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Glaube

Märtyrer für ein besseres Deutschland

24. August 2017

Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen von der katholischen Kirche zeigt mit dem Märtyrer Alfred Delp einen Anti-Fundamentalisten, der für eine humane, gerechte und gotterfüllte Gesellschaft in den Tod ging.

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Pater Alfred Delp (SJ)
Pater Alfred Delp (SJ) während der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof. Foto: © SJ-BildBild: SJ-Bild

Pater Alfred Delp wurde im August 1944 vom Volksgerichtshof in Berlin zum Tod verurteilt, weil er über ein demokratisches Deutschland nachgedacht hatte. Das war der Grund seiner Hinrichtung. Delp stand zwischen zwei Abgründen: auf der einen Seite war es die mordende Diktatur Hitlers, auf der anderen Seite das Faktum: Deutschland war weitgehend gottlos geworden. Dem Diktator stand ein Volk gegenüber, dem Gott auf große Strecken aus dem Blick verschwunden war. Und dieser Verlust Gottes kam nicht durch Hitler, sondern durch den Zusammenbruch der Glaubensweitergabe. Delp litt und kämpfte wie ein Löwe.

Er aber, der junge Theologe, der zur katholischen Kirche übergetreten und Jesuit geworden war, wusste in seinem tiefsten Inneren und aus persönlicher Erfahrung, welcher Reichtum aus dem Glauben an einen himmlischen Schöpfergott fließt. Eines seiner zentralen Bekenntnisworte lautet: „Die große Sinnerfüllung des Lebens liegt in der Begegnung mit Gott.“

Eine tiefe Gotteserfahrung

Delp war ein sehr kritischer Denker. Er hatte erkannt, was in der Kirche nicht richtig lief. Er hatte erkannt, wie eine Gesellschaft aufgebaut sein muss, damit sie human und gerecht ist. Deshalb wurde er Mitglied im „Kreisauer Kreis“. In ihm versammelten sich heimlich Personen, die nachdachten über ein Deutschland nach der Hitlerzeit. Hitler war ja gewählt worden, weil vorher vieles in der jungen Demokratie nicht gut lief, weil viele Menschen arbeitslos waren, weil die politischen Parteien sich gegenseitig blockierten, weil manche sich nach der Monarchie zurücksehnten, weil viele Angst hatten vor dem Kommunismus. Wie also sollte es weitergehen nach dem Sturz Hitlers? Das waren die Fragen im „Kreisauer Kreis“. Und der junge Jesuit Alfred Delp war der richtige Mann, den theologischen Aspekt in diese Überlegungen beizutragen. „Kreisau“ war ein gefährliches Unternehmen. Delp riskierte wie auch die anderen den Tod.

Aber Delp brachte eine tiefe Gotteserfahrung mit. Einmal schrieb er: „Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“ Und ein anderes bezeichnendes Wort: „Man muss die Segel in den unendlichen Wind stellen, dann erst werden wir spüren, welcher Fahrt wir fähig sind.“ Der unendliche Wind war für ihn der Wind des Heiligen Geistes.

Eine Woche nach dem Attentat gegen Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Delp in München von der Gestapo verhaftet, obwohl er mit dem Attentat nichts zu tun hatte. In Berlin wurde er vom Volksgerichtshof zum Tod durch den Strang verurteilt. Grund des Urteils war vor allem seine Mitwirkung im „Kreisauer Kreis“. Während der Haft bot ihm die Gestapo Freilassung an unter der Voraussetzung, dass er aus dem Jesuitenorden austrete. Er lehnte ab und wartete noch Monate auf die Hinrichtung. In dieser Zeit schrieb er diese Notiz: „Man erfährt es erst kurz vorher, dass man heute und zwar gleich ,dran‘ ist. Nicht traurig sein. Gott hilft mir so wunderbar und spürbar bis jetzt. Ich bin noch gar nicht erschrocken. Das kommt wohl noch. Vielleicht will Gott diesen Wartestand als äußerste Erprobung des Vertrauens. Mir soll es recht sein. Ich will mir Mühe geben, als fruchtbarer Same in die Scholle zu fallen, für Euch alle und für dieses Land und Volk, dem ich dienen und helfen wollte.“

„Die Freude im Menschenleben hat mit Gott zu tun“

Was würde Delp heute sagen, wenn er sähe, dass Gott in der deutschen Öffentlichkeit, im politischen, gesellschaftlichen, kulturellen Leben kaum mehr eine Rolle spielt? Dass nur wenige junge Menschen wissen, wie der Mann am Kreuz heißt? Was würde er sagen, wenn er erführe, dass im Lutherjahr kaum von Gott, sondern nur von Reformation gesprochen wird. Früher einmal hatte er notiert: „Die Freude im Menschenleben hat mit Gott zu tun.“ Vor seiner Hinrichtung konnte er das leben, was er früher geschrieben hat: „Das gebeugte Knie und die hingehaltenen leeren Hände sind die beiden Urgebärden des freien Menschen.“ Und schließlich „Gott will Begegnung mit uns feiern, will unsere anbetende, liebende Antwort.“

Pater Eberhard von Gemmingen Radio Vatikan
Bild: picture-alliance/dpa

Pater Eberhard von Gemmingen SJ ist 1936 in Bad Rappenau geboren. Nachdem er 1957 in den Jesuitenorden eingetreten ist, studierte er 1959 Philosophie in Pullach bei München und Theologie in Innsbruck und Tübingen. 1968 erfolgte seine Priesterweihe. Pater Eberhard von Gemmingen SJ war Mitglied der ökumenischen Laienbewegung action 365, bischöflicher Beauftragter beim ZDF und Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Seit 2010 ist er Fundraiser der deutschen Jesuiten.