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"Zwei entscheidende Fehler"

Volker Wagener17. Juni 2015

Schlusspunkt Waterloo: Vor 200 Jahren endete das Napoleonische Zeitalter. Doch Niederlage in dem Städtchen bei Brüssel wäre für Napoleon vermeidbar gewesen, urteilt der Militärexperte Hans-Wilhelm Möser im DW-Interview.

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Waterloo-Gemälde "Der englische Oberst Hugh Halkett nimmt an der Spitze des Landwehrbataillons 'Osnabrueck' den französischen General Cambronne gefangen" von Richard Knötel - Archiv für Kunst & Geschichte (dpa)
Bild: picture-alliance/akg-images

Herr Möser, sie haben ein Buch über die Schlacht bei Waterloo geschrieben. Was ist ihre Kernthese darin? Haben Sie 200 Jahre danach etwas Neues entdecken können?

Neues? Nein. Aber die Schlacht von Waterloo bedeutet das Ende einer Ära. Es bedeutet das Ende der napoleonischen Zeit.

Sie sind Militärexperte. Anders als Historiker haben Sie nach mehr als drei Jahrzehnten in verschiedenen herausgehobenen Positionen bei Bundeswehr und NATO vor allem militäroperative Erfahrung sammeln können. Warum hat Napoleon verloren?

Napoleon hat zwei entscheidende Fehler gemacht: Er hat am 16. Juni die Preußen bei Ligny geschlagen, aber er hat Sie nicht verfolgen lassen. Das heißt, er wusste anschließend nicht, wo sie waren und was sie taten. Er musste ins Ungewisse planen und handeln. Und der zweite Fehler war: Er hat am Morgen des 17. Juni Wellington bei Quatre-Bras entkommen lassen und hat damit die Möglichkeit verschenkt, seine zwei Gegner einzeln und nacheinander zu schlagen, wie es die Grundidee seines Feldzugsplanes gewesen war. Das wäre auch seine einzige Chance gewesen, gegen die beiden zu bestehen.

Das ist untypisch für den Tat-Menschen Napoleon. Gibt es Erklärungen dafür, warum er beides nicht getan hat?

Napoleon war gesundheitlich angeschlagen. Er zeigte deutliche Verschleißerscheinungen. Er war nicht mehr auf der Höhe seiner Schaffenskraft.

Was wäre denn passiert, wenn Napoleon in Waterloo gewonnen hätte?

Wenn er die Schlacht gewonnen hätte, wenn die Briten aus der Koalition gegen ihn ausgeschieden wären, dann hätte er vielleicht eine Chance gehabt, dass man mit ihm einen Kompromissfrieden geschlossen hätte, weil dann der Hauptgeldgeber gefehlt hätte. Es bleibt aber ein unwahrscheinliches Szenario. Es waren insgesamt 800.000 Soldaten im Anmarsch auf Frankreich. Er hatte nur knapp 200.000 Mann insgesamt zur Verfügung und es ist unwahrscheinlich, dass der Zar von Russland, der Kaiser von Österreich und der König von Preußen mit Napoleon Frieden geschlossen hätten.

Was waren die ausschlaggebenden Gründe für Napoleons Niederlage? War das seine falsche Taktik oder lag es auch an den Waffen?

Es waren weniger die Waffen. Die waren auf beiden Seiten die Gleichen. Es war weniger seine gewählte Taktik. Er ist bei Waterloo einfach von der zahlenmäßigen Übermacht seiner Gegner erdrückt worden.

Was hat Waterloo, dieser unscheinbare Ort mitten in der wallonischen Provinz Belgiens, zum geeigneten Schlachtort werden lassen?

Wellington hatte ein Jahr zuvor auf einer Reise nach Frankreich die Gegend einmal durchquert und es war seine Angewohnheit, Gelände auf ihre militärische Tauglichkeit zu überprüfen. Und er hatte festgestellt: Südlich von Waterloo, bei Mont-St-Jean, gab es zwei Höhenrippen, etwa nur fünf Meter Differenz in der Höhe, die etwa 1000 Meter voneinander in Ost-West-Richtung verliefen. Diese wurden durchschnitten von der Chaussee von Charleroi nach Brüssel. Das heißt, wenn jemand von Charleroi kam und nach Brüssel wollte, musste er dort vorbei. Wellingtons Taktik bestand darin, nach Möglichkeit seine Armee auf den hinteren Hang aufzustellen, sodass ein Angreifer nicht sehen konnte wo er stark und wo er schwach war und dass ein Angreifer nicht gezielt auf ihn schießen konnte. Deshalb fand Wellington, dieser Geländeabschnitt wäre günstig.

Hans-Wilhelm Möser - Foto: Helios-Verlag
Hans-Wilhelm MöserBild: Helios-Verlag

Wellington hat Napoleon also buchstäblich dorthin gelockt?

Richtig, so kann man das sagen.

Ist Waterloo die Mutter aller Schlachten und damit Synonym für die totale Niederlage oder ist sie nur deshalb so legendär, weil der bis dahin so erfolgreiche Kriegsherr Napoleon dort in die Knie gezwungen wurde?

Mutter aller Schlachten - ich wehre mich ein bisschen gegen diesen orientalisch geprägten Ausdruck. Es ist das Synonym für eine totale Niederlage, weil mit dieser einen Schlacht an diesem einen Tag die gesamte Napoleonische Zeit zu Ende ging.

Hans-Wilhelm Möser, Jahrgang 1938, trat 1961 als Panzergrenadier in den Dienst der Bundeswehr. Er war Kompaniechef in der Führungsakademie der Bundeswehr und zuletzt als Oberst im Generalstab in Kommandostellen der NATO tätig. An den Militärakademien in Sandhurst und Brüssel befasste er sich mit der britischen und französischen Sicht auf Waterloo. Er ist Autor des Buches "Die Schlacht bei Waterloo".

Das Interview führte Volker Wagener.