirken: Erzieher verdienen nach drei Jahren Fachschulausbildung monatlich etwa 2130 Euro brutto. "Alle Erzieher, egal ob Männer oder Frauen, sind total unterbezahlt für das, was sie leisten", moniert Fabian Spies.

Doch auch wenn es nur wenig Geld gibt für seine anstrengende Arbeit - Fabian Spies liebt seinen Beruf. Und die Kinder? Sie lieben Fabian. "Mit dem spiele ich am liebsten", gibt zum Beispiel Campino zu Protokoll. Und Marlene pflichtet ihm bei: "Fabian ist mein Lieblings-Erzieher." Für die Kinder ist Fabian ein Superstar. Aber eben ein seltener Superstar.

Autorin: Monika Dittrich
Redaktion: Pia Gram